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David Claerbout, 1969 in Kortrijk, Belgien, geboren, zählt nach seinem jüngsten Auftritt im Rahmen der 2. berlin biennale und seinen Ausstellungen in den Galerien Johnen & Schöttle und Micheline Swajczer zu den vielversprechendsten Talenten im Bereich heutiger künstlerischer Video-Produktion. Der in Brüssel lebende, als Maler ausgebildete Künstler arbeitet in seinen Installationen oft mit einer Überlagerung aus statischen Dia-Bildern und subtil bewegten Videoprojektionen. In den oft schwarzweiß gehaltenen, sehr großen (bis zu 550 x 400 cm) Projektionen entsteht eine spezifische Spannung, indem der Künstler scheinbar statische, präzise komponierte Bilder mit minimalen Bewegungen ausstattet. Auf diese Weise erscheint eine merkwürdig irritierende und faszinierende Form von Zwischenbild. Gefangen in einem Endlos-Loop wiederholen alle Bewegungen auf den starren Bildern nur sich selbst, eine Entwicklung oder weiterführende Handlung gibt es nicht. In Anlehnung an Traditionslinien einer melancholischen, belgischen Surrealität konstruiert Claerbout aus seinem teils auf Abbildungen in Zeitschriften und Zeitungen zurückgehenden, teils selbst erzeugten Bildmaterial bühnenhaft aufgebaute Bilderrätsel, die in ihren Tiefen von einer unauflösbaren Ambivalenz zwischen Alltag und Subversion bestimmt sind.

Im Kunstverein präsentiert Claerbout, der bereits bei den diesjährigen Theaterformen mit einer Videoinstallation in der Cumberlandschen Galerie vertreten war, vier Arbeiten: Im ersten Raum zeigen vier "Lightboxes" venezianische Architektur-Veduten bei Nacht. Die durch die absolute Dunkelheit erst allmählich erkennbaren Stadtansichten entwerfen das Bild einer untergehenden Stadt. Im angrenzenden Kabinettraum wirkt der Film "The Piano Player" wie ein Ausschnitt aus einem längeren Spielfilm: Eine Frau läuft auf dem Weg nach Hause durch den strömenden Regen. Nach dem Betreten des Hauses ist im Hintergrund Klavierspiel zu hören: Die Frau folgt dem Klang durch das Haus und trifft in einem Saal auf ein Klavier spielendes Mädchen. Sobald beide allein im Raum sind, scheint der Klang eines Symphonieorchesters sie zu umgeben. Er löst sich immer stärker von dem Film und entwickelt eine eigene, räumliche Dynamik. "Kindergarten Antonio Sant'Elia, 1932" ist im Grenzbereich zwischen Fotografie und Video angesiedelt. Auf einem Schwarzweiß-Foto aus dem Jahr 1932 sind spielende Kinder in dem nach den starren Idealvorstellungen des faschistischen Rationalismo von Giuseppe Terragni erbauten Kindergarten Sant'Elia in Como (Italien) zu sehen. Claerbout bearbeitet das Foto minimal, doch signifikant: Die im Original noch unbelaubten Bäume stattet er mittels digitaler Manipulation mit Blättern aus, die sich leicht als Loop im Wind bewegen. Durch diesen Eingriff vertauscht er die jeweiligen Grundlagen der beiden ineinander verblendeten Medien: Das Foto verliert mit seiner statischen Fixierung scheinbar seine dokumentarische Qualität und scheint die Situation in die Gegenwart zu verlagern, während der Film durch den Entzug des Bewegungsmoments seine Flüchtigkeit wie auch die dem Medium innewohnende, auf die Zukunft gerichtete Vorwärtsbewegung aufgibt. Die Videoinstallation "The Stack" zeigt im zunächst kaum merklichen Zeitraffer eine Autobahnbrücke im Wandel des Sonnenlichts. Die wandfüllende, 36 Minuten lange Arbeit entwickelt ihre Komplexität erst beim Beobachten und Verfolgen der sich allmählich verändernden Licht- und Schattenzonen im Bild, in denen sich auf unvorhersehbare Weise sichtbare Zonen in nicht-sichtbare verwandeln und überraschende Details der Szenerie enthüllen.

Mit dem Tüftler aus Belgien hat Kunstvereinsdirektor Stephan Berg eine Trüffel im internationalen Kunstbetrieb gefunden. Henning Queren, NEUE PRESSE

In Claerbouts erster Übersichtsschau in Hannover ist auch die unglaublich starke Arbeit "The Stack" zu sehen. In ihr zeigen sich sehr deutlich die für die Werke des Künstlers charakteristischen Züge des melancholischen Stilllebens, des Memento Mori und des Meditationsbildes. Michael Stoeber, KUNSTFORUM