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Eröffnung: Do, 23. Juni 2016, 19 Uhr
Laufzeit: 24. Juni – 16. Oktober 2016

Ein Parkplatz voller Autos.

Ein junger Mann betritt die Szenerie, geht zu einem weißen Auto. In Windeseile beklebt er es mit Streifen, Schrift, setzt am Ende das Pappimitat einer Leuchtapparatur auf das Dach. Der junge Mann verschwindet so schnell, wie er gekommen ist und hinterlässt ein Polizeiauto. Ahmet Öğüt: Somebody Else‘s Car (2005)

Die Stadt Istanbul brodelt. Menschen, Autos überall. Wohin das Auge blickt, es trifft immer auf Bewegung. Überfüllte Plätze schließen sich an belebte Märkte, Wohnhäuser und Cafés an. Aus dieser Fülle an Orten und Gegebenheiten greift der türkische Künstler Ahmet Öğüt eine Szenerie heraus. Kaum gefunden holt er sie wie mit dem Vergrößerungsglas heran und fokussiert sie. Die Szenerie ist ganz unscheinbar, völlig gewöhnlich und doch besteht sie aus einer spezifischen Anordnung. Zum gewählten Raum – ein Parkdeck – tritt nun der Faktor Zeit. Der Künstler wählt einen Augenblick, in dem er allein ist. Erst dann folgt die Tat: Er handelt heimlich, schnell, effizient. Die Entscheidung für das Detail: Eine Situation. Eine Person. Eine Handlung.

Oft bildet eine konkrete Situation den Ausgangspunkt für eine Handlung, die Grundlage, von der aus sich etwas entwickelt. Sie ist der Umstand, der gegeben ist und in den der Mensch sich fügt oder der Motor, der ihn antreibt etwas zu tun, um seine Lage zu verändern. Detail ist alles widmet sich der Situation, dem Augenblick und den Handlungen, die in ihm vollzogen werden. Die Ausgangslage bildet den Unterbau für Ahmet Öğüts Aktion: die Verwandlung eines Wagens in ein Polizeiauto. Die Veränderung eines Details findet Widerhall in Erscheinungsbild, Funktion und Bedeutung des Autos, schreibt eine Erzählung neu, nimmt Einfluss auf den Lauf der Dinge.

In einer Welt, in der die Reize beständig wachsen, sich vermehren, schneller werden, verkörpert das Detail einen Sehnsuchtsort. Erst das Bekenntnis zu einer Einzelheit, zu einem Ausschnitt misst ihm die gebührende Bedeutung bei, ermöglicht eine unmittelbare Auseinandersetzung mit ihm und verringert für einen Moment die Komplexität des eigenen Daseins. Durch die Reduktion des Informationsgehalts und die Konzentration auf eine einzige Handlung entstehen nachvollziehbare Situationen. Es gibt Nichts, was ablenkt, kein überflüssiges Beiwerk. Die ausgeführten Handlungen sind klar und entschieden. Doch noch etwas anderes verbindet sie: Sie erfolgen unerwartet. Sie stören die Ordnung. Sie bringen die Ausgangssituationen in Bewegung. Die kleinen Handlungen führen zu Umbrüchen. Es sind präzise, anarchische Akte, die Künstler in ihren Lebensräumen austragen. Die Stadt und der öffentliche Raum dienen als Wirkungsräume, die sich die Künstler zurück erobern. Sie verhalten sich entgegen der gesellschaftlichen Norm. Sie tun dies heimlich, schnell und subtil. Doch gleichzeitig sind die Taten in ihren Kontexten und in Bedeutungen so wesentlich, dass sie dazu taugen die Geschichte umzuschreiben.

Detail ist alles versammelt künstlerische Werke der letzten Jahrzehnte. Der exponentiellen Vervielfachung von Angeboten, Möglichkeiten, Chancen, Entwicklungen, den Zerstreuungen unserer Zeit setzt die Ausstellung die Hinwendung zum Detail und damit die Konzentration entgegen. EINE Situation: EINE Handlung EINER Person in EINEM Setting – so lautet die Struktur der gezeigten Werke. Diese verbinden Humor mit Ernsthaftigkeit, Rebellion mit Friedfertigkeit, Anarchie mit Ordnung, Kontrolle mit Überraschung, Plan und Zufall. Die Kunsthalle Mainz verwandelt sich in einen Raum der Subversion, der Anarchie, der Streiche.