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"Ein Auge, in Streifen geschnitten, wird all dem gerecht." --Paul Celan

Seit dem Beginn der 90er Jahre hat Malerei wieder eine deutliche Präsenz in unserem visuellen Umfeld. In allen Poren des künstlerischen Geschehens tritt Malerei in vielfältiger Gestalt ein und besetzt extensiv ein Medium, das seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder in Erscheinung tritt: mal triumphal und bestimmend oder als gestrig und reaktionär denunziert. Heute wird nicht einer „Richtung“ oder einer Tendenz nachgespürt. Man erkennt eine extreme Individuation der malerischen Vorschläge, die sich aus vielen Quellen speist. Eine Rückbesinnung auf Formen des Surrealismus, die junge Künstler heute betreffen, eine komplexe Verarbeitung und Filtrierung aus der Flut der Medienangebote, aber auch eine sehr subjektive Auseinandersetzung mit der geometrischen Abstraktion. Der wiederholte monotone Bezug auf die Metamoderne als ständiges Widerkauen überholter theoretischer Positionen und Kategorien, die heute nicht mehr greifen, ist keine Hilfe für das Verständnis der Malerei heute. Eher die beeindruckende Breite und Masse der malerischen Angebote führt zu Überlegungen über Quantitätsdimensionen, die dem „Neuen“ und scheinbar anarchisch Daherkommenden entsprechen. Nämlich die Neugier eines Publikums, die die Malerei begeistert feiert und welche sich auch in vielen Sammlungen wieder findet. Der Anfang vieler Künstler dieser Generation beginnt oft mit der Auseinandersetzung mit Video worauf sich auch Filmarbeiten anschließen. Dimitris Tzamouranis kommt mit 23, 1990 nach der Kunsthochschule in Thessaloniki, nach Berlin an die HDK. Er beginnt immer intensiver, sich mit Video zu beschäftigen. Er geht 1999 für ein Jahr nach Istanbul mit einer Residency des Senats von Berlin. Dieses Jahr und die vielschichtigen Erfahrungen, die er in dieser faszinierenden – widersprüchlichen Stadt zwischen Orient und Okzident  macht, kulminieren in seinem Video „Die Flut“, 1999 (52 min). In Berlin zurückgekehrt, dreht er das Video „Selbstschnitt, ein Portrait von Wolfgang Harth“, 2001 (9 min), in dem ein Arzt an sich selbst eine Operation vornimmt. Parallel zu diesen Schlüsselarbeiten mit Video sucht Tzamouranis Analogien und Entsprechungen in malerischen Prozessen. So entstehen 2001 die ersten Bilder einer persönlichen, realistischen Bildsprache, der Beginn eines Weges, den wir bis heute verfolgen. Das Aufbrechen der anfänglich eher realistischen Sprache wird immer gelöster und Tzamouranis drängt neugierig bis ins Innere seiner Figuren, „Umarmung“, 2004.  Die Landschaften um sie werden immer vegetabiler, auch Anklänge von Jugendstilelementen sind wahrnehmbar. Sie vermischen sich mit unerwarteten Figuren, die sich immer entschiedener in einer inneren Rätselhaftigkeit bewegen. Mit den großen Kompositionen „Kinderspiel“ und „Das Haus“ erreicht Tzamouranis 2005 eine Sicherheit und Plastizität der Tektonik, in der Wirklichkeit und Traum ineinander übergehen. Tzamouranis Personen, die seine Bilder in verschiedenen Konstellationen bevölkern, kommen alle aus seinem unmittelbaren Umfeld. So entsteht eine spezifische Intimität zwischen dem Bild, das wir betrachten und der Bilderzählung, die uns durch ihn vermittelt wird. So zum Beispiel bei dem Bild „Dancers“, 2010, das sowohl ein Anklang vom letzten Abendmahl aber auch die zentrale Figur eines „Seibeki“-Tänzers in einer griechischen Taverna ist. Die Dichte und die Ausdruckskraft dieses Bildes resultiert auch von dieser extremen Ambivalenz. Das großformatige Panorama von vielen eng aneinanderliegenden Kindern „Die Nacht“, 2010 ist ein rätselhaftes nocturno, das uns seine tiefe poetische Ruhe durch eine in sich gehende Malweise vermittelt. Von diesen Bildern führt die zweite Fährte zum Portrait. Tzamouranis sucht das weibliche Antlitz zu entschlüsseln, von einem strengen, fast zeremoniellen Anfang, der statuarisch die Figur umschreibt, die dann in den letzten Jahren in einer erotisierenden Atmosphäre wahrgenommen wird. Eine liegende junge Frau, ein klassisches Thema der Kunstgeschichte, wird hier dynamisiert und durch eine vibrierende Sinnlichkeit kenntlich gemacht, „Soika“, 2009. Tzamouranis ist ein Wanderer durch die Kunst und die Kunstgeschichte, die er zum Kaleidoskop seiner eigenen Imagination reflektiert.      

Christos M. Joachimides

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Dimitris Tzamouranis - New Paintings