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Eröffnung: 22.10.2008, 19.00

Die Ausstellung "Der weite Blick - Landschaften der Haager Schule" ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und dem Rijksmuseum in Amsterdam. Die berühmte Gemäldesammlung des Rijksmuseums besitzt einen der umfangreichsten und schönsten Sammlungskomplexe mit Werken der Haager Schule. Es ist der Neuen Pinakothek daher eine besondere Freude, Gastgeber für die wunderbaren Gemälde und Aquarelle dieser Künstlergruppe zu sein, deren Werke schon seit langem einen festen Platz in der dem 19. Jahrhundert gewidmeten Pinakothek einnehmen. "Der weite Blick" kennzeichnet die Gemälde einer der bedeutendsten Malerschulen des 19. Jahrhunderts: Die Landschaftsmalerei der Haager Schule, die in Anlehnung an die Schule von Barbizon um 1870 in Den Haag entstanden ist. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht dabei nicht nur die auch für die deutschen Realisten um Max Liebermann so wichtige Malerschule, sondern vielmehr deren Sicht auf eine holländische Landschaft, die seit circa 1875 einer zunehmenden Verstädterung und Industrialisierung weichen musste. Die kulturgeschichtliche Perspektive der Ausstellung zeichnet mit etwas über 100 Gemälden, Aquarellen und historischen Fotografien die Erfindung einer Landschaft nach, die noch heute als typisch holländisch angesehen wird.

Eine lange Beziehung verbindet München mit den Künstlern der Haager Schule: Bereits seit den großen internationalen Kunstausstellungen im Glaspalast sind die niederländischen Maler um Gerard Bilders, Jozef Israels, Jacob Maris, Anton Mauve, Johan Henrik Weissenbruch u. a. dem Münchner Publikum bekannt. 1888 wurde als erstes Bild der Haager Malerschule die "Polderlandschaft bei Tauwetter" von Eduard Alphonse Victor van der Meer für die Neue Pinakothek erworben. Das Gemälde bildete den Grundstein für einen Sammlungskomplex von heute 22 Werken, welcher die Haager Schule von Bastert bis Weissenbruch qualitätsvoll in München dokumentiert und in seiner Geschlossenheit einmalig in Deutschland ist.

Zunächst von englischen und amerikanischen Sammlern entdeckt, breitete sich der Ruhm der Haager Schule zum Ende des 19. Jahrhunderts rasch auch in den Niederlanden, Schottland und Deutschland aus. Besondere Wertschätzung erfuhr dabei auf der Welle der "Holland Mania" eine den Künstlern gemeinsame und kennzeichnende Auffassung der Landschaft, die in den Werken der Haager Gruppe das Charakteristische des Niederländischen in typenhafter Verdichtung zu enthalten schien.

Dieses Signum einer besonderen, mit malerischer Brillanz vorgetragenen Authentizität wirft dabei zugleich die Frage auf, in welcher Art und Weise die Maler der Haager Schule ihre Heimat darstellten und inwieweit das von ihnen gestaltete Bild der tatsächlichen Erscheinung des Landes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprach.

Mit eben diesen Fragen beschäftigt sich die Ausstellung "Der weite Blick" aus einer breit angelegten, kulturhistorischen Perspektive heraus. Im Blickpunkt steht hier zunächst die Themenwahl der Haager Schule: Eines ihrer auffälligsten und auch neuen Sujets war die flache holländische Polderlandschaft, die buchstäblich allen Raum für einen "weiten Blick" lässt. Nichts scheint typischer als diese Landschaft, die noch heute als "das grüne Herz Hollands" von den Fremdenverkehrsvereinen beworben wird - und doch wurde um 1860 nichts als weniger malerisch empfunden als gerade diese Region. Welche Ästhetik und welches Naturgefühl sprachen mithin aus der Wahl dieses Motivs und wie sind sie in einen größeren Kontext einzuordnen?

Eine Auswahl historischer Fotografien aus der Sammlung des Rijksmuseum dokumentiert demgegenüber die topografische Entwicklung der Niederlande im späten 19. Jahrhundert. Hier stehen den malerisch empfundenen Aufnahmen der Piktoralisten, die mit den Gestaltungsmitteln der klassischen Landschaftsmalerei operieren, Serien von Ingenieurfotografien gegenüber, die einige tief greifende infrastrukturelle Veränderungen offenbaren. In dieser Gegenüberstellung wird deutlich, in welchem Ausmaß mit dem Ausbau von Wasserwegen und Eisenbahn die flache Polderlandschaft gleichsam in ein Hochrelief aus Brücken, Dampf betriebenen Pumpwerken und Schleusen verwandelt wurde. Dieser unübersehbare Wandel wurde in den Bildern der Haager Schule jedoch kaum festgehalten. Ästhetik und Naturgefühl gingen eine Symbiose ein, die weit über die Kunst hinaus Identität stiftend wirkte.

Gerade in dem gemeinsamen Erfassen dieser beider Betrachtungsweisen, durch Malerei und Fotografie, lassen sich daher Antworten auf die Frage finden, wie das zum Teil bis heute bestehende Bild Hollands zum Ende des 19. Jahrhunderts gleichsam erfunden wurde und welche Funktion ihm in kulturgeschichtlichem Kontext zukam. Die zeitlose Landschaft, wie sie die Maler der Haager Schule auf ihren Bildern festhielten, erweist sich dabei als einstige und gegenwärtige Fiktion.

Zur Ausstellung erscheint im Hatje Cantz Verlag ein Katalog von Jenny Reynaerts, Kuratorin am Rijksmuseum für die Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts, mit Beiträgen von Mattie Boom, Kuratorin für Fotografie am Rijksmuseum, Wessel Krul, Professor für Kulturgeschichte an der Rijksuniversiteit Groningen, und anderen.

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Der weite Blick
Landschaften der Haager Schule aus dem Rijksmuseum

Künstler: Gerard Bilders, Jozef Israels, Jacob Maris, Anton Mauve, Johan Henrik Weissenbruch, Eduard Alphonse Victor van der Meer ...