press release only in german

Im Jahr 1996 fand im Kunstmuseum Wolfsburg die vielbeachtete Ausstellung Full House: Young British Art statt, die erstmals in Deutschland eine Reihe von jungen britischen Künstler präsentierte, lange bevor "YBA" zum begehrten Label auf dem Kunstmarkt wurde. Douglas Gordon war in dieser Ausstellung mit der Arbeit Hysterical (1995) vertreten. Kurz darauf erwarb das Kunstmuseum für seine noch junge Sammlung die legendäre Videoarbeit 24 Hour Psycho. In der Ausstellungspolitik des Kunstmuseum Wolfsburg spielen Einzelausstellungen von Künstlern der Sammlung eine prominente Rolle und es bestand seit langem der Wunsch, auch Douglas Gordon im Haus eine ausführliche monographische Schau zu widmen. Douglas Gordon zählt zu den renommiertesten Künstlern seiner Generation. Nach Beteiligung an der Biennale in Lyon (1995/96) erhielt er 1996 den Preis des Kunstvereins Hannover sowie den britischen Turner-Preis. Der Auszeichnung mit dem Premio 2000 auf der Biennale Venedig (1997) folgte die Verleihung des vom Guggenheim Museum in New York vergebenen Hugo Boss Preises.

Das Ausstellungskonzept für das Kunstmuseum entstand in intensivem Dialog mit dem Künstler. Die Inszenierung der Werke sollte dem Charakter des Œuvres Rechnung tragen und die multimediale Arbeitsweise des Künstlers reflektieren. Die große Ausstellungshalle des Museums wurde in eine riesige Black Box verwandelt, in welcher die Videoinstallationen, Fotografien, Textarbeiten und Monitorarbeiten miteinander interagieren. Abgesehen von zwei separaten Räumen ist die Halle leer bis auf die semitransparenten Leinwände, auf denen die Videoprojektionen verschiedener Arbeiten zu sehen sind. Diese sind so im Raum verteilt, dass der Betrachter den Eindruck einer Gesamtschau erhält. Es entstehen vielschichtige Inszenierungen aus Film, Text, Sprache und Raum, die sich mit den physischen und psychischen Bedingungen von Zeit und Kommunikation für den Einzelnen im Spiegelbild von Gut und Böse, von sich selbst und dem Anderen auseinander setzen.

Erinnerung, Verlust und Wiederentdecken bilden die thematischen Fixpunkte der Arbeit von Douglas Gordon. Es sind vor allem seine Filmprojekte, die Douglas Gordon bekannt gemacht haben. Zumeist verwendet er vorgefundenes Filmmaterial, sog. „found footage“, das er durch unterschiedliche, minimale Eingriffe bearbeitet. Das gleichermaßen kühl konzipierte wie stark emotionalisierende Werk von Douglas Gordon (geboren 1966 in Glasgow, lebt in New York) wird im Kunstmuseum durch 11 Videoinstallationen, 3 Textinstallationen und ca. 100 Fotografien vorgestellt.

Die im Kunstmuseum präsentierten Arbeiten stammen aus den Jahren 1993 bis 2007. Die Fotoarbeit Hitchhiker (Coming or Going), 2007, ist speziell für die Ausstellung in Wolfsburg entstanden und bezieht sich auf Psycho Hitchhiker aus dem Jahr 1993. Der Künstler selbst steht an einer mehrspurigen, vielbefahrenen Straße unweit des Kunstmuseums. Im Trenchcoat, jedoch ohne Hemd, hält er wie ein Anhalter ein Schild in Richtung der vorbeifahrenden Autos. Statt eines Stadtnamens, so wie man es aus vergleichbaren Situationen kennt, steht auf dem Schild stattdessen "PSYCHO" und verleiht der Szenerie so eine düstere, bedrohliche Note. Exemplarisch für die Auseinandersetzung des Künstlers mit Filmklassikern steht seine erste Videoinstallation 24 Hour Psycho aus der Sammlung des Kunstmuseums. Für die 1993 entstandene Arbeit verringerte Gordon die Geschwindigkeit des Hitchcock-Thrillers "Psycho" auf die Projektion von zwei Bildern pro Sekunde, so dass sich die Länge des Films über 24 Stunden erstreckt. Zudem entfernte er den Soundtrack des Originals. Durch das Fehlen des Tons und die zeitliche Dehnung des Ablaufes tritt die Spannungskurve zugunsten der Einzelbilder in den Hintergrund. Details des Bildinhaltes, die in der schnellen Abfolge des Originals unbemerkt blieben, bekommen eine neue Bedeutung. Das Konzept der Arbeit Feature Film, ebenfalls aus der Sammlung des Kunstmuseums, basiert auf der für Alfred Hitchcocks Film "Vertigo" entstandenen Filmmusik und damit auf der Erkenntnis, dass ein erheblicher Teil der Wirkung, die die Filme Hitchcocks entfalten, auf der Musik beruht. Man kann gar behaupten, dass der Filmmusik in diesen Filmen eine tragende Rolle zukommt, auch wenn man sich dessen zunächst nicht bewusst ist und es dazu erst der Arbeit von Douglas Gordon bedarf. Bernard Herrmann hat zu Hitchcocks Klassiker eine besonders prägnante Filmmusik geschrieben, mit der er ein akustisches Äquivalent zu der von Obsessionen und Phobien geprägten Filmhandlung schuf. Douglas Gordon entschied sich, für dieses, sein erstes Filmprojekt, die Musik von den Filmbildern zu trennen und ihr eine genuine Bildwelt zukommen zu lassen. Er bat James Conlon, Generalmusikdirektor der Stadt Köln (1991–2002) und Chefdirigent der Opéra National de Paris (1996–2004), Bernard Herrmanns Filmmusik zu "Vertigo" mit dem 98-köpfigen Ensemble der Pariser Oper zu intonieren. Das sichtbare Medium der Filmmusik bleibt der Dirigent. Ihn macht Douglas Gordon zum Vermittler zwischen dem Spielfilm Hitchcocks und seinem eigenen.

Aus den letzten Jahren findet sich die 21 Minuten lange Videoarbeit Play Dead; Real Time (2003) in der Ausstellung, die wie der Titel bereits ankündigt, in Echtzeit gezeigt wird. Gordon ließ für Play Dead in den Räumen der New Yorker Gagosian Gallery, die für die Dreharbeiten komplett leer geräumt worden war, einen dressierten Elefanten die Tötung eines Elefanten nachstellen, der 1903 drei Menschen getötet hatte und dessen Tod durch Stromstöße in Coney Island von der Edison Manufacturing Company gefilmt wurde. Aufbauend auf dem historischen Filmmaterial hat Gordon diesen Vorfall in dem komplett artifiziellen Galeriekontext nachinszeniert. Auf zwei hängenden Leinwänden und einem Monitor umkreisen die Bilder die umgedrehte Bewegungsabfolge des Elefantentodes und transformieren so den gesamten Raum zur Skulptur in Bewegung.

Die Ausstellung ist eine Koproduktion der Scottish National Gallery of Modern Art, Edinburgh und dem Kunstmuseum Wolfsburg.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem Vorwort von Markus Brüderlin, Essays von Keith Hartley, Holger Broeker, Michael Fried, Jaroslav Andel und Ian Rankin.

only in german

Douglas Gordon
Between Darkness and Light