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Oberes Belvedere
21. Oktober 2021 bis 30. Jänner 2022

DÜRERZEIT - ÖSTERREICH AM TOR ZUR RENAISSANCE

Ab dem Jahr 1500 begann die Renaissance zunehmend die spätgotische Tradition zu überlagern. Auch auf dem Gebiet des heutigen Österreich entstanden in der sogenannten Dürerzeit bedeutende Werke - neben jenen von Albrecht Dürer auch von Künstlern wie Lucas Cranach d. Ä. oder Albrecht Altdorfer. Sie zeugen vom Aufkeimen eines neuen künstlerischen Selbstverständnisses und verdeutlichen, wie erstaunlich international die österreichische Kunstszene zu jener Zeit war. Anlässlich des 550. Geburtstags Albrecht Dürers widmet das Belvedere diesem wenig beleuchteten Kapitel österreichischer Kunstgeschichte eine erste umfassende Ausstellung.

Generaldirektorin Stella Rollig: „Wie richtungsweisend die Epoche der Dürerzeit war, zeigen wir in dieser Ausstellung: Neue Genres in der Kunst, repräsentiert durch farbgewaltige Landschaften bis zu selbstbewussten Porträts, zeugen von einem Umbruch, der den Weg in die Moderne bis hin zu unserem heutigen Kunstverständnis erst ermöglicht hat.“

Vor 550 Jahren, am 21. Mai 1471, wurde Albrecht Dürer in Nürnberg geboren. Bis heute steht er in der Kunstgeschichte für den Aufbruch zu einer neuen künstlerischen Haltung und einer veränderten Auffassung von Kunst – ihrer Funktion, ihren Darstellungsformen. Europaweit nahmen sich Künstler Dürers druckgrafisches Schaffen zum Vorbild. Auch die
gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche rund um die Wende zum 16. Jahrhundert schlugen sich im europäischen Kunstschaffen nieder. Auch auf dem Gebiet des heutigen Österreichs war diese Dämmerung spürbar. So suchte sich die Kunst, die zu jener Zeit hier entstand, ihren Platz zwischen Reminiszenzen der ausklingenden Gotik und den Errungenschaften der italienischen Renaissancekunst.

Björn Blauensteiner, Kurator der Ausstellung: „In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts begann sich die Kunst auch in Österreich mehr und mehr von den Funktionen zu befreien, die ihr im Mittelalter zugedacht waren. Durch Vorbilder wie Albrecht Dürer gelangten die Künstler zu einem veränderten Selbstverständnis: Sie begannen zunehmend ihre Werke zu signieren, und es entstand das Genre des Kabinettbildes, bei dem die ästhetische Wirkung im Vordergrund steht – eine zukunftsweisende Entwicklung!“

Nach und nach wandelte sich in jener Zeit die Rolle der Kunstschaffenden vom talentierten Handwerker zum Künstler im modernen Sinn. Sie bedienten sich mathematischer Perspektivkonstruktionen und minutiöser Naturschilderungen, psychologisierende Bildnisse und Selbstporträts belebten das Genre der Porträtkunst. Die grundlegenden Veränderungen

gesellschaftlicher Strukturen machten es möglich, dass sich nach und nach auch Bürger, Handelsleute oder deren Frauen porträtieren lassen konnten. Diese wünschten keine verklärten Abbilder, sondern wirklichkeitsgetreue Wiedergabe.

Die Ausstellung wagt nun erstmals einen umfassenden Überblick über die Gesamtheit der Kunst jener Zeit, die über die Präsentation von Teilaspekten wie der sogenannten „Donauschule“ oder der maximilianischen Hofkunst hinausgeht.

Dabei wird auch die überraschend internationale Ausrichtung der Kunst „made in Austria“ erkennbar: Namhafte Meister aus den verschiedensten Teilen Europas waren in der Dürerzeit in Österreich tätig – etwa Jan van Scorel und Jan Vermeyen aus Holland, Albrecht Dürer, Lucas Cranach, Albrecht Altdorfer und Jörg Breu aus Süddeutschland oder Ambrogio de Predis aus Italien. Sie brachten neuen Anregungen ins Land, die wiederum die lokalen Werkstätten inspirierten; die Orte der Kunstproduktion wandelten sich allmählich von mittelalterlichen Handwerksbetrieben zu neuzeitlichen Künstlerateliers.

Die Ausstellung präsentiert zur Dürerzeit in Österreich geschaffene Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Druckgrafiken und Medaillen nach charakteristischen Aspekten gegliedert: Nach einem einleitenden Überblick im ersten Raum werden in den folgenden Räumen mit der Natur,

Landschaft und Expressivität jene Themenbereiche beleuchtet, die traditionell mit der sogenannten Donauschule assoziiert werden – wobei die Exponate verdeutlichen, dass diese Phänomene keineswegs auf den Donauraum beschränkt waren. Eine eigene Sektion ist der Rezeption Dürers in Österreich gewidmet, hier werden auch die vor Kurzem im Stephansdom freigelegten Wandmalereien aus dem Dürer-Umkreis mittels einer Projektion mit jenem Epitaph wiedervereinigt, das sie einst schmückten. Die nächsten beiden Räume thematisieren die Porträtkunst und die Antikenrezeption, abschließend wird auf die Aspekte des Bildraumes und der Perspektive eingegangen.

Im Kern der Ausstellung stehen die Sammlungsbestände des Belvedere aus dem frühen 16. Jahrhundert. Hauptwerke von Lucas Cranach d. Ä., Michael Pacher, Marx Reichlich, Urban Görtschacher oder dem Meister IP wurden einer wissenschaftlichen und restoratorischen Bearbeitung unterzogen und werden nun in neuem Licht präsentiert. Hierzu gehört u. a. ein Altarensemble mit gewölbten Seitenflügeln, das erstmals wieder in seiner ursprünglichen Zusammenstellung zu bewundern ist und zudem aufwendig restauriert wurde. Daneben werden eine Vielzahl von Leihgaben aus nationalen und internationalen Institutionen sowie Privatsammlungen gezeigt, darunter Meisterwerke von Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer, Jörg Breu, Ambrogio de Predis und Wolfgang Huber.

KÜNSTLERLISTE
Albrecht Altdorfer (um 1480/85 – 1538)
Christoph Amberger (um 1505 – 1561/62)
Jörg Breu (um 1475/80 – 1537)
Lucas Cranach der Ältere (1472 – 1553)
Paul Dax (1503 – 61)
Albrecht Dürer (1471 – 1528)
Rueland Frueauf der Jüngere (um 1470 – nach 1545)
Stephan Godl (um 1480 – 1534)
Urban Görtschacher (um 1495 – 1530)
Wolfgang Huber (um 1480/90 – 1553)
Jörg Kölderer (1465/70 – vor 1540)
Andreas Lackner (um 1490 – 1545)
Leonhard Magt (vor 1508 – 1532)
Hans Maler (1480/88 – 1526/29)
Konrad Osterer (tätig um 1532/43)
Ludwig Neufahrer (um 1500/05 – 1563)
Michael Pacher (um 1435 – 1498)
Ambrogio de Predis (um 1455 – nach 1508)
Marx Reichlich (um 1460 – 1520)
Hans Schäufelin (um 1480/85 – 1539/40)
Jakob Seisenegger (um 1505 – 1567)
Nikolaus (gest. 1517) und Gregor Türing (um 1475 – 1543)
Ulrich Ursentaler der Ältere (um 1482 – vor 28. Februar 1562)