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Seit der Mensch begonnen hat, Musik zu machen, nutzt er die Möglichkeit, durch das Erzeugen von Rhythmen auf dynamische Hirnprozesse einzuwirken. Über das Gehör ebenso wie über die anderen Sinnesorgane können strukturierte Reize ganz bestimmte Erregungszustände, Assoziationen und Empfindungsmuster aufrufen.

In ihren computergenerierten, dynamisch instrumentierten Bildwelten spielt Daniela Wolfer alias DJ Dirty Daniela mit der Wirkmacht solch echoartig gereihter und übereinandergelagerter Stimuli. Die wie von einem »visuellen Scratching« bestimmten Kompositionen laden dazu ein, in künstliche Wirklichkeiten einzutreten und neue Bereiche des eigenen Vorstellungs- und Empfindungsvermögens auszuloten.

So aufwendig und kühl konstruiert Wolfers digitale Bilderwelten auch sind, spiegeln sie dennoch einen gleichsam rauschhaften und in seiner bewusst gesuchten Instabilität offenbar höchst produktiven Zustand des Gehirns. Die Künstlerin konfrontiert uns mit ebenso heterogenen wie plakativen Agglomerationen von technoiden Mustern und Schemata einerseits, in die andererseits idyllisch-triviale Motivsplitter einer – längst medial vermittelten – »äußeren Realität« eincollagiert sind. Wolfer führt somit Konstruktion, Illusion und erlebte Wirklichkeit auf einer Ebene zusammen und wirft nebenbei die Frage auf, ob unsere Wahrnehmung überhaupt etwas anderes ist als die individuelle Simulation vorab projizierter Vorstellungen: Jeder, der wahrnimmt, erzeugt Modelle von der Welt, interpretiert sie und generiert seine eigenen Stimmigkeitskriterien.

In der Gewölbekonstruktion eines Flughafens machte Daniela Wolfer unlängst ein ventilatorartiges Architekturelement aus. An der selektiven Wahrnehmung dieses eigentümlichen Flügelobjekts entzündet sich ein Formmuster, das sich für eine ganze Serie von Bildern fruchtbar machen läßt. In unterschiedlichem Maßstab, in variabler Reihung, Dehnung und Spiegelung bestreitet es fortan das »main motif« des Bildes. Die Bündelungen dieses technoiden Basismoduls türmen sich hier wie zu utopischen Architekturvisionen auf, fügen sich dort wie zu Schwingen phantastischer Cyborgs, zu Insektenschwärmen, Fliegerstaffeln oder segelnden Sputniks, verzahnen sich an anderer Stelle wieder zu anspielungsreichen Emblemen. In ungebärdiger Dynamik und unabhängig von perspektivischen Verbindlichkeiten verketten sie sich zu einer wirbelnden Helix, zu organischen Ranken, um schließlich zu vibrierenden Rauchfäden oder Kondensstreifen zu diffundieren.

Dies alles ereignet sich in einer Sphäre der Schwerelosigkeit, vor ortlosen, entstofflichten Gründen, deren subtile Farbverläufe gleichfalls jeder realen, greifbaren Räumlichkeit entgegenwirken. Ihre Beleuchtung gemahnt nicht nur an den schimmernden Abglanz verspiegelter Disco-Kugeln, sondern beschwört auch das kalte Leuchten digitaler Videosignale.

Weitere Sequenzen von graphischen Elementen bereichern die Bildchoreographie; Ellipsen, frei flotierend oder in wuchtiger Staffelung, erscheinen wie Gummiringe oder Metallfedern, lassen an Laser-Shows und an die psychedelischen Formen des 70er-Jahre-Schicks denken. Eine differenzierte Instrumentierung der Komposition bewirkt der formale Kontrast von graphisch-präzisen, teils haarfeinen Linien und den großflächigen, wie im Geschwindigkeitsrausch oder im Hall verwischten Elementen einer darunter gelegten Kompositionsebene. All diese zusammenwirkenden levels aber harmonisiert letztlich der durchgehend samtig-softe Print-Look der Bildoberfläche.

Ihre Brisanz gewinnen Wolfers Kompositionen maßgeblich aus der Art und Weise, wie Impressionen aus unterschiedlichen Erlebnisebenen gemixt werden. Denn im Zuge der unwillkürlich mitreißenden Rhythmik nimmt der Betrachter auch Szenisches wahr: eher unbewusst fühlt er sich zunächst an Hängende Gärten erinnert, an die Unterwasser-Phantasmen eines Jules Verne, an verschüttete Reise-Impressionen. Doch dort, wo die eincollagierten Mikro-Motive ein Geschehen andeuten und den Betrachter anlocken, wird sogleich der szenische Zusammenhang wieder aufgebrochen, indem das Panorama zersplittert, aufgelöst und durch absurde Motivkombinationen der Ironisierung anheim gestellt wird. So schießt mit den abstrakten Streifenschemen dem Betrachter unvermittelt ein Stück asphaltierter Rennstrecke entgegen, ein behelmtes Kind richtet arglos seine Handfeuerwaffe bildauswärts, monströse Taubenschemen steigen gleich Lappen gen Himmel, die Helix-Schwärme nehmen in ihren wirbelnden Reigen Gartentore, Blumenrabatten, Andachtsnischen und Plastikfrösche auf.

Die Beiläufigkeit, mit der Daniela Wolfer diese symbolträchtigen Motive und Klischee-Charaktere aus Alltagswelt und aktuellen Medienberichten in ihre technoiden Grundstrukturen einflicht, steigert unsere Irritation: Aus den vermittelten Sinnessignalen kann unser Gehirn kein schlüssiges Konzept synthetisieren – es sei denn, es nimmt die Provokation der strukturierten Reize an und wagt sich in den Zustand der Instabilität. Kathrin Elvers-Svamberk zur Einzelausstellung von Daniela Wolfer in der Galerie Hammelehle und Ahrens, Köln 2004

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Daniela Wolfer