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Der Ausdruck „Copycat“ bezeichnet im englischen Sprachgebrauch einen Nachahmungstäter.

(In dem 1995 erschienen, gleichnamigen Film jagen Sigourney Weaver und Holly Hunter einen Serienmörder, der berühmt-berüchtigte Vorgänger imitiert. 2004 veröffentlichte Loren Coleman „The Copycat Effekt.“ Der amerikanische Soziologe untersucht in diesem Bestseller Verhaltensmuster von Selbstmördern (beginnend mit dem von Goethe ausgelösten Werther-Kult im 18. Jahrhundert), Serienmördern und Selbstmordattentätern (Columbine, 9-11). Die Kopier- und Zitierlust von Gewaltverbrechern nachweisend, hinterfragt Coleman die Verbindung zu medialer Berichterstattung und Hollywoodproduktionen wie Deerhunter, Taxi Driver oder Natural Born Killers.

„Copycatting ist keine strenge Wissenschaft, sondern die einfache Beobachtung der menschlichen Natur,“schreibt der Journalist Michael Hammerschlag dazu. „Menschen sind zu 98% Schimpansen, und Affen kopieren. So lernen wir (...).“)

In der Gruppenausstellung "Copycats" werden Wirkung und Rezeption der medialen Bilderflut künstlerisch untersucht.

Die Verwendung von existierendem Bildmaterial bzw. Nachahmung als Methode zur Durchdringung von Realität ist seit vielen Jahren charakteristisch für die Arbeitsweise der sechs beteiligten Künstler. „Kopieren“ heißt für sie „sichtbar machen“, aber auch „transformieren“. Denn jede Wiederholung oder Vervielfältigung ist, spätestens seit Walter Benjamin, per se ein Eingriff in Status und Bedeutung des kopierten Objektes.

Dabei beschäftigen sich die KünstlerInnen Bauer, Klein, Ostarhild, Raschke, Rogler und Zein weder mit den Folgen der Reproduzierbarkeit noch mit den Extremen verbrecherischen Copycat-Verhaltens. Vielmehr geht es ihnen um das Allgemeine, das Alltägliche. Thematisiert werden: Vergleichen, Nachahmen und Kopieren als absichtsvolle aber auch unbewusste Reaktion auf unser Umfeld und die veränderliche Welt der Bilder. Obwohl diese Künstler also ähnliche Themen umkreisen und mit einer direkten Übersetzung von Bild- oder Tonvorlagen arbeiten, stellen sie mit ihren „Nachahmungs-Strategien“ sechs sehr unterschiedliche Positionen zur Diskussion.

SEBASTIAN ROGLER verdichtet und neutralisiert mit postideologischem Impetus die mediale Bilderflut. In seinen Bild- und Textcollagen verlieren die disparaten Einzelteile ihre ursprüngliche Konnotation. Selbst einstmals mit so hoher Bedeutung aufgeladenen Ikonen wie den RAF-Mitgliedern wird der politische Gehalt entzogen. Ihnen wird die gleiche Bedeutungsebene zugewiesen wie Marilyn Monroe und Mickey Mouse. So erhebt Rogler die Belege einer überlebten Wirklichkeit zu nostalgischen Kultbildern. (*1961, lebt und arbeitet in Berlin)

JURGEN OSTARHILD Die Gegenwartsferne seiner Sujets macht einen wesentlichen Unterschied zu den digitalen Fotocollagen von Jurgen Ostarhild aus, der sich kritisch mit dem gängigen und zukünftigen Schönheitsbegriff auseinandersetzt. Aus Fragmenten selbst fotografierter Menschen kreiert er fiktive Gesichter und Identitäten. Seine Serie „Überbabes“, entstanden in dem ethnischen Meltig-Pot Paris, scheint die Evolution und Entwicklung unserer Schönheitsideale vorwegzunehmen. (*1956, lebt und arbeitet in Berlin)

THOMAS RASCHKE Auch dem Bildhauer Thomas Raschke geht es um die kunstimmanenten Möglichkeiten von Kopier- und Nachahmungsvorgängen. Ihn interessiert die Durchdringung der aktuellen Dingwelt des Westens. So existieren die von ihm aus Draht nachgebauten (digitalen) Konstruktionszeichnungen, sogenannte „Wireframes“ von Werkbänken, Musikstudios oder technischen Geräten, konsequent in allen Details als plastisches Ganzes im zeichnerischen Raum. Zwischen Installation und Objekt untersucht Raschke, wie unser Blick in das Innere eines Gegenstandes gelangen kann bei gleichzeitiger Wahrnehmung seiner äußeren Gestalt. (*1961, lebt und arbeitet in Schwäbisch Gmünd und Berlin)

ASTRID S. KLEIN widmet sich in ihren kritischen Videoarbeiten der Cinematografischen Sprache. Indem sie selbst gefilmtes mit gefundenem Bildmaterial kombiniert oder über filmische Tonspuren (found footage) eigene, zum Teil performative Filmsequenzen setzt, gelingt ihr die Hinterfragung und Auflösung medialer Standards. Vorgefundenes und Konstruiertes wird dabei unterscheidbar gegeneinander gesetzt. (*1964, lebt und arbeitet in Stuttgart und Berlin)

GLORIA ZEIN hingegen verwischt absichtsvoll die Grenzen von Realität (bzw. bildnerischer Vorlage) und Fiktion, indem sie die Möglichkeiten narrativer Elemente auslotet. Aus Interesse für die künstlerische Überprüfung und Neucodierung soziokultureller Beziehungskonstellationen arbeitet Zein zudem oft partizipatorisch. Ihre Werke entstehen häufig erst -und nur- durch das Interesse auch kunstfremder Personen, gemeinsam über eine Problematik nachzudenken. So untersucht sie die von vorgeformten Zuschreibungen geprägten Wahrnehmungsmechanismen. Ihre Fotos, Performances und ortsspezifischen Installationen entmystifizieren historische wie zeitgenössische (Bild-)Ikonen. (*1970, lebt und arbeitet in Berlin)