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Egon Schiele. Freiheit des Ich
14.10.2018 bis 06.01.2019

Egon Schiele (Tulln 1890 – 1918 Wien) gehört ohne Zweifel neben Gustav Klimt und Oskar Kokoschka zu den bekanntesten und faszinierendsten Künstlern Österreichs und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Dem nur 28 Jahre alt gewordenen Maler und Zeichner gelangen innerhalb kürzester Zeit die Ausbildung eines unverkennbaren Stils und die frühe Anerkennung über die Grenzen Österreichs hinaus. Er galt als Bürgerschreck und Provokateur, inszenierte sich als Märtyrer und leidenschaftlicher Kämpfer in einer Zeit, in der in Wien Aufbruchs- und Untergangsstimmung aufeinanderprallten.

Die Ausstellung in Schweinfurt widmet sich Schieles Werk unter den Aspekten Selbst- und Körperdarstellung, Gefühlswelt und Subjektivität. Schiele schuf mehr als 170 Selbstbildnisse, in denen er mit der Inszenierung des eigenen Körpers und Gesichts experimentierte – mithilfe von Spiegeln, grimassierend, in expressiven Gesten und unterschiedlichste Rollenbilder aufgreifend. In einer Zeit, in der das Subjekt psychologisch und literarisch in die Krise geriet, löste Schiele das Selbst von Raum, Zeit, sozialem Status und sogar seinem individuellen Charakter, der doch lange als wesentliches Ziel der Porträtkunst galt. Es ging ihm um die Darstellung reiner Existenz, um das allgemeine Ich in einer Zeit der Ungewissheit und um fundamentale Kämpfe des Innenlebens.

Aber nicht nur der eigenen Körper beschäftigte Schiele. Die menschliche Gestalt steht insgesamt im Mittelpunkt seiner Kunst. Extreme Posen, ungewöhnliche Perspektiven, eine oft rätselhafte Gestik, fragmentierte Körperteile und verstörende, zum Teil ins anatomisch unmögliche verfremdete Figuren dienen ihm zum Ausdruck innerer Bewegungen und Spannungen. Er wollte Neues entdecken, spielte aber durchaus auch mit der Provokation. Er nutzte den Körper als Gestaltungselement und zog Inspiration aus den verschiedensten Quellen, wie der Literatur, der Volkskunst und der außereuropäischen Kunst, der Gotik und Frührenaissance, dem Spiritismus, dem zeitgenössischen Tanz, dem Theater und vermutlich sogar aus dem frühen Stummfilm mit seiner ausdrucksstarken Gestik und Mimik.

Im Vergleich mit Künstlerporträts seiner Zeitgenossen erschließen sich neue Aspekte. So war die Auseinandersetzung mit der eigenen Psyche an sich kein Wien-spezifisches Phänomen, sondern entwickelte sich generell am Ende des 19. Jahrhunderts und stellte ein Aufbrechen des konventionellen und starren Rollenbildes vom Künstler dar. Weniger die von Sigmund Freud entwickelte Psychoanalyse als vielmehr der neue Bezug von Kunst zur Psychiatrie wird heute über die Selbstporträts Schieles hinaus als wesentlicher Bestandteil des Fin de Siècle in Österreich anerkannt, womit ein im 20. Jahrhundert ideologisch missbrauchtes und schwieriges Thema wieder in den Vordergrund gerückt wird. Das Dasein des Künstlers als Schöpfer neuer (Bild-)Welten gerät bei Schieles nackten und extrem mageren Porträts wie selbstverständlich zu einer Auseinandersetzung mit Ethik und Religion. Parallel dazu entwickelten die Berliner Sezessionisten christliche Darstellungen mit dem geschundenen Leib Christi, eine Parallele, die auch angesichts der Kriegsbilder des Ersten Weltkrieges zu denken gibt.

Die Ausstellung im Gedenkjahr 2018 zeigt Meisterwerke Egon Schieles aus dem Leopold Museum in Wien, das die weltweit umfangreichste und bedeutendste Sammlung des Künstlers beherbergt. Der ausgewählte Werkkomplex wird zum ersten Mal in Deutschland ausgestellt und tritt hier in Wechselwirkung mit der Sammlung des Museums Georg Schäfer. Zu den Gemälden und Zeichnungen werden inhaltlich erweiternd und ergänzend Fotografien, Gedichte und archivalische Dokumente gezeigt. Die insgesamt 65 Exponate sind über 9 Räume verteilt; dazu gibt es einen Filmsaal.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hirmer Verlag.