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Die neuen Arbeiten von Krüger und Pardeller verweisen in vielschichtiger Weise auf die Beschäftigung von Architektur mit Natur. Vegetation wird zu einem 'Material', das dekontextualisiert und in verfremdeter Weise in der Architektur eingesetzt wird. Ihre Arbeiten changieren zwischen Künstlichkeit und Natürlichkeit, zwischen skulpturalem Objekt und benutzbarem Mobiliar, doch letzlich ist es der Kontext der den entscheidenden Hinweis auf die Definition ihrer Arbeit liefert: die Objekte werden in Kunstgalerien gezeigt und somit wird klar wie Krüger und Pardeller im großen Feld der Kreativszene zu positionieren sind.

Raum 01 Eingebettet in das Ensemble einer raumgreifenden Installation, befinden sich mehrere Möbelobjekte. Die Einzelelemente sind angesiedelt an der Grenze zwischen funktionalem Design und skulpturalem Objekt. Auf den ersten Blick verweisen die Objekte auf die strenge Formensprache der Moderne, doch die Struktur wird unterbrochen durch Pflanzen, die in die Möbel integriert sind. Natur ist heute meist nicht mehr etwas Gegebenes, sondern etwas Gemachtes. In einer Vielzahl von Projekten der letzten Jahre wird 'Natur' gleichermaßen als künstliches wie künstlerisches Element verstanden.1 So werden in der installativen Arbeit von Krüger und Pardeller die ursprünglich natürlichen Pflanzen durch künstliche ersetzt. Natur und Architektur bzw. Natürlichkeit und Gemachtheit stehen einander nicht mehr länger dialektisch gegenüber, sondern es kommt zu einer gegenseitigen Durchdringung und Verschmelzung, ja sogar zu einer Umkehr der Zuordnungen. Die Pflanzen sind aus Kunststoff, während die konstruktiven, technischen Elemente aus dem Naturmaterial Holz gefertigt sind. Diese bewußte Artikulation von Nichtauthenzität geht über ein postmodern-ironisches Spiel mit Imitation und Fälschung hinaus. Es kommt zu einer Fusion von Natur und Künstlichkeit.2 Der architektonische Raum entsteht gleichermaßen aus pflanzlichen Elementen wie klassischen architektonischen Mitteln. Die Künstlichkeit und Reproduzierbarkeit ermöglichen es unter anderem, daß Natur und Vegetation - ursprünglich an den Erdboden gebunden - sich von der Vorstellung vom Boden lösen und auch als vertikale konstituierende Elemente eingesetzt werden können.3 Durch die Verwendung von Plastikpflanzen wird der skulpturale Charakter der Objekte betont. Ihre Funktionalität tritt in den Hintergrund oder verschwindet ganz.

Raum 02 Während der erste Raum noch scheinbares Interieur zeigt und durch das edle Holz der Objekte der Möbelcharakter betont wird, ist der zweite Raum wesentlich kühler und verweist auf das Flair eines urbanen Außenraumes. Ein Sitzobjekt erinnert an eine runde Bank, wie man sie des öfteren in Fußgängerzonen findet. Doch an statt des gewohnten, in die Mitte gepflanzten Baumes, bleibt hier eine Leerstelle. Es ist lediglich die Idee oder Übersetzung solcher Stadtmöblierungen, die häufig Natur integrieren. Begrenzt wird dieser fiktive Außenraum von zwei Fassaden artigen Wandverkleidungen. Die eine zeigt ein immer wiederkehrendes Motiv einer Pflanze. Das Muster spielt an auf das florale Ornament, wie es schon seit langem Eingang in Architektur gefunden hat. Zugleich lebt diese Pflanze aber auch häufig in Mauerritzen und bewächst altes Mauerwerk. Geht es also auch um eine Rückeroberung von Architektur durch Natur, oder doch nur um den ästhetischen Charakter des Pflanzenmotivs, wie er auch beispielsweise in der modernen Ornamentik von Herzog & de Meuron beim Ricola Gebäude in Mulhouse eingesetzt wird? Die zweite Wand zeigt das wiederkehrende Bild Beton artiger Fassadenstrukturen und läßt sich schließlich als Ausschnitt aus le Corbusiers "Turm der Schatten" entschlüsseln, dessen Foto im ersten Raum zu finden ist. Der "Turm der Schatten" war 1965 als Versuchobjekt gebaut worden um den Lichteinfall bzw. die Abschattung unterschiedlicher Fassadenstrukturen während des gesamten Tagesverlaufs zu beobachten um letzlich die ideale Fassade für ein geplantes Gebäude in Chandigarh zu finden. Es ist ein eigentümliches Objekt, das viel von der idealisierenden Haltung le Cobusiers widerspiegelt, der das Gebäude als atmenden Organismus im stetigen Austauschprozess mit der Umwelt verstand. Es steht noch heute und das Spiel von Licht und Schatten wiederholt sich seither, obwohl auch dieser Bau bereits erodiert und von Gras und kleinen Bäumen bewachsen wird.

1, 2, 3: Philipp Oswalt: Implantationen / Natur in zeitgenössischer Architektur; erschienen in: Arch+ 142 / Aachen / 1998 & Politische Ökologie Nr. 71 / München / Neuhausen / 2001

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Doris Krüger & Walter Pardeller