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Christoph Girardet (geb. 1966) und Matthias Müller (geb.1961) arbeiten künstlerisch eigenständig in den Bereichen Film, Video und Fotografie. Während Christoph Girardet vorwiegend reduziertes visuelles Ausgangsmaterial verwendet, das durch seine intensive Bearbeitung neue Bedeutungsebenen entfaltet, verfolgt Matthias Müller mit eigenem und fremdem Material oft neue narrative und autobiographische Ansätze. Seit 1999 entwickeln die beiden Künstler ein Gemeinschaftswerk, dessen Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit Found Footage liegt, und das in dieser ersten gemeinsamen Ausstellung bei Campagne Première mit aktuellen filmischen und fotografischen Produktionen vorgestellt wird.

In ihrem Video-Loop „Cut“ (2013) verschränkt sich das Phantasma der durchleuchteten, beherrschbaren und grenzenlos formbaren Physis mit der Vorstellung vom Körper als einer Wunde, die nicht heilt. Der Film entnimmt seine Bilder Spielfilmen, die den menschlichen Körper überhöhen, ihn als quasi unverwundbar und multipel wandelbar zeigen, aber auch solchen, in denen er die Quelle von Schmerz, Angst, Hysterie und Wahn ist. Der Vorstellung des disziplinierbaren Körpers steht ein fragiler und gefährdeter gegenüber, der Angst macht, altert, stirbt. „Die am Schneidetisch von Girardet und Müller entstehenden Körper haben ihre scharfen Konturen verloren und werden stattdessen zu dem, was Deleuze ‚organlose Körper' nennt – dezentrierte Leiber, die ihre Organisation abgestreift haben und stattdessen zu ‚Zonen der Ununterscheidbarkeit' werden, wo sich verschiedene Personen vermischen und wo technische Gerätschaft in Körperglieder übergeht und umgekehrt. (...) Ein gänzlich neues Körpergefü hl ereignet sich in Bildern und überträgt sich auf den sprachlosen Zuschauer, dem nichts übrig bleibt, als sich überwältigen zu lassen von Affekten, die er nicht kennt.“ (Johannes Binotto)

Auch die Dia-Doppelprojektion „Everything Not Said“ (2014) bewegt sich an den Schnittstellen zwischen Körperinnerem und – äußerem. Ein großes Ensemble einzelner Frames von mit Bandagen verhüllten Köpfen wurde Spielfilmen entnommen und – mit Texten aus Anamnese-Fragebögen verwoben – neu arrangiert. Im Spannungsfeld zwischen Transparenz und Opazität, Verletzlichkeit und Schutz vor ihr, Individualität und Anonymität verdichten sich die Gesichter zu einem Panoptikum erblickter Voyeure.

Im zweiteiligen Leuchtkasten „Crime Scene“ (2013) bringen die Künstler vier Momente einer Filmhandlung in eine neue Abfolge und unterlaufen durch diesen Eingriff das, was die im beliehenen Spielfilm inszenierte forensische Spurensicherung zu repräsentieren versucht: Evidenz und Faktizität. Auch bei der Fotoarbeit „Eye“ (2010) wissen wir nicht, ob wir dem Augenschein trauen dürfen: Sehen wir Ursache oder Wirkung, fünf Phasen eines Scheinwerfers zwischen Auf- und Verglühen – oder das durch sie ausgelöste Zusammenziehen und Sich-Öffnen einer Pupille? „Man ist sich des Vorgangs unbewusst, während er sich vollzieht.“ Diese zehn Worte eines Satzes aus einer Theorie des Spracherwerbs sind im Video-Loop „Reflex“ (2013) den Fingern beider Hände eines Patienten zugeordnet. In einem medizinischen Reiz-Reaktions-Test tippt ein Arzt die Fingerkuppen in verschiedenen Abfolgen an und ruft so die Worte ab. Während sie korrekt in die Bilder inseriert sind, formuliert der Untersuchte das genau e Gegenteil.

Die Arbeiten von Christoph Girardet und Matthias Müller werden sowohl auf Filmfestivals wie Cannes, Venedig, Berlin, Rotterdam, New York und Oberhausen gezeigt wie auch in großen Museen und Ausstellungshäusern wie dem Walker Art Center, Minneapolis, dem Bozar – Palais des Beaux-Arts, Brüssel, der Tate Modern, London, oder dem Palais de Tokyo, Paris. Girardet und Müller wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter 1999 mit dem Preis der deutschen Filmkritik, 2004 dem Marler Videokunst-Preis, 2006 dem Prix Canal+ du Meilleur court métrage auf dem Filmfestival von Cannes und dem Deutschen Kurzfilmpreis sowie 2012 dem Arte Kurzfilmpreis. Die zentrale Arbeit ihrer Ausstellung bei Campagne Première, „Cut“, war für den Europäischen Filmpreis 2013 nominiert. Nach ihrer großen Einzelausstellung „Tell Me What You See“ im Kunstverein Hannover (2014) sind die Künstler aktuell mit Arbeiten im National Centre for Contemporary Arts, Moskau, und im Videokunstzentrum Nordste rn, Gelsenkirchen, vertreten. Eine umfangreiche Publikation zum Werk von Christoph Girardet und Matthias Müller ist soeben im Verlag für moderne Kunst, Nürnberg, erschienen.

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte die Galerie unter gallery@campagne-premiere.com.

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"CUT" CHRISTOPH GIRARDET & MATTHIAS MÜLLER

Künstler:
Christoph Girardet, Matthias Müller