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Die erste Einzelausstellung von Diango Hernández bei Capitain Petzel mit dem Titel Komplette Zimmer präsentiert auf allen drei Galerieebenen speziell für den Ausstellungsort konzipierte Werke des aus Kuba stammenden Künstlers.

Immer definiert Hernández die Linie als Form gewordene Idee (die Zeichnung) und damit die Transformation eines abstrakten Inhaltes in eine reale Existenz. Er verwendet dabei gleichberechtigt gefundene, oft einfache Materialien wie Möbelfragmente, technische Geräte wie Antennen oder Radiobauteile und vielfältige künstlerische Mittel, wie Skulptur, Zeichnung, Buchreproduktionen und Malereien. Diese dienen dabei der Sichtbarmachung und Wertschätzung der individuellen wie improvisierten kreativen Leistung im Gegensatz zu starren gesellschaftlichen und politischen Systemen. Diango Hernández fragmentiert und reduziert die uns umgebende Realität. Er schafft durch seinen oft spielerischen Umgang mit scheinbar nicht zusammen gehörenden Ebenen eine neue Sensibilität für den Anspruch und die Notwendigkeit der Freiheit des Individuums innerhalb der zeitlichen Dimensionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

In der Haupthalle der Galerie befindet sich eine raumfüllende Bodeninstallation aus 42 graphitfarbenen, fragilen Skulpturen mit dem Titel Granite. Die augenfällige, für jedes Objekt unterschiedlich ausgearbeitete Linienführung evoziert das Bild eines hochverdichteten Feldes von Grabsteinen. Tatsächlich entstammen die hier 1:1 übertragenen Umrisse von Produktionszeichnungen aus einem Fachbuch der Granitindustrie über Grabsteine (‘Granit‘, 1950er Jahre). Der Transfer von dem Entwurf eines Grabsteines als Denkmal für eine menschliche Existenz wird von Diango Hernández weiter minimalisiert. Er verlegt die Zeichnung in den dreidimensionalen Raum und entwirft so, verstärkt durch die Verwendung von reinem Graphit auf der Holzoberfläche, die Anmutung eines Friedhofes.

Die Tisch-Installation im Untergeschoss mit dem Titel Silent Party, 2013 soll die ‘Ebene der Vergangenheit‘ repräsentieren. Auf sechzig herausgetrennten, paginierten Blanko-Seiten eines Buches aus dem Jahr 1910 - mit Fotografien von Grabdenkmälern - liegt jeweils ein mehr oder weniger deformierter Verschluss einer Sekt- oder Champagner-Flasche. Hernández hat sie über mehrere Jahre hinweg jeweils am Neujahrsmorgen nach der Silvesternacht am Düssseldorfer Rheinufer gesammelt und als Artefakte zahlreicher menschlicher Begegnungen und guten Wünsche aus dieser besonderen Nacht archiviert.

Die drei Gruppen von Komplette Zimmer (Titel der Ausstellung) bestimmen das Kabinett im Obergeschoss zusammen mit einem Bronzeobjekt aus Elementen eines Thonet-Stuhls. Die Bilder zeigen Möbel-Ensembles aus einem Katalog der VEB Möbelwerkstätten Hellerau aus dem Jahr 1954, die nur als komplette Zimmer angeboten wurden. Sie sind mit Pigment Druck auf Leinwände übertragen. Die Original-Abbildungen sind extrem vertikal komprimiert zu einem schmalen Streifen zusammengepresst, die Möbel kaum noch identifizierbar, fast zu einer Linie werdend. Auf der Empore bilden rahmenartige Holzkonstruktionen, die ihre Referenz in der Anordnung von Schubladen- und Türen von Schranksystemen haben, behangen mit gefalteten und von Hernández mit Aquarellfarben bemalten Leinen- Tischdecken Assemblage-artige Malereien. Diese Aussteuer-Ware lagerte jahrzehntelang verborgen in privaten Haushalten, bevor sie nun, womöglich erstmals entfaltet, als Bildträger verwendet werden und Aquarellfarbe absorbieren. Der Kontrast zwischen den Zeitspuren der Lagerung dieser Tücher und der leichten und offenen Malerei stellt für Hernández eine Perspektive auf die Zukunft dar.

DIANGO HERNÁNDEZ Komplette Zimmer Capitain Petzel, Berlin 2. März - 13. April, 2013

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Komplette Zimmer