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Eröffnung: Donnerstag, 2. Februar 2012, 19 Uhr

Die Galerie Parrotta Contemporary Art freut sich, die zwei Einzelausstellungen „New York City – Ghosts and Flowers“ von Edgar Leciejewski und „The American Series I – XII“ von Oskar Schmidt zu präsentieren. Beide Ausstellungen beleuchten sehr aktuelle Themen unserer gesellschaftlichen Verfasstheit: Edgar Leciejewski verweist mit seinen Bildern auf Phänomene einer sich permanenten Grenzverschiebung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Oskar Schmidt beschäftigt sich vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise mit Fotografien von Walker Evans. Jene stehen emblematisch für das Elend der Landbevölkerung während der Großen Depression in Amerika der 1930er Jahre. Edgar Leciejewskis neue Arbeit besteht aus einer Serie großformatiger Bilder mit geisterhaft erscheinenden Passanten in den Straßen New Yorks – blow-ups des Internetdienstes „Google Street View“. Während eines Aufenthalts in New York wählte der Künstler mit diesem Verfahren gerade jenes Distanz in Nähe verwandelnde Medium, das die eigenen Nähe zu seinem Gegenstand wieder in eine fotografische Distanz zurück verwandelt. Die Kamerawagen von Google schwärmen an sonnigen Tagen zu Zeiten aus, zu denen die Straßen möglichst menschenleer sein sollen. Wenn doch mal jemand ins Foto läuft, macht eine Bilderkennungssoftware das Gesicht automatisch unscharf. Gerade jene so anonymisiert geglaubten Personen, die bei „Google Street View“ Störfaktoren sind, werden zu den eigentlichen ProtagonistInnen der Bilder von Leciejewski. Die Menschen wissen nicht, dass ein ständig im Internet abrufbares Bild sie festhält. Und sie wissen auch nicht, dass Leciejewski sie in monumentalen Kunstwerken in Szene setzt. Mit den unscharfen Gesichtern sind ihre Persönlichkeitsrechte zwar gewahrt, sie selbst und ebenso ihre Bekannten erkennen sie dennoch ohne Zweifel auf diesen Bildern wieder. Der Google-Algorithmus richtet sich nach den Häusern, nicht nach den Menschen, die, wie Adriano Sack folgerichtig bemerkt, in den Bildern zu "homme trouvés" werden. Ihr Erscheinen auf „Google Street View“ ist zufällig, ihr Erscheinen in der Arbeit Leciejewskis dagegen Produkt einer präzisen künstlerischen Auswahl.

Oskar Schmidt zeigt unter dem Titel „The American Series I – XII“ seine neueste Arbeit. Im doppelten Sinn setzt er darin ausgewählte Fotos von Walker Evans, heute Teil des kulturellen Gedächtnisses, erneut ins Bild. Hierfür baut er im Atelier lebensgroße Kulissen, mit denen er die Bildkompositionen von Walker Evans detailgetreu reinszeniert. Eine verwitterte Bretterwand mit abgegriffenem Aluminiumgeschirr oder einem alten Stuhl davor, unterschiedliche Details einer bescheidenen Holzhütte oder ein Stück verschlissener Dielenboden mit abgenutzten Alltagsobjekten sind zu sehen. Jene minimalistischen und menschenleere Inszenierungen gibt Oskar Schmidt mit einer analogen Großformatkamera unter immer gleichen Lichtbedingungen wieder. Die Fotografien von Oskar Schmidt sind Zitat und Konstrukt zugleich – graduelle Perspektiv- und Objektverschiebungen forcieren dabei noch den Charakter des Konstruierten gegenüber ihren Vorlagen. Schmidts Arbeiten verweisen auf zentrale Fragen der Fotografie, wie Authentizität und Autorschaft, und behandeln zugleich ihre elementaren Grundbedingungen, wie Licht und Schatten. Neben dem medienreflexiven Ansatz, der sich durch das Verfahren der Aneignung einstellt, erfahren die Fotos von Walker Evans eine Rekontextualisierung. In dieser historischen Dimension lassen uns die Bilder von Oskar Schmidt – trotz ihrer faszinierenden Ruhe und kontemplativen Schönheit – zugleich an die möglichen Auswirkungen unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation denken. Kurzbiographien

Edgar Leciejewski (1977) studierte Theaterwissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte in Berlin sowie Fotografie an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig. Seine Werke wurden 2011 bei einer Einzelausstellung im Stadtmuseum München und zahlreichen Gruppenausstellungen wie in der Kunsthalle Wien oder dem Kunstraum Witte de With in Rotterdam gezeigt. Zeitgleich zu der Ausstellung in der Galerie Parrotta sind weitere Arbeiten aus der Serie „Ghost and Flowers“ im NRW-Forum Düsseldorf zu sehen. Besprochen wurden seine Werke in einem bei ARTE ausgestrahlten Künstlerporträt sowie in den Publikationen „Himmel ohne Wolken“ (2011) und „NYC – Ghosts and Flowers“ (2011). Oskar Schmidt (1977) studierte an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Heute lebt und arbeitet er in Berlin und Leipzig. Seine Arbeiten wurden zuletzt im Museum für bildende Künste in Leipzig (2011), in der Zabludowicz Collection in London (2010), der Art Collection der Deutschen Börse in Frankfurt (2010), dem Goethe Institut in Washington (2010), der Kunsthalle Rostock (2009) und bei C/O Berlin (2009) gezeigt und sind aktuell in der Zabludowicz Collection in New York zu sehen.