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Gras drüber

Malerei in kräftigen Farben, leuchtende Akzente in Gelb, Rot oder Blau, wirbelnder Duktus, zusammengefügte Splitter und Passagen einer zunächst unentwirrbaren Collage: Die Malerei von Cordula Güdemann tritt uns rauschend und fulminant in ihrer Farb- und Formgebung entgegen. Die Schar der aufgespießten Limousinen der „Eskorte für Asger Jorn“, 1999, variiert nuancenreich delikate Rot-, Rosarot-, Lachsrottöne, mit gelbem Akzent. „Bilder aus der bewohnten Welt“, 1997, vereint Fotografie und übermalte Fotografie mit reinen Farbereignissen, wie einer grünen Insel und einer pinkfarbenen Spur, die sich dinglich unmotiviert durch das Bildgeschehen schlängelt. Im zweiten Schritt der Betrachtung verdichten sich die Farben zu Versatzstücken einer uns vertrauten Dingwelt. Die Requisitenkammer der Malerin enthält Gegenstände unserer modernen Welt vom bürgerlichen Wohnambiente bis zum Panzer, Artefakte vergangener Kulturen und Elemente der Natur.

Thematische Schwerpunkte sind feststellbar: Die Städtebilder ( „Affenfelsen“), die „Flieger“ in den Jahren 1992/93, die „Friedensengel“ (1990/200), „La Deutsche Vita“ /(2000/2001), „Lucky Times“ (2003/2004), die „Cowboys“ (2004/2005). Güdemann ist auch in ihren Bildtiteln erfindungsreich. Bei näherem hinsehen zeigen die „Werkgruppen“ ihre Vielfalt. Die Kunst offenbart sich erst ganz bei der Betrachtung der Einzelstücke.

Der Maler in Anzug und Krawatte auf dem Bild „Wahre Liebe“ von 1989 trägt eine Maske; eine gelbe Binde mit drei Punkten zusammen mit einem weißen Stab in der Linken weisen ihn als blind aus. Das ist ein Widerspruch in sich, denn der Maler braucht seine Augen, er gestaltet über optisches Aufnehmen. Kann er dennoch blind sein? Cordula Güdemann will genau das nicht sein: „Sie erkennt Dinge zusammen, die andere getrennt und zumeist gar nicht betrachten.“ (P. O. Chotjewitz)

Aber Cordula Güdemann entdeckt nicht Dinge, die für andere unsichtbar wären, sondern sie „ent – deckt“ dieselben, sie nimmt ihnen ihr Glück, Erfolg und Wohlergehen vortäuschende Oberfläche. Durch das Mittel der Collage, sowohl faktisch als auch gemalt, baut sie aus denselben Elementen, die eine perfekte, harmonische Idylle konstruieren könnten, ein ambivalentes Szenarium. Das Vergnügen an der reinen Malerei öffnet gleichzeitig den Blick für das Befremdliche oder kippt sogar in Betroffenheit um, denn diese Kunst wildert tief im verdrängten Alltag.

Autos und Autoschrott, die Welt durch Monitore gesehen, die Reduzierung eines Kopfes auf einen Cowboyhut, menschenleere Hochhäuser in mehr oder weniger gutem Zustand, die Denkmalgruppe der Soldaten der Schlacht von Iwo Jima auf einen Atompilz zustürmend, Würstchen, Waldi, Partyzubehör und bedeutende Herren des Managements oder der Politik in Anzug und Krawatte sind in dschungelhafter Dichte mit Zivilisationsschrott vereint, Waffen, Panzer und Cowboyhut mit Rosen, kleinbürgerlichem Wohnzimmer oder einem breiten Clownsmund kombiniert.

So bitter einerseits die Themen der menschlichen Anonymität, der Zerstörung von Lebensressourcen, der legitimierten Gewaltbereitschaft, der zementierten Machtstrukturen, des Missbrauchs und der Ausbeutung oder der kulturellen Entfremdung sind, so scheint es doch der Trickster zu sein, der bei all dem kollektiven Wahnsinn den Taktstock führt. Die archaische Gestalt des Tricksters vereint die entgegengesetzten Pole in sich, er macht die Welt verrückt, indem er alles aus seiner Ordnung rückt, um sich über das Chaos diebisch zu freuen. Er ist ein böser Zerstörer und gleichzeitig ein unschuldig naives Kind. Er kennt keine Werte und keine Moral, jedoch werden durch seine Aktionen dieselben erst geboren. Er kann viele Gestalten annehmen und heute kennen wir ihn vor allem als Clown. Solche lugen auch aus all dem Treiben häufig hervor - mit diabolischem Grinsen – oder es spiegelt ausgerechnet die weltberühmteste Ente Donald Duck ein Moment der Erkenntnis wieder, als wollte sie verdutzt fragen: warum vergiften die das Zeug, was sie essen müssen?!

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Biografie 1955 geboren in Wehr/Baden 1975-1980 Studium an der Kunstakademie Karlsruhe und Düsseldorf bei Rudolf Schoofs und Dieter Krieg 1985 Villa Romana-Preis 1987 Arbeitsstipendiums des Kunstfonds e.V., Bonn Karl Schmidt Rottluff-Stipendium 1990-1991 Villa Massimo Preis, Rom 1995, seit Professur für Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

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Cordula Güdemann