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Eroeffnung: Samstag 28. März 2009, 19 h

Ausgangsmaterial der Arbeiten von Dani Gal (*1975, Israel) bilden historische Dokumente, Medienberichte und Interviews, die er in raumgreifende, formal reduzierte Ton-, Bild- und Videoinstallationen ueberfuehrt und aktualisiert, um sie auf ihre vermeintliche Eindeutigkeit hin zu befragen. Sein Interesse ist dabei insbesondere auf einzelne Stimmen im polyphonen Prozess des Erzaehlens gerichtet, auf die darueber sichtbar werdende Subjektivitaet und Fiktionalitaet spezifischer, vergangener Ereignisse. Die in diesem Vorgang aufklaffende Luecke zwischen dem Geschehnis und seiner heutigen Darstellung steht im Vordergrund von Gals Untersuchungen – eine Luecke, die stets zwischen kollektiver und subjektiver Erinnerung oszilliert, zwischen dem Ereignis selbst und den dieses dokumentierenden Zeugnissen.

In seiner ersten institutionellen Einzelausstellung in Halle fuer Kunst eV praesentiert Dani Gal sein juengst entstandenes Projekt Chanting Down Babylon, bestehend aus einer Rauminstallation, einem Video sowie verschiedenen Fotoarbeiten. Ausgehend von umfangreichen, an Atmosphaeren und subjektiven Erlebniswelten orientierten Recherchen in Amsterdam, Zuerich und London werden in diesen Arbeiten verschiedene Ereignisse und Geschichten ueber das Medium Musik zu einem komplexen Netz abstrakter und formaler Verbindungen verwoben: der Absturz eines Frachtflugzeug, spiritualistische Glaubensvorstellungen, die Idee einer Rueckkehr nach Afrika, Babylon und die einst von Marcus Garvey gegruendete Schifffahrtgesellschaft Black Star Line.

Kurz nach dem Start des El-Al Flugs 1862 im Oktober 1992 vom Flughafen Schiphol in Amsterdam stuerzte die israelische Boing 747 in einen Wohnkomplex des Amsterdamer Randbezirks Bijlermeer. Dieses tragische und niemals vollstaendig aufgeklaerte Unglueck oeffnete in den Niederlanden auf politischer Ebene eine Buechse der Pandora – geheime Transporte von Massenvernichtungswaffen, geloeschte Sequenzen auf der Black Box und mysterioese Krankheiten sind nur einige der Skandale, die nach dem Flugzeugabsturz in den Medien ans Licht kamen. Fuer Chanting Down Babylon (2009) besuchte Dani Gal Bewohner des Stadtteils Bijlermeer, vornehmlich Migranten aus Surinam und Afrika, sowie den Journalisten Vincent Dekker, um mit ihnen in einen Dialog ueber den Flugzeugabsturz und ihren wieder hergestellten Alltag im sanierten Gebaeudekomplex zu treten. Die daraus resultierende Installation in Halle fuer Kunst vermittelt Ausschnitte dieser Treffen in einer Diashow und den zwei als Lautsprecher gearbeiteten Soundskulpturen The Horns of Jericho. Formal minimalistische Objekte zitierend, lassen die Lautsprecher, bei denen der Ton durch eine Spirale von Kammern geleitet wird, ebenso die spiralenartige Fluglinie des Frachtflugzeuges assoziieren.

Die Videoarbeit Black Magic Marker (2009) wiederum zeigt den Musikproduzenten Lee „Scratch“ Perry an seinem heutigen Wohnort in Einsiedeln (CH). Das ehedem von Lee Perry betriebene Black Ark Studio in Kingston, mit seinen einzigartigen Sounds zum Zentrum der jamaikanischen Musikszene avanciert, ging 1979 mysterioeserweise in Flammen auf. Scratch Perry, der „Upsetter“ genannt, psalmodiert inmitten von mit Schriftzeichen uebersaeten und stark an sein damaliges Studio erinnernden Waenden ueber goettliche Kraefte, animistische Objekte und die Macht von Symbolen und Worten, die Wirklichkeit werden.

Dani Gals Interesse an den Leerstellen der Geschichte und ihrer Uebermittlung, der Uebersetzung ins Jetzt, in der gerade die blinden Flecke und Uneinholbarkeiten Bedeutung generieren, werden in der Praesentation in Halle fuer Kunst Lueneburg eV in einen Raum uebersetzt, in dem Fragen von Macht, Politik, ungeklaerten Verschwoerungstheorien und Spiritualismus auf das subjektive Erleben der historischen Subjekte treffen.

Der in Berlin lebende Kuenstler Dani Gal wurde 1975 in Jerusalem geboren. Nach seinem Studium der bildenden Kuenste an der Bezalel Academy for Art and Design/Jerusalem, studierte Gal an der Staatlichen Hochschule fuer Bildende Kuenste Staedelschule, Frankfurt/Main und der Cooper Union for the Advancement of Science and Art in New York City. Neben Gruppenausstellungen im Kunstmuseum Bonn (2008), in der Deutschen Guggenheim Berlin (2008), im Portikus Frankfurt/Main (2007), der Kunsthalle Exnergasse (2006), dem Kunsthaus Baselland (2006) und der Halle fuer Kunst (2006), wurde Gal im Jahr 2008 mit dem Villa-Romana-Preis ausgezeichnet. Zurzeit ist er Stipendiat der Kuenstlerstaette Schloss Bleckede.

Zur von Eva Birkenstock und Hannes Loichinger kuratierten Ausstellung erscheint eine Publikation in Form eines Kuenstlerbuches bei Argobooks Berlin, das Dani Gal in enger Zusammenarbeit mit dem Grafiker Florian Lambl (Berlin) gestaltet. (Erscheinungstermin Mai 2009)

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