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Mit KISMET zeigt TANAS eine umfassende Einzelausstellung der Künstlerin Ebru Özseçen in Berlin. Ihre Werke haben ihren Ursprung in der Auseinandersetzung mit Architektur und Bildender Kunst. Dabei konzentriert sich Özseçen auf verschiedene Aspekte des psychologischen und soziologischen Verhältnisses von Körpern, Objekten und Raum. Aktuell bilden das Dinghafte und die Frage nach der Form den Fokus ihres Schaffens. TANAS präsentiert das breite mediale Spektrum, in welchem sich Özseçens Praxis bewegt: von Rauminstallationen und Fotografie, über Skulptur bis hin zu Videoarbeiten.

Im Zentrum steht die neue Arbeit KISMET, die namensgebend für die Ausstellung ist. Das türkische Wort Kismet stammt aus dem 17. Jahrhundert und bedeutet Fügung. Es war ein zufälliger Fund in einem Amsterdamer Antiquitätenladen, der ausschlaggebend für die neue Arbeit Ebru Özseçens war. Sie fand eine Elfenbeinkugel, in deren Gehäuse nach der Erzählung des Antiquars ein kleines Etui mit von Namenskürzeln beschrifteten Bohnen enthalten gewesen war. Dies war das Liebesspielzeug einer französischen Comtesse. Durch das Ziehen einer Bohne pflegte sie per Zufallsprinzip ihren Liebhaber für die nächste Nacht auszuwählen. Ebru Özseçen geht es in ihrer neuen Arbeit um eine skulpturale Übersetzung dieses Objet trouvés in die Gegenwart. Indem sie einen kegelförmigen Rumpf aus Bullenhodenleder und darüber eine aus Ebenholz angefertigte Kugel montiert, vereint sie die Gegensätze von Männlichkeit und Weiblichkeit. Ummantelt wird dieses Ensemble durch ein in Nymphenburg aufwendig produziertes weißes Porzellan, das wie ein Etui das Objekt umkapselt. KISMET verkörpert nicht nur die Faszination Özseçens an unterschiedlichen Materialien und der Strahlkraft des Fetisches, sondern ebenfalls am Reichtum des eingespeicherten Wissens langer Handwerkstraditionen wie der Ledergerberei, das Holzdrechseln oder der Porzellanmanufaktur.

In Arbeiten wie Bitter Chocolate Love oder Baby Lakritz beschäftigt sich die Künstlerin ebenfalls mit der Anziehungskraft ungewöhnlicher Formen im handwerklichen Herstellungsprozess. Sie nimmt mit ihrer Kamera die Produktion in Zeitlupe auf. In der Videoarbeit Bitter Chocolate Love beobachtet sie die ritualisierten Bewegungsabläufe eines Konditors beim Filtern von dickflüssiger schwarzer Schokolade durch einen Seidenstrumpf und wie dieser immer wieder neue Figuren entstehen lässt. Bei Baby Lakritz filmt sie das meditative und nahezu emotionale Gestalten bei der Herstellung von Lakritz, das dadurch wie ein Lebewesen erscheint. Für ihre schwebende Installation Corset ging Ebru Özseçen in eine Prothesenklinik in München. Im Gegensatz zu früheren skulpturalen Arbeiten, bei denen sie die Form von Körperteilen in abstrahierter Form aufgriff, zeigt sie hier nun in unmittelbarer Härte, wie ihr eigener Körper - er diente als Abdruck für die Prothesenformen - von diesem Handwerk ermächtigt wird. Auch bei diesen Arbeiten begibt sich Ebru Özseçen auf die Spur der Dinge und wie diese im Entstehungsprozess verschiedene Zustände und Zeitverläufe durchlaufen. Mit ihrer Ausstellung umkreist sie dabei die Thingness, die Dinghaftigkeit der Gegenstände, um ihre Formenfindung in ihr subjektives, visuelles Archiv zu integrieren.

Ebru Özseçen wurde 1971 in Izmir (Türkei) geboren. 1994 schloss sie ihr Studium an der Ankara Bilkent Universität im Fachbereich Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsplanung ab und erhielt 1996 den Magister in den Fachbereichen Bildende Kunst und Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften an der gleichen Universität. Von 1997 bis 1998 studierte sie an der Rijksakademie Amsterdam, 1998 in der Medienwerkstatt in Wien, 1999 am Suomenlinna Nordic Institute For Contemporary Art in Helsinki und 2003 am Recollets Institute in Paris.

Ebru Özseçen hat an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen. Ihre Einzelausstellung fand 2000 im Coimbra Science and Technology Museum statt. Gruppenausstellungen waren u.a.: Biennale Turin (1997); Kunsthalle Friedericianum Kassel (2000 und 2003); Limerick Biennial (2000); Kunstzentrum Tirol, Kestner Museum Hannover, The Pusan Biennial, Metropolitan Museum und Istanbul Ataturk Cultural Center (2000); Rotterdam Dutch Architecture Institute, De Appel Foundation Amsterdam und Tate Modern, London (2001); Barcelona Triennial und Whistable Biennial (2001); São Paulo Biennial (2002); Garantie Platform, Istanbul (2003); Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig (2005); ZKM / Zentrum für Kunst- und Medientechnologie Karlsruhe (2006), Santrallstanbul (2007); Minnesota Midway Contemporary Art (2008); Neues Museum Nürnberg, Museum Weserburg Bremen (2009); Starter, ARTER, Istanbul (2010).

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Ebru Özsecen
KISMET
Kurator: Christine Nippe