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Eröffnung: Dienstag, 17. März 2009, 19 Uhr

Nur ein dünner, immer weniger greifbarer Faden unterscheidet das Reale vom Irrealen, trennt sie und markiert Homi K. Bhabhas „zwischenräumlichen Übergang“, der die Identität, das kulturelle Selbstbild als Wirkung der Differenz hervorbringt. Imaginäres und Reales, Medien und ihre Inhalte verschwimmen, das Realitätsprinzip selbst unterliegt Fiktionalisierungs- und Medialisierungsprozessen. So auch die Dokufabel des Kulturtheoretikers Norman Klein, die das Narrativ für die filmische Installation „Aporia“ von Dorit Margreiter bildet.

Der Ausstellungsbesucher/die Ausstellungsbesucherin findet sich in einer bühnengleichen Kartographie wieder, deren Koordinaten durch die „Versatzstücke einer möglichen Ausstellung“ und der Installation „Aporia“ gesetzt sind. Dominiert wird dieses visuelle Setting von einer weiblichen Stimme aus dem Off, die scheinbar im Namen des Autors spricht. Als eine akusmatische Stimme im Sinne Michel Chions entzieht sie sich jeglicher Inkarnation, im Gegensatz zur visuellen Identifikation und streift umher - ohne Ort, an dem sie sich festmachen ließe. In diesem Sinne wird die akustisch verstärkte Tonspur im Raum eindrücklich als Extension des Körpers erfahren, die sich einer „Landnahme“ gleich ausbreitet. Die Wahrnehmung des Rezipienten/der Rezipientin muss sich so immer wieder auf die Amplifikation der akustischen Reize einstellen und im Verhältnis zu den Objekten justieren. In dem einem Fensterblick vergleichbar an die Wand projizierten filmischen Kommentar lässt Margreiter einen gemächlichen Bildfluss von Dokuaufnahmen der Kopien städtebaulicher Ikonen, wie das The Venetian oder das Luxor in Las Vegas vorüberziehen, unterbrochen von kurzen Filmsequenzen eines fiktiven Aufnahmestudios und unterlegt von mehrere Minuten dauernden Schwarzbildern.

Auf einer Schnittlinie zwischen Fixation und Bewegung, zwischen Stehenbleiben und Reisen verortet, vermischen sich die fiktiven Erzählstränge der Dokufabel über eine gegenwärtige Kultur im Zeitalter ihrer Reproduzierbarkeit, mit denen der subjektiven Erzählung und bilden so eine poetische, akustische und visuelle Beschreibung über Repräsentation von historischen Orten und der Fiktionalisierung von Geschichte. Die in den filmischen Sequenzen in Szene gesetzten sechs ProtagonistInnen stellen dialogisch eine gestische Ebene der Erzählung dar, die ihrerseits ein lebendiges Gedächtnis konstituiert und dieses, im Verhältnis von Subjekt, Text und Raum, als genuin ästhetische Kategorie ausweist ohne auf Abschließung zu zielen.

Für den Besucher/die Besucherin wird das von Margreiter inszenierte audiovisuelle Setting zu einem raumgreifenden Spiel der Komplizierung von Stimme und Bild, von Versprechen und Bezeugen. „Everything I tell you.....will be a lie“ leitet die Erzählerin die Geschichte ein. Mit diesen Worten werden immer wieder die erzeugten visuellen Eindrücke erschüttert und somit eine Dialektik des Sehens und neu Erfindens von Erzählung evoziert. Der Erzähler, der alles gesehen und erfahren hat, mit seinen Rekonstruktionen und all den Erinnerungsmaterialien, die auch die Betrachterin/der Betrachter sieht. Und dennoch wiederholt die Stimme aus dem Off, dass alles erfunden sei, worauf sie wieder zu erzählen beginnt, um zu beweisen, dass nichts erfunden ist. Margreiter geht noch einen Schritt weiter und erlaubt der Tonspur im Sinne einer „Pornographie der Stimme“ als „voice out“ ihre körperliche Abstoßung zu inszenieren, sich als „voice in“ in einer visuellen Doppelgängerin abzuzeichnen, um sich als „voice through“ von den Körpern und Mündern wieder abzulösen. Abgelöst von körperlichen Wesenheiten, in denen sie sich zu realisieren hat, zirkuliert sie als freies Objekt im Raum.

Die montierten schwarzen Sequenzen dienen dabei als Metapher der Abkoppelung der Stimme vom Visuellen; es scheint, als ginge es darum, das utopische Versprechen der Erzählung an die ikonoklastische Bedingung seines akusmatischen Entzugs zu binden.

Dieser Bruch mit traditionellen filmischen Erzählweisen zum einen, aber auch die Verbindung von Fiktion und Dokumentation zum anderen ziehen sich durch Margreiters Arbeit und spiegeln ihr Interesse wider, Prozesse des Filmemachens miteinzubeziehen und transparent zu machen. Darauf verweisen auch die im Raum platzierten „Versatzstücke einer möglichen Ausstellung“ sowie eine schwarz/weiß Fotografie, die den inszenierten Blick darauf richtet.

Von der Dekonstruktion des Bildes über die Analyse poetischer Sprachstrukturen führt diese Verfahrensweise zu einer neuen performativen Qualität von Metaphorik, die sich im Bereich nichtmimetischer Gesten entfaltet, eindrücklich darauf verweisend, dass die Welt nicht das Double ihrer Fiktion ist, sondern ihre Wirkung. Denn The Venetian, The Grove oder zahlreiche Shopping Malls nicht mehr von ArchitektInnen und StädteplanerInnen geplant und entworfen, sondern von den DrehbuchautorInnen der globalen Filmindustrie. In der Rolle von StatistInnen einer machtvollen Inszenierung finden wir uns hier als BesucherInnen und EinwohnerInnen wieder. Text: Felicitas Thun-Hohenstein

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Dorit Margreiter