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Daphne Ahlers. Die Langstreckensaengerin
19.01.2019 - 24.03.2019
Eroeffnung: Freitag, 18.01.2019 19:00 Uhr
Ort: Halle fuer Kunst Lueneburg, Reichenbachstrasse 2, 21335 Lueneburg

Vielleicht koennte man Daphne Ahlers’ Arbeiten zuallererst als etwas beschreiben, das einen Bezug zum Koerper aufweist. Da gibt es Abdruecke von Gesichtern, Formen weiblicher Geschlechtsteile oder auch Gebilde, die an Gliedmaßen oder Koerperfluessigkeiten erinnern. Der Bezug zum Koerper ist zum Teil aber auch eher subtil und verdankt sich den verwendeten Materialien wie Latex, Silikonwatte, Nylon oder Soft Shell. Bei Ahlers ist der Koerper jedoch meist kein Ganzer, sondern bleibt Fragment. Er wird nicht als Handelnder aufgerufen; auch nicht als Erfahrungsraum, der sich jenseits des sprachlich Fassbaren verortet, im Sinne von mystischem oder magischem Erleben; und eben auch nicht als etwas, das im Geleit posthumanistischer oder postidentitaerer Ideen erweitert oder veraendert wird. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass der Koerper in den letzten Jahren gerade aufgrund dieser Aspekte und Potentiale ein ziemliches Revival erfahren hat und in zeitgenoessischen kuenstlerischen wie theoretischen Diskursen ueberaus praesent ist.

Auch wenn Ahlers Arbeiten kein Spektakel des weiblichen Koerpers feiern, so ist ihr Hintergrund dennoch ein feministischer. Und dies nicht nur, da in ihnen Themen wie das Verbot des Facesittings in Großbritannien, die jahrhundertelange Hexenverfolgung oder neue potentielle Verhuetungsmittel fuer Maenner aufgerufen werden, sondern auch, da sie von einer grundlegenden Bodypositivity durchzogen sind, die durchaus genderuebergreifend ist. Diese Bejahung des Koerpers bezieht sich auf dessen Potential, das Ahlers in ihren Arbeiten auszuloten, zu erweitern und zu veraendern sucht: Etwa indem sie einzelne Korrperteile isoliert und neu kontextualisiert, verniedlicht oder makroskopisch in den Fokus stellt, um so Fest- und Zuschreibungen zu unterlaufen. Dementsprechend geht es Ahlers in ihren Arbeiten auch nicht um die Ausschlachtung, sondern vielmehr um die An- und Rueckeignung von Koerpern.

Fuer ihre Lueneburger Ausstellung hat Daphne Ahlers eine Serie neuer Arbeiten realisiert: Stelen aus bekleideten Schaumstoffrollen auf beweglichen, im Boden fixierten Staeben. Diese reichen zwar nicht an „wirkliche“ Koerper heran, koennen aber durchaus als Personifikationen unterschiedlicher Typen gelesen werden. Gleich einer Familienaufstellung - bzw. entsprechend jeder Community - stehen sie miteinander in Beziehung und sind nicht ohne Verbindung zueinander zu sehen. Alle in diesem Gebilde scheinen eine ganz bestimmte raeumliche Position einzunehmen und ihre je spezifische Rolle zu spielen. Diese Rollen oder Identitaeten sind jedoch „angezogene“, wird den leblosen Schaumstoffformen doch erst qua Ausstaffierung ihre Charakterisierung zugeschrieben. Hier blitzt kurz Ahlers Interesse für Mode auf. Darueber hinaus wird aber auch, wie es der Titel der Ausstellung bereits andeutet, das Moment des Scheiterns aufgerufen. "Die Langstreckensaengerin“, eine an sich schon paradoxe Figur, da der Gesang niemals soweit reichen kann wie es die Langstrecke andeutet, wird im Kontext der Ausstellung jedoch umso mehr dem Misslingen Preis gegeben, als Klang einen Körper braucht, um zu klingen, die Schaumstoffkörper jedoch jeden Ton verschlucken und als Resonanzraum gaenzlich ungeeignet sind. In den Arbeiten geht es aber auch um Selbst- und Fremdwahrnehmung, um Bewertung und Rückweisung von Bewertung, um Verhaeltnisse und Verhaltensweisen sowie deren soziale und politische Dimensionen, um Unbeweglichkeit und Instabilitaet, aber auch um Moeglichkeiten und Unmoeglichkeiten des Ausweichens und Sich-Entziehens. Man kann es vielleicht so sagen: Ahlers spannt hier einen Bogen vom einstigen Interesse am Koerper(fragment) hin zum Koerper in Beziehung, welcher zwar immer noch Fragment bleibt, aber darueber hinaus einen sozialen Koerper bildet.

Arbeiten von Daphne Ahlers (*1986 Hamburg) wurden u.a. gezeigt bei Cordova, Barcelona (2018), in der Braunsfelder Collection, Köln (2018), im Neuen Essener Kunstverein, Essen (2018), bei Jo Brand, Glasgow (2018), bei Forde, Genf (2017), in der Galleria Acappella, Neapel (2017), in der Galerie Genscher, Hamburg (2016) und bei Sandy Brown, Berlin (2015). Als Lonely Boys hat sie zusammen mit Rosa Rendl performt u.a. bei Paris Internationale, Paris (2017), im Salzburger Kunstverein (2017), bei Bobs Pogo Bar KW, Berlin (2017), bei Sandy Brown, Berlin (2017), im Skulpturinstitut, Wien (2015), in der Halle für Kunst und Medien, Graz (2015) und beim 3HD Festival, Berlin (2015).

Veranstaltungen

»Kinder fuehren Kinder« & »Kinderclub« mit Anna Prinz
Samstag, 09. Februar 2019, 11.00 – 13.00 Uhr
Fuer Kinder von 6 bis12 Jahren
Eintritt frei
Anmeldung unter: vermittlung@halle-fuer-kunst.de

Kuratorinnenfuehrung
(Mittwoch, 20. Februar 2019, 19.00 Uhr)
Aufgrund von Krankheit muss die heutige Kuratorinnenfuehrung durch Daphne Ahlers Ausstellung "Die Langstreckensaengerin" leider entfallen. Ein Ersatztermin wird Ihnen zeitnah mitgeteilt.

»Noch mehr Kunstgeschichten« - Workshop mit Maria Smith
Sonntag, 24. Februar 2019, 15.00 – 17.30 Uhr
Fuer Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Eintritt frei
Anmeldung unter: vermittlung@halle-fuer-kunst.de

»Kunst und Kuchen«
Konzert von Rosa Rendl
Sonntag, 24. März 2019, 16.00 Uhr

Die Ausstellung wird grosszuegig gefoerdert durch die VG Bild-Kunst und den Lueneburgischen Landschaftsverband. Das Vermittlungsprogramm wird ermoeglicht durch das Land Niedersachsen und die LAGS. Das Jahresprogramm der Halle fuer Kunst Lueneburg basiert auf der grosszuegigen Foerderung durch das Land Niedersachsen, die Sparkassenstiftung Lueneburg und die Hansestadt Lueneburg.