press release only in german

Die Kultur der Gegenwart liebt das Kristalline und Geologische. Die Inbegriffe natürlicher Schönheit, Dauerhaftigkeit und Härte sind aber erstaunlicherweise oft gekoppelt mit dem genauen Gegenteil: dem Welken, Flüchtigen und dem Tod. Zu diesem ambivalenten Phänomen versteht sich „Glanz und Verderben“ als eine kulturhistorische Recherche und präsentiert verschiedene Disziplinen, Werke und Dokumente gleichberechtigt nebeneinander. Die Ergebnisse werden in Ausstellungskapiteln an unterschiedlichen Orten und einem zusammenfassenden Katalogbuch aufbereitet. Die Ausstellung „Das blaue Licht“ im Kunstverein Medienturm beleuchtet speziell die beiden Bereiche Kunst und Design, die im Grunde von sehr unterschiedlichen Herangehensweisen und Verwertungssystemen geprägt werden. Doch im metaphorischen Feld des unheimlich Kristallinen treffen sie sich.

Der Titel der Ausstellung DAS BLAUE LICHT bezieht sich einerseits auf den heute alltäglichen medialen Lichtschimmer, der abends aus den Wohnzimmern dringt, andererseits auf die Zeit der 1930er Jahre, auf jene Epoche also, in der dem unheimlich-kristallinen bereits einmal solch eine Bedeutung wie heute zukam: „Das blaue Licht“ ist der Titel des Regiedebüts (1932) der späteren NSDAP-Propagandafilmerin Leni Riefenstahl. In ihm spielt eine faszinierende Kristallgrotte in den Bergen eine tödliche Rolle.

Die gezeigten Arbeiten:

Von Walking-Chair wird eine unterkühlte Lounge zu sehen sein: „Montebello“ ist ein Sofa wie ein Eisberg, darüber glitzert eine ärmliche Lusterlandschaft. Im gleichen Raum entfaltet auch Robert Smithsons Film „Spiral Jetty“ (32 min, 1970) – ein taumelndes Dokument der gleichnamigen Land-Art-Skulptur im Great Salt Lake von Utah – seinen audiovisuellen Sog. Die dritte Position stammt von Gottfried Bechtold. Bechtold hat einen brandneuen Porsche zu einem kompakten Wrack pressen lassen. Doch Glanz und Glamour sind aus dem berühmten Designprodukt nicht entwichen, im Gegenteil: Es ist, als ob vor einem eine verletzte Kreatur läge, als ob sich ein vormals technoider Fetisch in einen Organismus verwandelt hätte.

Bogomir Ecker ist unter anderem für seine auf 500 Jahre konzipierte „Tropfsteinmaschine“ in der Hamburger Kunsthalle bekannt. Deren anmaßender Zeitbedarf bringt die kristalline Symbolik zeitgenössischer Museumsbauten exemplarisch auf den Punkt. Für den Kunstverein Medienturm entwirft Ecker eine große Rauminstallation mit Tiefkühltruhe und einer Wandarbeit, die sich mit dem Grazer Schlossberg und dessen Stollen und Grotten beschäftigt. Konstantin Grcic ist mit seinem berühmten „chair-ONE“ vertreten: Ein von Magis industriell gefertigter Stuhl, dessen Sitz- und Lehnfläche auf ein statisch und ergonomisch notwendiges, kristallines Gerippe reduziert ist. Die Künstlergruppe mahony beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Expeditionen des frühen 19. Jahrhunderts. Ihre geografischen, geologischen und meteorologischen Dokumentationen erinnern an die Zeit der Universalgelehrten. In einem Salon für Steine und Mineralien kondensiert sie Reisen und Geschichten.

In einem angrenzenden Raum werden Arbeiten von Florian Ladstätter versammelt: Drei schwarze Orchideenspiegel prägen ihn mit ihrer unheimlichen Eleganz, ergänzt werden sie durch Schmuck-Ketten aus der Serie „Les Fleurs Du Mal“ sowie deren Inszenierungen in Modezeitschriften.

Von Björn Dahlem werden Zeichnungen und die Skulptur „Marseis (Phobos)“ gezeigt, die aus einer strahlenden und kristallinen Science-Fiction-Welt zu stammen scheinen. In Korrespondenz dazu präsentiert Thomas Feichtner den Türgriff und das monströse Essbesteck aus seiner scharfkantigen Axiome-Reihe, die schweizer Grafik- und Produktdesignerin Nicole Aebischer hingegen ihre Joker-Vasen.

Den räumlichen Abschluss bildet Herwig Weisers „Lucid Phantom Messenger“: Ein Labor zur Bilderzeugung mittels künstlicher Kristallgärten aus den zerriebenen Materialien eines Computers. Ein Hightech-Medienkunst-Inferno-Furiosum.

Vitus Weh

Katalog: GLANZ UND VERDERBEN, Verlag Folio (Wien/Bozen), ISBN 978-3-85256-479 Ein kulturwissenschaftliches Katalogbuch (136 Seiten) erscheint unter dem Titel „Glanz und Verderben“ in der Medienturm-Reihe im Folio Verlag, Bozen/Wien. Herausgeber: Vitus Weh, Grafik: metaphor, Redaktion: Vitus Weh und Ines Gebetsroither. Mit Abbildungen und Texten zu den ausgestellten Werken sowie Essays von Tulga Beyerle, Brigitte Felderer, Angelika Höckner / Gerald Moser, Susanne Jäger, Christian Lerch, Ingrid Loschek, Wolfgang Pauser, Thomas Trummer, Vitus Weh, u.a.

Nicole Aebischer (CH), Gottfried Bechtold (A), Björn Dahlem (D), Bogomir Ecker (SLO), Thomas Feichtner (A), Konstantin Grcic (D), Florian Ladstätter (D), mahony (A/D), Robert Smithson (US), Walking-Chair (A), Herwig Weiser (A)

only in german

DAS BLAUE LICHT
Der Hang zum Kristallinen in Kunst und Design
Kurator: Vitus Weh

Künstler: Nicole Aebischer, Gottfried Bechtold, Björn Dahlem, Bogomir Ecker, Thomas Feichtner, Konstantin Grcic, Florian Ladstätter, Mahony , Robert Smithson, Walking-Chair , Herwig Weiser