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Die Ausstellung versammelt exemplarisch Projekte von vier KünstlerInnen, die sich mit der Gestaltung unserer Lebenswelt auseinander setzen und sich besonders durch ihren interdisziplinären Zugang auszeichnen. Utopisches oder ökologisches Design, Design für die Dritte Welt, "Social Engineering", Stadtentwicklung, urbane Konfliktstellen und die Frage nach der Verantwortung der Kunst in einer "New Genre Public Art" werden in den jeweiligen Projekten in unterschiedlicher Weise thematisiert.

Die Entstehung und Analyse einer neuen städtischen Struktur steht im Mittelpunkt des Projektes von Azra Aksamija (österreichische Architektin, geb. 1976 in Bosnien). Der Arizona Markt, der größte Schwarzmarkt Bosniens, 1997 von amerikanischen SFOR-Truppen in Bosnien gegründet, stellt mit seiner ethnisch gemischten Bevölkerung ein ideales Untersuchungsobjekt dar. Positiv bewertet Aksamija die Selbstregulierungskräfte der BewohnerInnen innerhalb dieses Umschlagplatzes für Waren jeder Art. Die von der Architektin vorgeschlagenen Interventionen, eine "Provokateurstange" mit allen notwendigen Versorgungsanschlüssen für Strom, Wasser und Kanal sowie ein Platzhalter in Form eines Sportplatzes, sind für die Ausstellung prototypisch konstruiert worden. Eine Doppelvideoprojektion mit visuellen und akustischen Eindrücken vom Markt und ein Time-Table der historischen, politischen und sozialen Situation vervollständigen das Bild, das Aksamija vom Arizona Markt zeichnet.

Einen durchaus vergleichbaren Ansatz verfolgt Marjetica Potrc (geb. 1953 in Slowenien) mit der Rekonstruktion urbaner Strukturen von Vorstädten oder Slums vorwiegend der Dritten Welt. Die rund um "Core Units" - einfache Andockstellen für die Grundversorgung - entstandenen Gebäude, nimmt die Künstlerin auf und baut sie im Ausstellungsbereich nach. Für die Ausstellung in der Generali Foundation rekonstruiert sie ein Gebäude des amerikanischen Architekten Samuel Mockbee (1944-2001) und seines "Rural Studio". Mockbees Anliegen ist die Entwicklung innovativer Wohnentwürfe für die arme Bevölkerung des amerikanischen Südens. Das "Butterfly-House" zeichnet sich durch seine auffallende Dachstruktur in Flügelform aus, die zum Sammeln und Wiederverwerten von Regenwasser dient. Shanty Towns, Gated Communities, mobile Architektur sind Themen ihrer fotografischen Serien. Das Ausstellen von innovativem Design u.a. für die Dritte Welt als Ready Made bildet das dritte Standbein ihrer Präsentation in Wien.

In Florian Pumhösls (geb. 1971 in Österreich) Projekten wird die Faszination für die Ästhetik und die Rhetorik der Moderne und ihre nachfolgenden Erneuerungsbewegungen gleichzeitig mit deren kritischen Analyse und Distanzierung erlebbar. Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit "On or off earth" (1996) macht die Grundstrukturen seines künstlerischen Ansatzes sichtbar. Der modellhafte Nachbau von Designentwürfen Victor Papaneks u.a. aus seinem Buch "Designs for the Real World", die kontextualisierende Einbettung in die zeithistorischen Diskurse durch Publikationen und Texte sowie die kritischen Kommentare des Künstlers selbst formen ein Gesamtszenario zur Überprüfung des utopischen Gehalts der Alternativbewegung der 1960er Jahre.

Die "Politik des Absurden" im Polen der 1970er Jahre stand möglicherweise Pate für die Entwicklung der ersten Vehicles von Krzysztof Wodiczko (geb. 1943 in Polen, lebt in den USA). Das "First Vehicle" (1972) wird z.B. durch Vor- und Rückwärtsgehbewegungen des Künstlers angetrieben. In den späten 1980er Jahren hat Wodiczko diese Ansätze unter Berücksichtigung der anderen Realität einer kapitalistischen Gesellschaft zur Serie der "Homeless Vehicles" weiterentwickelt. Damit stellt Wodiczko dieser sozialen Gruppe ein "Straßengerät" zur Verfügung, das die Grundbedürfnisse der "Überlebensökonomie", wie Wohnen, Schlafen und Waschen, aber auch Sammeln und Wiederverkaufen von Dosen und Flaschen, berücksichtigt. Das Anliegen des Künstlers, Randgruppen die Macht von öffentlicher Präsenz und Rede zu geben, manifestiert sich in Designprojekten wie "Alien Staff" - eine "Kommunikationshilfe" für MigrantInnen - und seinen jüngsten Projektionen im öffentlichen Raum. In "The Tijuana Projection" (2001) wurden die erschütternden, persönlichen Erlebnisse der weiblichen Bevölkerung der Grenzstadt Tijuana live in Bild und Ton auf das monumentale, kugelförmige Gebäude von "El Centro Cultural" geworfen und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Krzysztof Wodiczko ist Leiter der Interrogative Design Group im Center of Advanced Visual Studies und Direktor des Visual Arts Program am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) in Cambridge.

Mit der Entwicklung eines Konservenbüchsenradios, das unabhängig vom Stromnetz überall funktionsfähig ist, setzte Victor Papanek in den sechziger Jahren neue Designstandards. Jenseits von Gestaltungsfragen stellte er Ökologie, Ökonomie und Nachhaltigkeit ins Zentrum des Entwurfsprozesses. Die Projekte der KünstlerInnen für die Ausstellung setzen sich mit den jeweils spezifischen sozialen, politischen und ökonomischen Lebensbedingungen auseinander und entwickeln Ansätze eines neuen Designs für die wirkliche Welt.
Pressetext

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Designs für die wirkliche Welt
Werke von Azra Aksamija, Marjetica Potrc, Florian Pumhösl und Krzysztof Wodiczko
Konzept, Kuratorin: Sabine Breitwieser
Co-Kuratorin, Ausstellungsproduktion: Hemma Schmutz