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In der Ausstellung ORNAMENT DER BRÜDERLICHKEIT suchen wir nach dem Material kollektiver Identität und dem Ornament der Zusammengehörigkeit im heutigen Europa. Das Ornament greifen wir als ein visuelles und auditives Kommunikations-Medium auf, dass sich nicht eindeutig definieren lässt, als Zone der Überschreitung, die für einen Bewegungs- und Richtungswechsel steht und komplexe Prozesse stark komprimiert wiedergibt. Wir fragen jenseits von politischen und ideologischen Ansätzen, sondern anhand von künstlerischen Arbeiten und wissenschaftlichen Beiträgen ob ein Muster-System erkennbar ist? Die Ausstellung ist ein Versuch, das Thema aus einem anderen Blickwinkel, nämlich mit einem formgeschichtlichen und materialikonografischen Ansatz anzugehen. Darum werden das "Blut" als Material sowie der “Körper” und das kollektive Ornament als Bezugs- und Ankerpunkte der Zusammengehörigkeit dienen.

Brüderlichkeit ist im Ungarischen eine genderneutrale Wortzusammensetzung aus „Körper-Blut“. Welche Relevanz hat das Blut als Material bei der Zusammengehörigkeit heute in Europa - von der nationalen Identität bis zur Familie? Was hält Nationen zusammen und wie sieht das in komprimierter Form – wie beim nation branding aus? Ist die Abstammung nach Blutsverwandschaft noch ein relevanter Begriff bei der Zusammengehörigkeit, wenn von der Ökonomisierung der Familie im neuen sozialen Raum von gender-basierten Familien-Modellen die Rede ist? Ist die Blutspende als höchste Form des Altruismus noch relevant oder ist es seit dem profesionellen Blutspendenmarketing ein Akt der Kapitalisierung der Ressourcen geworden? Wie hat die HIV/AIDS Problematik unser Verhältnis zu dem ikonischem Material der Zusammenhörigkeit beeinflusst – „Vom [menschlichen] Blut zur Sozialpolitik“ (Titmuss). Welche Muster und Ornamente geben der Zusammengehörigkeit eine visuelle Grundlage, welche sind die kommunkativen Flächen, auf denen diese Ornamente geteilt werden?

Die Ausstellung zeigt die Ornamente der Brüderlichkeit anhand von Werken Anfang der 1990er Jahre, wie Dan Perjovschis Romania Tattoo und Removing Romania (1993/2003), Katarzyna Kozyra`s Blood Ties (1995) und Draculaland 5 (1994) von subReal. Im Rahmen von Kritik und Krise wurden zwei neue Werke speziell für die Ausstellung in Auftrag gegeben an Tamás Komoróczky und Imre Lepsényi. Immanenter Teil der Ausstellung sind die Ergebnisse der jahrelangen Recherche, die auf der Webseite kritikundkrise.de in einer öffentlichem Bibliothek zusammengefasst wurden, wo dokumentarische Knotenpunkte des Themas um Nation Branding, Blutspenden, Identität und Migration zusammen mit kunsthistorischen und formgeschichtlichen Eckpunkten des Diskurses präsentiert werden. Zusätzlich wird es einen audiovisuellen Bereich geben, der die Tonspur der Brüderlichkeit, Solidarität und Zusammengehörigkeit einzelner Gruppen anlässlich der neuen Welle der innereuropäischen Migration am Beispiel Ungarns aufgreift – so in Songs von Kiscsillag, Presszo Tango Libido, Dopeman, Laura Wilde oder Peter Geszti. Denn Ornamente sind nicht nur visuelle Medien sondern auch in der Repetition, Wiederkehr, Rhythmus, Dynamik und Bewegung – auditiv erfahrbar.

Die Ausstellung Das Ornament der Brüderlichkeit (13. November 2014 - 18. Januar 2015) ist Teil der Programmreihe Kritik und Krise, die in Kooperation mit dem Deutschen Historischem Museum über drei Jahre angelegt erarbeitet wird.