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Mitunter folgt Daniel Maier-Reimer großen Flüssen in Asien, Nordamerika oder Europa von der Quelle bis zur Mündung oder begleitet ihren Lauf für eine Weile. Nach einem ersten Versuch im Jahr 1997 führte ihn seine jüngste Reise im Herbst 2004 nach China erneut zum Fluss Yarlung Tsangpo. Ein dritter Anlauf ist für 2005 geplant.

Die Fotografien der entlegenen Orte, die Maier-Reimer besucht, enthalten kaum signifikante Informationen über die Gegenden, die Länder, die Kulturen oder Menschen, sondern entstehen als Ausdruck des Reisens selbst. Es sind ruhige Bilder, die mit der langsamen Bewegung zu Fuß durch den landschaftlichen Raum korrespondieren. Das Reisen wird zur künstlerischen Methode einer Auffassung von Landschaft, die er in Form eines Selbstgesprächs visualisiert. Dazu gehört die genaue Beobachtung, die Orientierung an topografischen Landmarken, das Tagebuch und die Fotografie.

Städtisches und ländliches Leben ist bestimmt von prallgefüllten Arsenalen der Zeichen, Erinnerungen und Verhaltensformen. Reisen hingegen bietet Maier-Reimer die beste Möglichkeit, uneindeutige Orte aufzunehmen – Wasseroberflächen beispielsweise, Lichtungen, Marken oder Grenzen (Hamburger Landesgrenze, 2003, im Hamburger Kunstverein). Die Fotografien entstehen mal aus einer Situation versunkener Betrachtung heraus, mal als unbeholfener Schnappschuss oder als wohlgesetzte Ansicht. Er bevorzugt eine leichte Kleinbildkamera, die den Umständen entsprechend flexibel einsetzbar ist, und überprüft die späteren Reproduktionen penibel auf ihre beeinflussbaren Faktoren wie Farbigkeit, Kontraste, Helligkeit, Korn, Brillanz, Licht und Druckqualität. Unschärfen oder Fehler im Bild können dabei zum positiven Auswahlkriterium werden.

Seine Bilder erzählen nicht wie die klassische Landschaftsfotografie von Ereignissen im abbildenden Sinne, sondern Maier-Reimer sucht im Reisen offene, insignifikante Situationen für die Momente der Aufnahme herzustellen, vielleicht vergleichbar der Ungewissheit, die das Reisen so reizvoll macht. Er findet sie in unbestimmten Landstrichen, die er durchquert oder entlang topografischer Besonderheiten, wie zum Beispiel einem Fluss. Über das Gehen wurde gesagt, es sei ein »Raum der Äußerung« (Michel de Certeau) - Maier-Reimer erarbeitet sich im Gehen eine Minimierung der Reize, die für ihn eine Bedingung der Darstellung der komplexen Formen von landschaftlichen Räumen ist.

Dirck Möllmann

JELKA PLATE Handgemachte Waren-Häuser

"Am besten lässt sich das, was die Welt der Mode zusammenhält, offenbar mit dem Begriff der Arbeit erläutern; zumindest passt dieser Begriff auf alle Merkmale. Gewiss, die meisten und dichtesten Vorstellungen der Modetheorie beziehen sich gerade nicht auf die Arbeit, sondern auf deren Gegenteil, die Muße. Doch handelt es sich hier um ein streng komplementäres Paar: die Welt der Mode ist genau die Hohlform der Arbeit." (Roland Barthes)

Die Installation "Handgemachte Waren-Häuser", die die in Berlin lebende Künstlerin und Bühnenbildnerin Jelka Plate im Arbeitsraum zum Forschungsschiff zeigt, erinnert auf den ersten Blick an einen modernen Kleiderladen. Ein bisschen Sportswear, ein bisschen ungewöhnliches Material, viele Logos, kühles Design und helles Licht.

Im postfordistischen Konsumalltag wird die Oberfläche selbst verkauft: großzügige Architektur und modernes Design greifen so ineinander, dass das eigentliche Anliegen des Verkaufens und Kaufens nebensächlich wirkt. Diese Tendenz ist allerdings nicht so neu wie es erscheint. Die Spezialisierung auf Mode war nur wenigen vorbehalten. Für die Massen wurde mit dem Fordismus der 1930er die Ware von der Stange erfunden. Ein wesentlicher Aspekt in der gängigen Betrachtung von Mode ist, dass die Produktionsbedingungen nicht sichtbar werden sollen. Der Einblick in die Produktionsbedingungen inklusive des ökonomischen Systems, auf dem sie aufbauen, würde Aufschluss darüber geben, wer innerhalb dieses Prozesses wie viel Geld verdient und dass die ProduzentInnen nahezu nie KonsumentInnen sind.

Die Installation von Jelka Plate besteht aus mehreren Elementen und hat sich über einen längeren Zeitraum entwickelt. In dieser Zeit hat sie an verschiedenen Ausstellungen teilgenommen und für Theaterprojekte Bühnenbilder konzipiert und realisiert. Ein wesentliches Thema ihrer Arbeit ist die Hinterfragung der Identität von ProduzentInnen und KonsumentInnen, von Produktion und Arbeit und von deren globalen Zusammenhängen.

Alle Objekte der Installation sind aus Plastiktüten hergestellt worden. Sie stammen aus einer Tauschaktion, die Jelka Plate in der Hamburger Innenstadt unternommen hat. Hierbei hat sie Passanten angesprochen, ob diese ihre Tüte, die gerade bei H&M, Nike, Pimkie, oder Only etc. gefüllt worden war, gegen eine herkömmliche Tüte wie von Aldi, Penny etc. eintauschen würden. Wenn ein Tausch gelang, wurde offensichtlich, was sich die Angesprochenen gerade gekauft hatten.

Nach dieser Aktion produzierte sie aus den zusammengenähten Plastiktüten den Markenartikeln ähnliche Kleidungsstücke. Den Stil entlehnte sie der Sport-, Techno- und Hip-Hop-Szene. Denn gerade in den Submilieus feiert dieser Stil seine größten Erfolge. Durch die Markenidentität ist es möglich, sich den anderen anzugleichen und dabei die eigene Identität nicht preiszugeben. Der Mix der verschiedenen Firmenlogos, der durch die zusammengenähten Tüten entstanden ist, macht wieder auf das System der Produktion aufmerksam. Denn es ist durchaus möglich, dass konkurrierende Markenprodukte in denselben Fabriken für Billiglohn hergestellt wurden. Dieser Verweis verstärkt sich noch einmal in einem weiteren Teil der Installation. Hier hat Jelka Plate die Orte des Konsums real entstehen lassen, indem sie aus den Plastiktüten Objekte gebaut hat, die wie Kaufhäuser oder Fabrikgebäude aussehen. So führt sie die Reproduktion zurück zur Produktion.

Corinna Koch Pressetext

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Daniel Maier-Reimer - Yarlung Tsangpo 1997-2005
im großen Raum

und

Jelka Plate - Handgemachte Waren-Häuser
im Arbeitsraum zum Forschungsschiff

(im Rahmen der 3. Triennale der Photographie, Hamburg 2005)