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Der 1465 erbaute Kehrwiederturm, seit 1980 Sitz des Kunstvereins, verdankt seinen Namen dem Standort an einer Kehre. Eine Legende erzählt hingegen die Geschichte einer Frau, die außerhalb der Stadtmauern ihren heimlichen Geliebten traf, welcher durch einen Blitzschlag starb. Geschockt und orientierungslos fand sie nur dank der Turmglocke ihren Weg zurück. Wegen dieser bis heute existierenden Glocke wurde der Turm in den 1820er Jahren nicht zusammen mit der restlichen mittelalterlichen Stadtbefestigung abgerissen: Sie nützte den Anwohnern und ihr Protest erwirkte, dass er erhalten blieb. Nur leicht beschädigt überstand er 1945 die Bombardierung Hildesheims. Seinem Namen gemäß kündet das Gebäude heute von zahlreichen Brüchen und Neuanfängen. Geschichte und Besonderheit des Turmes werden von Dirk Bell in assoziative Ketten verwoben und sind Material für die größtenteils erstmalig gezeigten Arbeiten, in denen der Neuanfang, das Wiederkehren, Wiederverwenden, der Aufstieg, Abstieg und das wartende Verharren durchgespielt werden. Bell arbeitet häufig mit Gefundenem, etwa indem er Bilder von anderen teilweise übermalt oder Weggeworfenes wie alte Türen und Bretter als Malgrund verwendet. Anstatt neue Dinge in die Welt zu setzen, wird das Alte zu einem Neuanfang gebracht. Der in seinen Arbeiten aufscheinenden Vergänglichkeit und Flüchtigkeit werden immer wieder Eingriffe, Weiterdenken und Weitersuchen entgegen gesetzt. So entstehen Szenarien zwischen Endzeitstimmung und nicht endender Hoffnung.

Der Ausstellungsbesuch im Turm erfolgt aufsteigend von Raum zu Raum, gefolgt von dem anschließenden Abstieg. Eines der quadratischen Durchgangsstockwerke enthält eine raumfüllende Wort- und Objektinstallation. Seit 2010 arbeitet Dirk Bell mit einer selbst entwickelten Schrift, basierend auf einer quadratischen Grundform. Worte tauchen in verschiedenen Formen in seinen Ausstellungen auf, häufig verschachtelt ineinander, mehrere Lesarten anbietend und Markierungen setzend, die sowohl ästhetisch als auch inhaltlich weitere Ebenen einziehen. Der Schriftzug „WARTEZIMMER“, der aufgrund der Anordnung der Buchstaben auch gelesen werden kann als „WARTEN IMMER“ oder „WARTE NIMMER“ wird in verschiedenen Formen und Materialien wiederholt. Das Warten als Zwischenzustand wird vergegenständlicht. Dabei kann es sowohl das Ende als auch den Neuanfang betreffen oder Selbstzweck sein als Verharren im Augenblick. Im obersten Stockwerk werden eine Reihe von Zeichnungen und eine Wandarbeit zu sehe n sein, welche an die Stelle des Abschlusses die Kreisbewegung von Anfang und Ende setzen.

Dirk Bell (*1969 in München) präsentierte seine Arbeiten in Einzelausstellungen u.a. in der Pinakothek der Moderne, München (2011), dem Schinkel Pavillon, Berlin (2009) und der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden (2009); er war an zahlreichen Gruppenausstellungen beteiligt, u.a. „Melanchotopia“, Witte de With, Rotterdam (2011), „Under One Umbrella“, Bergen Kunsthall, (2010) und „Pure Self Expression“, Kölnischer Kunstverein (2007). Bell studierte Freie Kunst an der HBK Braunschweig. Er lebt in Berlin.

Förderer Die Ausstellung wird gefördert durch das Land Niedersachsen, die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Sparkasse Hildesheim und die Stadt Hildesheim. Das Vermittlungsprogramm des Kunstvereins Hildesheim wird gefördert durch das Land Niedersachsen und die VGH-Stiftung. Vielen Dank an die Privatbrauerei Herrenhausen.

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Dirk Bell. Wiederkehrt

Künstler:
Dirk Bell

Kuratoren:
Kathrin Meyer