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Die Ausstellung Der ideale Ort, um mit der Freiheit unter vier Augen zu sprechen widmet sich einem Sonderfall der künstlerischen Freiheit, nämlich der Regel. So legendär die künstlerische Freiheit ist, so überraschend scheint es, dass sich in Kunstwerken oftmals eine bewusste Hinwendung zu Regelsystemen manifestiert. Anstatt sich gelöst von Fesseln zu bewegen, werden freiwillig Einschränkungen in Kauf genommen oder sogar erst erdacht. Vielleicht drückt sich allerdings gerade hier das Praktizieren des Ungebundenseins aus, in der eigenen Entscheidung für Richtlinien und insbesondere in dem Ersinnen eines individuellen Regelkanons. Die Gruppen-ausstellung Der ideale Ort, um mit der Freiheit unter vier Augen zu sprechen vereint Arbeiten internationaler Künstler, die die künstlerische Freiheit in der Gesetzmäßigkeit suchen und äußern. Sie entwerfen eigene Strategien, Ordnungssysteme oder Spielregeln um Gewohntes aufzubrechen und dem alltäglichen Bild unserer Umgebung ein eigenes Aussehen zu verleihen.

Unser Alltag wird von den unterschiedlichsten gesellschaftlichen und kulturellen Rollen-zuschreibungen und sozialen Routinen bestimmt. Mit ihnen setzt sich die türkische Künstlerin Aslı Sungu in ihren Videoarbeiten auseinander, wenn sie beispielsweise das Zähneputzen oder Bügeln analysiert. Als Ausführende dieser allseits bekannten Handlungen erhält sie jedoch Hilfe von Profis, deren Kommentare aus dem Off ertönen. Auch die dänische Künstlerin Nina Beier beschäftigt sich in ihren zumeist performativen Arbeiten mit den verdeckten Regeln des Sozialen und den Erwartungshaltungen der Gesellschaft. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung im Künstlerhaus Bremen wird ihre Performance Performer Performing Performance aufgeführt. Ein Schauspieler trägt zeitgleich zur Aufführung des Theaterstücks Hamlet in der shakespeare company bremen den Text des Polonius im Galerieraum vor. Pausen, Unterbrechungen für Applaus oder die Beiträge der anderen Schauspieler denkt er mit, so dass sich Rollenfragmente und Gesprächsfetzen, die durch den Ausstellungsraum hallen, zu einem neuen Stück verbinden. „Als Zeichen Ihrer Solidarität mit den jüngsten Ereignissen in der Welt, bitten wir Sie, die Tätigkeit, die Sie gerade ausüben, für die nächste Minute nicht zu unterbrechen“ lautet es bei Roman Ondáks Announcement. In regelmäßigen Abständen ergeht die Aufforderung an den Ausstellungsbesucher. Doch dieser Satz stellt nicht nur eine Handlungsanweisung dar, sondern er bildet gleichzeitig eine plötzliche Unterbrechung der Ausstellungssituation. Offensiv wird der Rezipient dazu angeregt, durch einen performativen Akt selbst Teil der Ausstellung zu werden. Die Arbeit The Box With The Sound Of Its Own Description von Jesse Ash wiederum knüpft an Robert Morris Box With The Sound Of Its Own Making an. Ausgangspunkt war die Rekonstruktion der Letzteren, die auf der Beschreibung des Bruders des Künstlers beruhte. Wird dieses Werk ausgestellt, entsteht stets eine Neuproduktion, die auf der Beschreibung des jeweils vorhergehenden Exemplars basiert.

Die versammelten, gattungsübergreifenden Werke zeigen künstlerischen Strategien und Ausein-andersetzungen mit verbindlichen Ordnungssystemen. Seien es Handlungsanweisungen an den Besucher oder das Befolgen selbst erdachter Gebote durch den Künstler, der Reiz dieser Praxis liegt in der Art des neuen Regelwerkes, das sich der Normalität widersetzt und so Einblicke in Parallelwelten gewährt.

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Der ideale Ort, um mit der Freiheit unter vier Augen zu sprechen
Kurator: Stefanie Böttcher

Künstler: Jesse Ash, Hanne Darboven, Harald Falkenhagen, Hans-Peter Feldmann, Sven Johne, Jiri Kovanda, Nina Beier & Marie Lund, Roman Ondák, Asli Sungu