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Eröffnung: Dienstag, 2. Februar 2010, 19 Uhr Es sprechen Matthias Flügge und Uta Grundmann

Dauer der Ausstellung: 3. Februar – 26. März 2010 Öffnungszeiten: Di–Fr 14–19 Uhr

Die Redewendung „Alle unter einem Himmel“ beschreibt den Gründungsmythos des chinesischen Weltreichs unter Kaiser Qin Shi Huang im Jahre 221 vor Christus. Das harmonisch geordnete Wirken des Himmels wurde als ein moralischer Leitfaden für das geordnet zu haltende Zusammenleben der Menschheit verstanden, zu deren Allgemeinwohl individuelle Bedürfnisse zurückzustehen hatten. Für Daniel Biesold (*1964) bedeutet dieser Satz, dass die komplexe Harmonie des Kosmos erst dann zur Geltung kommen kann, wenn wirklich jeder Entität, also auch dem jeweils Anderen, Fremden, Gegensätzlichen ein Platz im Universum zugestanden wird.

Die Bilder Daniel Biesolds haben eben diese komplexe Harmonie zum Thema. Deshalb ist es für ihn Programm, als Maler keine Spuren zu hinterlassen, die auf irgendeine subjektive Befindlichkeit schließen lassen könnten. Ganz bewusst entfernt er sich vom traditionellen Verständnis von Malerei, das den individuellen Gestus des Künstlers als Markenzeichen voraussetzt. Die Bilder sollen den Eindruck erwecken, als wären sie aus sich selbst heraus entstanden und schon immer da gewesen. Den Anfang seiner Kosmogonien bilden die oft großformatigen Tafeln der „blauen“ oder „Sternenbilder“ (2000–2004). Hinter ihrer mehrfach versiegelten, spiegelnden Oberfläche blitzen weiße, gelbliche und manchmal orange Einschlüsse aus der Tiefe der Pigmentschichten auf. Sie gleichen Sternenbildern als Resultat fotografischer Aufnahmen, sind jedoch als Konstellationen bestimmter Momente einer Entwicklungsgeschichte zu verstehen, die sich zum Zeitpunkt des Betrachtens realisieren. Die „weiße“ Serie (2005–2008) befasst sich mit dem Prozess der Wahrnehmung jenseits der Sichtbarkeit und ihrem organischen Niederschlag. Das Bewusstsein als Fähigkeit zur Orientierung in Bezug auf Raum, Zeit und Identität setzt sich in den Bildsedimenten als „graue“ oder „weiße Substanz“ fest. Lediglich Relationen von Schatten erzeugen eine Differenz und formen auf diese Weise die Welt als Raum geistiger Konzentration. Auf den „schwarzen“ Bildern, die seit 2009 entstehen, lassen rhizomartige Verästelungen roten Pigments an Engramme denken, physiologische Spuren von Erlebniseindrücken im Gehirn, welche das Gedächtnis strukturieren und die Funktion des Gehirns realisieren. Wie die „weißen“ Bilder spielen sie mit der Erkenntnis, dass auch organische Substanzen Informationen speichern und damit eine geschichtliche Dimension besitzen, die wiederum ihre Form bestimmt. Allen drei Serien ist gemeinsam, dass sie über die klassische Zweidimensionalität des Bildes hinausgehen, weil sie durch die Schichtungen der Farbe den Raum nicht nur visuell erzeugen. Ferner bleiben die sichtbaren Spuren des malerischen Prozesses durch die Versiegelung der Bildoberfläche verborgen. Dies ist nicht als ästhetischer Effekt gedacht, sondern bestimmt das Verhältnis von innen und außen, von Bild und Betrachter, von Materialität und Spiritualität, von Intellekt und Empfindung. Dahinter tut sich der unendliche Raum eines kosmischen Bewusstseins auf, der vom Betrachter Introspektion und Selbstbewusstwerdung verlangt.

Die Guardini-Galerie am Askanischen Platz zeigt vom 3. Februar bis zum 27. März 2010 eine Auswahl von Arbeiten aus allen drei Werkphasen der letzten zehn Jahre. (UG)

Daniel Biesold

Biografie

1964 geboren in Leipzig lebt und arbeitet in Berlin 1985-1991 Studium der freien Kunst bei Bernd Koberling und Franz-Erhard Walter an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg sowie bei Thomas Bayerle an der Städelschule in Frankfurt am Main Studienaufenthalte in Israel und der Schweiz

Ausstellungen (Auswahl) 2010 „Alle unter einem Himmel“, Guardini-Stiftung, Berlin (solo) 2009 „Farbe konkret“, Kunstverein Tiergarten/Galerie Nord, Berlin „No Message No Teacher No Guru“, Galerie koal, Berlin (solo) 2008 „Camouflash – Das Verschwinden in der Kunst“, Prager Spitze, Dresden Peter Ablinger „Hören Hören“ mit Bildern von Daniel Biesold, Haus am Waldsee, Berlin 2007 „Against the Grain“, Galerie koal, Berlin (solo) 2005 „Das Vermögen der Kunst“, Kunsthaus Dresden, Dresden 2004 Center Cultural Nairs, Scuol, Schweiz 2003 „Wish you were here“, Tel Aviv Artist’s Studios, Israel (solo) „La Grande Durée“, momentum, Berlin (solo) „Show Your Wound“, Goethe-Institut Tel Aviv, Israel 2002 VNG Sammlung zeitgenössische Malerei und Grafik, Leipzig (solo) Max-Bürger-Forschungszentrum, Universität Leipzig (solo) 1999 Galerie M, Berlin (solo) 1998 „Shibolet“, Sønderjyllands Kunstmuseum, Sønderborg, Dänemark (solo)

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Daniel Biesold
"Alle unter einem Himmel"