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Dierk Schmidt setzt sich seit Jahren in seinen malerischen und textuellen Arbeiten mit der kritischen Revision einer besonderen Möglichkeit der Malerei auseinander: der Möglichkeit, weit über das bloße Abbilden geschichtlicher Begebenheiten hinaus erneut mit einer erweiterten Definition des Historienbildes zu arbeiten.

Historienmalerei ist heute nicht ohne ein aufwändiges System der Selbstreflexion und der permanenten Überprüfung der aktuellen Bezüge des Historischen im Heute zu haben. Weit zurückliegender Ausgangspunkt für das hier gezeigte Malereiprojekt sind Beispiele aus der Blütezeit des Historienbilds in der französischen Malerei - jener Zeitspanne zwischen der Französischen Revolution und 1870, einer Zeitspanne, in der sich das Historienbild vom Repräsentationsbild zum Ereignisbild wandelte. Zwei für diese Epoche exemplarische Bilder, "Die Freiheit auf den Barrikaden" von Delacroix und "Das Floß der Medusa" von Gericault, die noch heute am selben Platz im Pariser Louvre hängen, bilden den malereigeschichtlichen Ansatz. Doch treten sie hier in eine hoch komplexe bildliche und inhaltliche Wechselbeziehung zu den Bildern eines viel weniger weit zurückliegenden Ereignisses: das Sinken eines mit 397 Flüchtlingen besetzten Bootes am 19. Oktober 2001 vor der australischen Küste, ein entsetzliches Ereignis, dessen tatsächliche Hintergründe für Schmidt nur mühsam als Internet-Puzzle zu recherchieren waren: Bis heute liegen keine offiziellen Stellungnahmen des australischen Staats vor, in denen das Ausmaß der aktiven oder passiven Verantwortung der Behörden klar würde, durch die die Flüchtlinge zu bloßem "menschlichem Material", zu Geiseln zwischen politischen und bürokratischen Systemen wurden.

Dierk Schmidts Malerei hat vor vielen Jahren ihren Ausgang in der semiotischen Analyse des gemalten Bildes als "Maschine" genommen. Heute ist seine Arbeit im Gegensatz zu den Historismen vieler Zeitgenossen eine der wenigen, die sich der Verantwortung ihrer geschichtlichen Bezugnahmen bewusst ist - die darüber hinaus zu Leidenschaftlichkeit, Solidaritöt und Humor in der Lage ist. Denn er versteht seine mitunter zum raumgreifend Installativen, aber auch zum Selbstreflektiven neigende Malerei nicht als "Allheilmittel" für die seit langem offenen Wunden der Repräsentation, sondern als Medium der Auseinandersetzung, der streitbaren Beteiligung, der Offenlegung historischer Interessen. Pressetext

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http://www.galerie-walbroel.de/dierk_s.htm
Dierk Schmidt - Geiseln