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„Dem Schönen Wahren Guten“ zeigt Kunst, die sich kritisch mit dem Alltag auseinandersetzt. Kunst die unbequem ist, die zum Nachdenken anregt und nicht selten auf Widerspruch stößt. Otto Dressler, Franz Hartmann und Wolfram P. Kastner hinterfragen das heutige Verständnis von Kunst und stellen die eingeschliffenen Sehgewohnheiten des Kunstpublikums auf die Probe. So unterschiedlich ihre Arbeitsweise und Themen sind, so eint die Künstler die Auffassung von Kunst als Form der aktiven Einmischung: sie setzen sich mit verdrängten, oft schmerzlichen gesellschaftlichen Realitäten auseinander und riskieren dabei nicht selten Konflikte. Von der engagierten Kunst eines John Heartfield bis zur politisierten Vermittlungsästhetik der 1970er und 80er Jahre, für die beispielsweise Joseph Beuys oder Klaus Staeck Maßstäbe setzten, unterscheiden sich die hier gezeigten Strategien jedoch, da sie neben den politischen Aussagen auch auf die gezielte Intervention im öffentlichen Raum setzen. „Diese Kunst kann durch knappe und präzise Eingriffe, durch ungewöhnliche bildliche Kombinationen und Stellungen die Wahrnehmung aus der Bahn bringen, Situationen und Zusammenhänge ins Blickfeld rücken und somit Nachdenklichkeit und Diskussion ermöglichen. Sie kann dies durch eine unmittelbare und sinnhafte Art, wie es sonst kaum möglich ist“ (Carl Blauhorn). Die Ausstellung präsentiert sowohl neu entstandene Kunstwerke als auch ausgewählte Projekte der drei Künstler aus den letzten Jahren, die mit Installationen, Fotos, Videos und Relikten vergangener Aktionen dokumentiert werden.

Otto Dressler * 1930 in Braubach/Rhein; 1948-1952 Studium und Staatsdiplom für Bildhauerei an der Werk- und Kunstschule in Wiesbaden; nach dem Bau von 43 Kriegerdenkmälern Aufgabe der Steinbildhauerei; seit den 1950er Jahren mehr als 240 Kunstaktionen und Ausstellungen im In- und Ausland (Auswahl): 1960-1970 Sitzbilder, erste Kunstaktionen zur Infragestellung des Kunstmarkts; 1975 Pro patria mori, Stockholm Kulturreservat am Schloss, ironische Kunstaktion; 1980 Die Jahrhundert-Spur, Bundeswehruniversität Hamburg, Ausstellung und Anti-Kriegs-Kunstaktion, nach Aufbau Verbot, dann Erlaubnis durch den Präsidenten, tagelange Diskussionen folgen, letzter Y-Bericht August 2005 (50 Jahre Bundeswehr), Aktionsfortsetzung in weiteren 24 Städten Ost- und Westeuropas; 1983 Moskau; 1987 Internationale Ostsee-Biennale, Rostock (BRD-Beitrag, Biennalepreis); 1988 Civilisation, National Center of Fine Arts, Kairo, Kunstaktion (Biennalepreis); 1995 Museum Niepodleclosci, Warschau (Polsat überträgt weltweit); 2004 Rotes-Kreuz-Projekt, Genf; z. Zt. Vorbereitung für Peking 2006; 1960 Gegen Rechtsradikalismus, erstes Aktions-Objekt; 2003 US-Phoenix, Ostdeutsche Galerie Regensburg, danach polizeiliche Haus- und Atelierdurchsuchung (Kriegswaffenkontrollgesetz); 2005 Dachau mahnt, Schloss Dachau, Aktionsobjekt gegen rechte Gewalt, Staatspolizei im Atelier wegen Besitz verbotener Nazi-Embleme.

Seit den 1960er Jahren führt Otto Dressler sogenannte Verfremdungs-Kunstaktionen durch, die bewusst aus dem musealen Kontext in den öffentlichen Raum treten. Durch öffentlichkeitswirksame Vermittlungsstrategien hat er diese Form von Aktionskunst kontinuierlich erweitert. Seine Kunstaktion gegen Nationalismus, Gewalt und Krieg im Schaufenster eines Berliner Kaufhauses am Kurfürstendamm erlebten zum Beispiel Hunderte von Passanten. Im Kunstraum hingegen konfrontiert Dressler den oft wirklichkeitsfernen Kunstbetrieb mit einer Kunst, die sehr konkret aktuelle Probleme benennt. Er gehört damit wie Wolfram P. Kastner und Franz Hartmann zu denjenigen deutschen Künstlern, die man als politisch oder engagiert bezeichnet, weil sie konkret auf gesellschaftliche Missstände und Widersprüche hinweisen. Als „Gesellschaftskritiker künstlerischer Art“ reflektiert Otto Dressler bis heute den weltpolitischen Alltag, aber auch die deutsche Vergangenheit mit Aktionen wie „Vom Erbe der Väter zum Wahnsinn der Enkel“ oder „Unser Land“. Zu diesen Themen entstehen auch in der Ausstellung ersichtliche Textbilder und Materialcollagen, die er aus Original-Utensilien und Fundstücken herstellt. Der Verfremder Otto Dressler enthebt dafür mit bewusst einfachen Mitteln Originalgegenstände des täglichen Lebens ihrer eigentlichen Bestimmung, so dass die Bildaussagen der Objekt-Verfremdungen für jedermann verständlich sind. Ob Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Ausländerfeindlichkeit oder Fanatismus – dem Publikum setzt der Aktionskünstler härteste Tatsachen entgegen, die zur nachdenklichen Herausforderung werden und Weltanschauungen, Vorurteile, Glaubens- und Lebensformen in Frage stellen. Kunst ist für Otto Dressler somit nie Selbstzweck, sondern stets ein „Transportmittel für Ideen“.

Franz Hartmann * 1980 in Landsberg; 1997-1999 Ausbildung zum Steinbildhauer; 1999 Freie Schule der Bildhauer; seit 2000 freischaffender Künstler; 2000 Black Tea, Landsberger Stadttheater; 2001 Kulturgrenze, Landsberger Kulturtage; Gewissensruhe. Ehrenfriedhof für Bundestagsabgeordnete nach dem Supergau; Raum Gorleben; Kreuzweg, Neues Stadtmuseum Landsberg a. Lech; 2003 Gedenkstättenrohling, Neues Stadtmuseum, Landsberg a. Lech; Unbekannte Weltbewohner, Burgstraße/Monbijou-Park, Berlin-Mitte. Mit Projekten im öffentlichen Raum wie „Gewissensruhe“ sensibilisiert der Bildhauer Franz Hartmann unsere Wahrnehmung für Formen der aktuell-politischen Erinnerungskultur. 2001 errichtete Hartmann in der Nähe des Zwischenlagers Gorleben an der Castortransportstrecke ein Denkmal für die mögliche Zukunft, das bis heute und aktueller denn je als Mahnmal dient. Als Ehrenfriedhof für Bundestagsabgeordnete soll dieses Denkmal in Form eines Gräberfelds im Falle eines möglichen atomaren Supergaus dazu dienen, jedem Abgeordneten ein Betonkreuz mit Namen und Geburtsdatum als würdige Ruhestätte bereitzustellen. Über eine Internetauktion kann eine symbolische Partnerschaft für das Grab eines Lieblingspolitikers abgeschlossen werden. Statt auf makabre Weise zu provozieren, will dieses Projekt vielmehr den Zwiespalt zwischen Denkmal und Mahnmal befragen und auf dezidierte Weise auf gesellschaftliche Realitäten wie atomare Bedrohung und politische Handlungsunfähigkeit aufmerksam machen. Mehr als Mahnmal denn als Denkmal für die eventuelle Zukunft ist auch das Projekt „Gedenkstättenrohling“ zu betrachten, das sich mit aktuellem Kriegsgeschehen auseinandersetzt. Via Internet werden Bausteine für Gedenkstätten in verschiedenen Varianten für den Ernstfall zum Kauf angeboten. Statt Provokation und Protest schafft Hartmann durch die künstlerische Verdichtung von realen Prozessen ein Bewusstsein für die Gegenwart. Neben mit diesen Projekten in Zusammenhang stehenden Installationen zeigt der Bildhauer in der Ausstellung auch seine „Historische Sammlung zeitgeschichtlicher Exponate der Gegenwart“: Werke wie die „Bagdaduhr“ kombinieren unterschiedliche Gebrauchsgegenstände zu Objekten mit aktuell-politischer Aussagekraft.

Wolfram P. Kastner * 1947 in München; 1966-1972 Studium und Diplom an der Akademie der Bildenden Künste München bei Robert Jacobsen, Franz Nagel und Thomas Zacharias; Studium der Germanistik, Psychologie, Pädagogik, Kunstgeschichte, politische Wissenschaften und Soziologie an der LMU München. Aktionen (Auswahl): 1982, Seife für Politiker, Versandaktion; 1993 Wir erinnern, Erinnerungsperformance zur sog. „Reichskristallnacht“, Abbruch durch Polizei, Strafanträge, Einstellung; 1995 Brandfleck, Erinnerungszeichen zur Bücherverbrennung auf dem Königsplatz, München, Verbot, befristete Genehmigung, Zerstörung; 1997 Is(s)t Zeit Geld?, Aktion zur Austauschbarkeit von Zeit und Geld in verschiedenen Banken; 1998 Die Spur der Bücher, Aktionen und Projekte in Heidelberg, Mannheim, Kassel und Leipzig zur Reflektion deutscher Brandstiftung; 2002 10. Deutsche Kriegsanleihe, Aktion gegen die deutsche Kriegsbeteiligung; Christliche Sauerei, öffentliche Intervention zur Wahrnehmung der kirchlichen Judenfeindschaft in Köln. Wolfram P. Kastner enthüllt mit seinen künstlerischen Aktionen Verdrängtes und Vergessenes im politisch-historischen Bewusstsein der Öffentlichkeit. So brachte er beispielsweise am Jahrestag der sogenannten „Kristallnacht“, am 9. November 1995, ein Brandmal auf dem Rasen des Münchner Königsplatzes als Zeichen der Erinnerung an die Bücherverbrennung an. Die Stadt verbot jedoch das zeitlich befristete Erinnerungsmal, das immer wieder neu eingebrannt werden sollte. Auch in anderen Städten Deutschlands wurden Kastners schwarze Brandflecke an den jeweiligen Tatorten abgewehrt oder nur solange geduldet, bis buchstäblich wieder Gras über die nur allzu gerne vergessenen Geschichte gewachsen war. Zahlreiche Aktionen im öffentlichen Raum zur „Markierung“ von Orten mit NS-Vergangenheit, von dem Künstler selbst als „SehStörungen“ und „ästhetische Interventionen“ bezeichnet, unternahm Kastner alleine oder mit dem von ihm gegründeten Institut für Kunst und Forschung, um auf verdrängte und verdeckte Tatbestände unserer jüngsten Vergangenheit aufmerksam zu machen. Er scheut dabei nicht die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit und den Behörden, die meist ebenso aussagekräftig ist wie seine künstlerische Befragung der Funktion von Denkmälern und der Form des heutigen Erinnerns. Neben den Interventionen in der Öffentlichkeit zu politischen Themen wie Gewalt, Missachtung von Menschenrechten oder Militarisierung entstehen bissige und sarkastische Objekte und Installationen. Sein Schaffen, das in der Ausstellung anhand ausgewählter Projekte und Kunstgegenstände veranschaulicht wird, zeichnet dabei die historische Realität nicht nach, sondern befragt vielmehr unser Erinnerungsvermögen aus heutiger Sicht und schärft unsere Wahrnehmung für gegenwärtige wie historische Prozesse.

Patricia Drück

Pressetext

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Dem Schönen Wahren Guten
Otto Dressler, Franz Hartmann, Wolfram Kastner