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Die Haut umschließt den menschlichen Körper und dient zunächst als begrenzender Schutz vor der Außenwelt, vor Kälte, Feuchtigkeit und Verletzungen. Neben ihrer Funktion als schützende, umfangende Hülle erlaubt die Haut gleichzeitig die Interaktion zwischen Individuum und Umwelt. Stellvertretend kann Kleidung – als zweite Haut – diese Schwellenfunktionen übernehmen, sie kann schützen und verhüllen oder kann als Schmuck Inneres nach außen transportieren und ein Ausdruck kultureller oder individueller Identität sein. Diese gleichsam symbiotische Beziehung von Haut, Kleidung und Außenwelt wird auch in der zeitgenössischen Kunst immer stärker thematisiert. Zunehmend werden dabei organische Rohstoffe und kreatürliches Material in den Werkprozess integriert. Es entstehen zeitgenössische „Naturkleider“ aus Blüten, Zweigen, Fischen und Haaren, die in ihrer Vergänglichkeit und Fragilität aber auch Gedanken an die Endlichkeit des Menschen hervorrufen. So wie die Naturmaterialien von Werden und Vergehen geprägt und bestimmt werden, ist auch der Mensch durch seinen Körper diesem Lebensrhythmus unterworfen. Sich in die „Kleider“ der Natur einzuhüllen, erscheint wie ein bewusstes Streben, sich in diesen natürlichen Kreislauf hineinzubegeben.

„Die Kleider müssen so zum Menschen passen,
wie der Mensch zur Landschaft passen muß.“
Li Liweng (1611–1680)

Die Ausstellung im Museum Sinclair-Haus untersucht und verbildlicht auf vielfältige Weise, was es bedeuten kann, sich eine fremde, „Zweite Haut“ überzustreifen – um sich damit von der Natur abzugrenzen und sich gleichermaßen mit ihr zu verbinden. Obwohl Kleidung eine künstlich geschaffene Hülle des Menschen ist, so wird sie doch als gleichsam zugehöriger Bestandteil des Körpers wahrgenommen. Sie ist als ständiger Begleiter des Menschen zu einem Symbol desselben geworden. Der physisch präsente Körper drückt seine einzigartige Form und Gestalt in der Kleidung ab – ist er abwesend, bleibt sie gleich einem Negativ zurück als Spur und Beweis seiner ehemaligen Präsenz.

Aber unsere Hüllen – sowohl die Haut als auch die Kleidung – können auch trügerisch sein: An diese „Deckmäntel“ erinnern auch verzauberte Figuren aus alten Märchen von den Gebrüdern Grimm wie der Froschkönig oder der in einen Bären verwandelte Prinz aus Schneeweißchen und Rosenrot. Unsere Oberfläche kann letztlich etwas ganz Anderes verbergen als das, was sie suggeriert. Dieses Wechselspiel zwischen Schein und Sein, das mit Haut und Kleidung gespielt wird, greifen auch die Künstlerinnen und Künstler in ihren Werken auf.