Städel Museum, Frankfurt

Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie | Dürerstr. 2
60596 Frankfurt

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Das Städel Museum wird in einer umfassenden Ausstellung, die ab 23. November 2007 zu sehen sein wird, über 100 Meisterwerke von Lucas Cranach dem Älteren versammeln, dem großen Maler der Reformationszeit. Populärer und wirtschaftlich noch erfolgreicher als sein Zeitgenosse Albrecht Dürer hat Lucas Cranach die Bildwelt der Deutschen wohl am nachhaltigsten geprägt. Seine frühen Landschaftsdarstellungen waren wegweisend, religiösen Themen hauchte er völlig neues Leben ein, für den reformierten Glauben schuf er gänzlich neue Bildtypen. Seine Porträts von Martin Luther, Friedrich dem Weisen oder Philipp Melanchthon prägen bis heute unsere Vorstellung von diesen Persönlichkeiten. Eine weitere Spezialität waren perfekt gemalte erotische Darstellungen. In diesen schuf er ein zeitloses Ideal weiblicher Schönheit, das noch im 20. Jahrhundert Künstler wie Pablo Picasso und Alberto Giacometti angeregt hat. Die Ausstellung wird neben der Darstellung eines hochkarätigen Querschnitts durch Cranachs OEuvre versuchen, dem Geheimnis seines Erfolges näher zu kommen. Zu den Leihgebern zählen zahlreiche nationale und internationale Privatsammlungen und Museen wie die Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Kunsthistorische Museum Wien, die Uffizien, Florenz, die National Gallery Washington, das J. Paul Getty Museum, Los Angeles, die National Gallery London, das Museo Nacional del Prado, Madrid, und das Metropolitan Museum of Art, New York. Nach ihrer Präsentation in Frankfurt wird die vom Städel Museum erarbeitete Ausstellung in der Royal Academy of Arts in London gezeigt werden.

Die Ausstellung wird von der Commerzbank-Stiftung und von Kohlberg Kravis Roberts & Co. gefördert. Zusätzliche Unterstützung erfährt sie durch die Fraport AG, die FAZIT-Stiftung und Alnatura. In den vergangenen Jahrzehnten ist in zahlreichen Ausstellungen unter verschiedenen Aspekten aus dem riesigen Bildbestand Cranachs und seiner Werkstatt ausgewählt worden. Die Ausstellung im Städel verfolgt jedoch ein anderes Ziel: Ausgehend vom eigenen hochwertigen Cranach-Bestand soll der Blick vor allem auf die Hand des Meisters gelenkt werden. Durch die Zusammenstellung von herausragenden „Meisterwerken“ aus allen Schaffensphasen, die aus zahlreichen namhaften internationalen Cranach- Sammlungen zusammengetragen wurden, wird der Fokus somit wieder auf die genuine künstlerische Produktion gelenkt. Die Ausstellung möchte damit die zentrale Frage beantworten, welche die rezenten Unternehmungen allesamt offen ließen: Was machte Lucas Cranach so erfolgreich?

Lucas Cranach zeichnet sich einerseits durch die hohe Qualität seiner Werke aus. Er war ein hinreißender Porträtist und Urheber neuer Bilderfindungen, seien es Jagdszenen, Genrebilder oder Erotika. Seine Qualität liegt aber andererseits auch in der Sicherheit, mit der er unterschiedliche Auftraggeber ins Auge fasste, ebenso ein altgläubiges, katholisches Publikum erreichte wie zum Chefpropagandisten der protestantischen Lehre avancierte. An einem kritischen Punkt scheint die Werkstatt sogar ihren Fortbestand allein dieser Diversifizierung zu verdanken, die im Übrigen über die bildende Kunst Presseinformation „Cranach der Ältere“, Städel Museum, 20. August 2007, Seite 2 von 3 hinausging: Zu Cranachs Imperium gehörten neben Haus und Werkstatt auch die einzige Apotheke mit Weinausschank in Wittenberg sowie zeitweilig eine Druckerei, an der er beteiligt war. Es sind somit auch die Unternehmerqualitäten des Meisters, die ihn im Vergleich zu zeitgenössischen Kollegen zur Ausnahmeerscheinung machten.

Über den produktivsten deutschen Maler am Beginn der Neuzeit wissen wir viel – aber noch lange nicht alles. Bekannt ist, dass er aus dem fränkischen Kronach stammt (und sich nach seinem Herkunftsort „Cranach“ nennen lässt) und sein Vater ebenfalls Maler war. Wo er aber sein Metier erlernte und wohin ihn seine Wanderjahre führten, bleibt weiter völlig im Dunkeln. Fest steht, dass er kurz nach 1500 als Dreißigjähriger in Wien mit fulminanten Werken in Erscheinung trat, die auf einzigartige Weise Invention, malerische Verve und minutiöse Technik kombinieren. In Humanistenkreisen trat er als Porträtist auf, der spannungsvolle Personendarstellungen mit atmosphärisch aufgeladenen Landschaftsdarstellungen vereinte, die bald von den Malern der „Donauschule“ aufgegriffen werden sollten. Auch in anderen Werken der Wiener Frühzeit bricht sich ein ungebändigter Ausdruckswille Bahn, in dem Form und Farbe einander zu großartiger Wirkung steigern.

1505 folgt der entscheidende Karrieresprung an einen kurfürstlichen Hof: Luthers Landesherr Friedrich der Weise macht Cranach zu seinem Hofmaler. Dieses Amt wird Cranach bis zu seinem Lebensende bekleiden und auch unter Friedrichs Nachfolgern Johann dem Beständigen und Johann Friedrich dem Großmütigen ausüben. Aus den ersten Jahren dieser Tätigkeit haben sich nur wenige Werke erhalten, doch verändert sich die Malweise radikal. Die Auseinandersetzung mit Dürer sowie italienischen und niederländischen Einflüssen hinterlassen ihre Spuren und zeigen einen Künstler auf der Suche nach „seinem“ Stil. In Wittenberg etabliert sich der Künstler rasch und organisiert eine Werkstatt, die binnen kurzer Zeit im östlichen Teil des Reiches die Marktführerschaft für Altäre und Wandmalereien erringt. Das Schlangensignet, die Schildfigur des vom Kurfürsten verliehenen Wappens, wird bald zum Markenzeichen. Cranach gelingt es, einen Stil zu entwickeln, der von seinen Mitarbeitern so perfekt umgesetzt werden kann, dass eine Scheidung der beteiligten Hände in vielen Fällen nicht möglich ist. Zudem werden einzelne Motive mehrfach verwendet und in immer neuen Variationen zusammengestellt, wie etwa die vielen Versionen des „ungleichen Paares“ belegen, von denen in der Ausstellung mehrere zu sehen sein werden. Auch andere Bildthemen werden mehrfach mit jeweils geringen Abweichungen ausgeführt. Der Ausstoß der Werkstatt war gewaltig: Gemälde auf Holz, wie sie die Ausstellung versammelt, stellen nur einen Bruchteil der Produktion dar. Cranach lieferte seinem Dienstherrn ebenso Festdekorationen, Raumausstattungen, Wandmalereien, bemalte Tücher und dergleichen mehr, von denen die meisten heute verloren sind. Dabei waren die Rahmenbedingungen alles andere als günstig: Eine notorisch leere Reichskasse, Reformation und Hexenverfolgung, Bauernkrieg und Bildersturm waren die historischen Parameter, die manch anderen Berufsgenossen wie z. B. Hans Holbein d. J. zur selben Zeit aus dem Land trieben. Was schon die Porträts der Wiener Frühzeit belegen, gilt auch für spätere Bildnisse Cranachs: In seinen besten Werken steht er als Bildnismaler gleichberechtigt neben Albrecht Dürer und Hans Holbein, den beiden bedeutendsten deutschen Porträtisten des 16. Jahrhunderts. Dabei zeigen Cranachs Bildnisse weniger das Streben nach einer streng objektiven, „fotografischen“ Wiedergabe als vielmehr den Versuch, auch eine psychologisierende Charakterisierung in die Darstellung mit einzubeziehen.

Unbestritten ist Cranachs Bedeutung als „Maler der Reformation“ – seine Porträts von Martin Luther und seiner Frau Katharina von Bora wurden in der Cranach-Werkstatt in Serie produziert und im Rahmen einer regelrechten Imagekampagne für den Reformator eingesetzt. Daneben war Cranach maßgeblich an der Entwicklung genuin protestantischer Bildthemen beteiligt, die Luthers Lehre propagierten und trotz Bilderstürmerei überdauern konnten. Gleichzeitig blieb er aber einer altgläubigen Auftraggeberschaft treu. In seiner Werkstatt entstanden bis zu seinem Lebensende zahlreiche Madonnenbilder, von denen einige bis heute als Gnadenbilder besonders verehrt werden. Für Kardinal Albrecht von Brandenburg, den Gegenspieler Luthers, lieferte er nicht nur die Entwürfe zu bedeutenden Kirchenausstattungen, sondern porträtierte diesen mehrfach – in der Rolle des Kirchenvaters Hieronymus.

Cranachs unerschöpfliche Gabe zu neuen Bildformulierungen zeigt sich aber vor allem in den zahlreich erhaltenen profanen und mythologischen Bildthemen. Venus mit und ohne Amor, Lucretia, das Silberne und das Goldene Zeitalter, das Urteil des Paris und die Taten des Herkules werden in zahlreichen Varianten durchgespielt. Zur Spezialität von Cranach werden in verschiedenen Kontexten eingesetzte Aktdarstellungen. Diesen liegen, anders als bei Dürer, keine akribischen Proportionsstudien des menschlichen Körper zugrunde – Cranach entwickelt vielmehr einen idealisierten, zierlich-eleganten Typus der „Kindfrau“, den er in immer neuen Variationen darstellt.

Auch wenn Cranach bis ins hohe Alter selbst zum Pinsel greift, bindet er seine Söhne Hans und Lucas d. J. frühzeitig in den Werkstattbetrieb ein. Auch sie bleiben grundsätzlich dem „Werkstattstil“ verpflichtet, erst Lucas d. J. wird als eigenständige Persönlichkeit fassbar. So kann sich der bestens organisierte Werkstattbetrieb nicht nur nach dem Tod Cranachs d. Ä. 1553 unter der Leitung des Sohnes Lucas d. J. halten, sondern wird von dessen Sohn noch eine Generation darüber hinaus fortgeführt.

Kurator: Dr. Bodo Brinkmann, Städel Museum Wissenschaftliche Mitarbeit: Gabriel Dette Ausstellungsarchitektur: Kühn Malvezzi Architekten, Berlin Weitere Station: Royal Academy of Arts, London, 8. März bis 8. Juni 2008 Katalog: Der reich illustrierte Katalog erscheint im Hatje Cantz Verlag und enthält u. a. Beiträge von Bodo Brinkmann, Mark Evans, Gunnar Heydenreich, Dieter Koepplin, Werner Schade, Andreas Tacke und Elke Werner.