press release only in german

Die französische Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster (geboren 1965) ist dem Publikum bereits aus Gruppenausstellungen in der Kunsthalle Zürich bekannt. 2002 gehörte sie in der Ausstellung «No Ghost just a Shell» zu den Künstlerinnen und Künstlern, die der Manga-Figur Ann Lee multiple Persönlichkeiten verliehen; 2001 konnte man in «Ein Raum ist eine Welt» eine der Arbeiten sehen, mit denen sich die Künstlerin zuerst einen Namen gemacht hat, nämlich eines ihrer «Chambres». Diese Werke, die in atmosphärischen Raumgestaltungen Hommagen an Personen aus der Literatur, dem Film oder auch die Biographie der Künstlerin schaffen, sprechen wie alle ihre Projekte und Unternehmungen, vom Verhältnis des Individuums zu seiner „Umgebung“: Von den Prägungen, die diese bedeutet, aber auch den Erinnerungen, Projektionen und Träumen, die es damit verbindet. Seit den neunziger Jahren hat sich das Schaffen der Künstlerin weitgestreut manifestiert. Neben Filmprojekten, Fotografien, Raumensembles und zahlreichen Kollaborationen mit Künstlerkollegen wie Pierre Huyghe, Philippe Parreno, Liam Gillick, Rirkrit Tiravanija und Ange Leccia, entwickelt sie auch Szenographien für Konzerte (z.B. für den Auftritt des Chansonniers Christophe), baut ein Haus für einen Sammler in Tokio, verwandelt die Metro Station «Bonne Nouvelle» in Paris in eine filmische Wunschwelt oder entwirft Displaysituationen für die Verkaufsräume von Balenciaga in New York und Paris. Dominique Gonzalez-Foerster, die 2003 mit dem «Prix Marcel Duchamp» ausgezeichnet wurde und an der «Documenta» in Kassel 2002 mit ihrem Kulturen, ästhetische Codes und exotische Traumwelten hybridisierenden Park «Parc – plan d'évasion» begeistert hat, stellt sich nun in einer vier grosse Environements umfassenden Ausstellung in der Kunsthalle Zürich vor. Entsprechend ihres künstlerischen Vorgehens, sowohl Räume als auch die Erfahrung von Räumen durch zugleich intime wie visionäre Orte zu erweitern, als auch die Kollaboration als Erweiterung des eigenen Raumes zu verstehen, hat sie für die Ausstellung mit Peter Fischli und David Weiss zusammengearbeitet. Die beiden Künstler sind Ko-Kuratoren wie auch Kollaborateure des Buchs zur Ausstellung mit dem Titel «Alphavilles?». Darin sind auf zirka 200 Seiten Ansichten von Städten versammelt: Ein Kompendium von Acapulco bis Zürich, ein subjektives Fotoalbum und eine fiktive Traum- und Weltreise. «Alphavilles?» steht in engem Zusammenhang mit einem Werkkomplex, den die Künstlerin in den letzten Jahren unter der Thematik der «Tropicale Modernité» entwickelt hat. In einer Reihe von Filmen und Environements befasst sie sich mit den kulturell unterschiedlichen Erscheinungsformen der Moderne. Permanent auf Reisen, haben sich in Gonzalez-Foersters Arbeiten die Architekturen, Design, Stadt- und Parkanlagen, in denen die Moderne weltweit Spuren hinterlassen hat, zu einem hybriden Amalgam geformt, das an den beweglichen, prozesshaften, subjektiv aufladbaren Aspekten dieser Manifestationen interessiert ist, an den „tropischen“ Aspekten, die den Orten Potentialität verleihen. So wie die Künstlerin die Kunst als «Metabolismus des Realen versteht», ist auch in ihren Arbeiten die Erfahrung von Raum und Zeit „metabolisch“. Wir befinden uns in einem Prozess des ständigen Austauschs und Wandels, aber auch der „Erwärmung“ durch individuelle Erfahrungen, die sich in den Filmen und Fotografien der Künstlerin durch Fiktionen, Begehren, Wünschen und Träumen angesichts der Bildwelten von Mega-Grossstädten und Landschaften erfahren lässt. Copacabana, Rio de Janeiro, Acapulco, Mexiko City, Kyoto, Tokio, Hong Kong und auch Taipeh, Chandigarh und Istanbul sind Orte, die Dominique Gonzalez-Foerster bereist hat. Aber auch mentale Reisen liegen dem Schaffen der Künstlerin zugrunde, das ebenso stark Literatur (Joris-Karl Huysmans, Virginia Woolf, Paul Auster, Haruki Murakami, Adolfo Bioy Casares, Marguerite Duras, Paul Bowles, Raymond Roussel u.a.) wie Film (Rainer Werner Fassbinder, Tsia Ming-Liang, Takeshi Kitano, Alain Resnais, Chantal Akerman, Abbas Kiarostami, Michelangelo Antonioni u.v.a) als Bezugspunkte kennt und so ein Raum-Zeit-Fiktion-Realität-Kontinuum realisiert, das in einem permanenten Wechsel von Verortung und Entortung von Landschaften, Narrationen und Charakteren, Zwischenräume als offene Bereiche anbietet. Von den frühen «Chambres» an, die als eine Art „Theater ohne Schauspieler“ mit der suggerierten Anwesenheit von Personen, Erlebnissen oder Ereignissen operieren, bis zu den neueren Filmen, in denen man mit menschenentleerten Stadtansichten, mit abstrakt-atmosphärischen Lichtstimmungen und höchstens vage gezeichneten Personen die Szenerie erfährt, fungiert die Leerstelle „Mensch“ in den Arbeiten der Künstlerin als eigentlicher Ort der Suggestivkraft und Potentialität, den wir mit unseren eigenen Imaginationen füllen können. Statt eines gefassten und analysierbaren Universums begegnen uns in ihren Arbeiten immer multiple Universen aus Realitäten, Fiktionen und Imaginationen, die eine ebenso multiple Oberfläche der Welt als Versprechen kreieren. Die Ausstellung mit dem Titel «Multiverse» bietet genau eine solche Vielfältigkeit der Oberflächen. In vier Räumen spielt die Künstlerin mit Panorama- und Detailansicht, mit Annäherung und Entfernung, Deutlichkeit und Vermutung und der Aktivität des Sehens und der Position des Sehenden in dieser selbst – ein mehrgefaltetes Feld von Wahrnehmungsmöglichkeiten, das das Publikum von Raum zu Raum in einen je anderen Ort der Positionierung involviert. Angefangen bei «Multiverse» (2004), einem chaotisch erscheinenden Knäuel aus Aluminiumrohr, das den Titel nur mehr in den Zwischenräumen der silbernen Drahtschlaufen lesbar macht, über «Trous Noirs» (2004), dem Raum als schwarzes Loch, in dem nahe an der Unsichtbarkeit eine schwarze Form vor schwarzem Hintergrund dreidimensionale Raumwahrnehmung erzeugt, zum Environement «Insects», in dem Tapetenstreifen Segmente aus einer exotisch ornamentierten Welt aus dem weissen Kubus des Ausstellungsraumes herausschneiden und eine andere Raumoberfläche erschliessen,die sie mit dem Panzermuster der winzigen Insekten am Boden teilen; über die Filmprojektion «Atomic Parc» (2003/2004), gedreht in White Sands, einem Wüstenabschnitt im Westen Amerikas, in dessen Bild des jungfräulich weißen Sandes sich das Wissen um die militärische Nutzung, die dort angesiedelte Nuklear- und Weltraumforschung, bedrohlich mischt, bis zur Arbeit «Petite» (2001), in der das Betrachtetwerden beim Betrachten, die Ausstellungserfahrung per se, durch die Arbeit selbst repräsentiert wird: In einem modernistisch konstruierten Zimmer sitzt ein Mädchen, dessen Wahrnehmungen als Film projiziert sind. Der Raum von «Petite» ist nicht betretbar, wir sind in ein nicht aufzulösendes Wechselspiel von Innen und Aussen, Beobachtung und Introspektion, Realität und Fiktion verwoben.