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Was haben eine kubistische Teekanne von Kasimir Malewitsch, ein Bürostuhl von Egon Eiermann und ein chinesischer Weinbecher aus der Qing-Zeit gemeinsam? Zunächst nichts, sollte man meinen, stammen alle drei Gegenstände zwar aus der Sammlung des Museum Angewandte Kunst, so doch aus unterschiedlichen Regionen und Gebrauchszusammenhängen. Das einzige, was sie einander ähnlich macht, ist ihre gemeinsame Farbe: Weiß. Das Museum Angewandte Kunst zeigt in dieser Depotschau erstmals Exponate, deren verbindendes Thema das weiße Material ist: von den Frühformen des China-Porzellans aus der Tang- und Song-Zeit (7. – 13. Jh.) über Kunstgewerbe des Klassizismus, Jugendstil, Art Déco bis zum Produktdesign des 20. und 21. Jahrhunderts. Jede Kultur, jede Religion, jede Epoche schuf jeweils ihre Bedeutung der Farbe Weiß: die weiße Lilie oder auch das weiße Brautkleid stehen im christlichen Europa für Unschuld und Reinheit. In China dagegen wird Weiß mit Metall assoziiert, repräsentiert Gold und symbolisiert Helligkeit, Reinheit und Erfüllung. Weiß ist in China, wie in vielen asiatischen Kulturen, aber auch die Farbe der Trauer. In Korea wiederum wurde Weiß als Farbe von Eleganz und Zurückhaltung zu einem wesentlichen Kennzeichen der konfuzianisch geprägten Kultur der Joseon-Dynastie (1392 – 1910), die in fast alle Bereiche von Kunst und Alltag hineinreichte. Und in Japan ist es vornehmlich der Zen-Buddhismus, innerhalb dessen sich eine besondere Affinität zur Farbe Weiß herausbildet – von den abstrakten Landschaften der Steingärten (vgl. den des Ryôanji in Kyôto) bis zu minimalistischen Tendenzen in Kunst und Design der Moderne. Der europäische Klassizismus mit Winckelmanns „edler Einfalt und stiller Größe“ im Gepäck, bleichte die Antike auf Weiß, obwohl sie in Wirklichkeit polychrom war. Überhaupt markiert das Licht der europäischen Aufklärung den Anfang eines Zeitalters bürgerlicher Kontrolle, das seine logische Fortsetzung im Hygienegedanken und letztlich im Weiß des Arztkittels findet. Die Nüchternheit des technischen Zeitalters nimmt so ihren Anfang. Denn der Verzicht auf das Bunte, Verspielte, Dekorative gehört nicht erst seit Adolf Loos‘ „Ornament und Verbrechen“ zu den Grundkoordinaten der Moderne, die im 20. Jahrhundert durch den Werkbund und das Bauhaus, über die HfG Ulm und das Braun Design bis hin zum Apple Computer wesentlich in die Gestaltung unserer Zeit hineinwirkt. Eine besonders große Objektgruppe bildet dabei, kaum verwunderlich, die Keramik, namentlich das zuweilen als „Weiße Gold“ bezeichnete Porzellan. Doch schon in dieser Objektgruppe lässt sich über die scheinbar grenzenlose Vielfalt von Formen und Sujets staunen. Immer jedoch schafft die Reduktion auf Weiß bzw. dem reinen Weiß nahekommende Beige- und Cremefarben ein Moment der Konzentration. Die Form steht ganz im Mittelpunkt – mit der Folge, dass das Narrative zwar nicht notwendigerweise verschwindet, dass in der Abwesenheit von Farbe jedoch eine spezifische Distanz zur üblicherweise als farbig wahrgenommenen Lebenswelt entsteht. Schließlich ist nicht zuletzt die Architektur des Museums Angewandte Kunst von Richard Meier ein unübersehbares Statement zum Thema Weiß und gleichzeitig das Gefäß für die Depotschau. Produkt und Gesellschaft: Weiß.