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Egonomie

Die im Zuge der sogenannten 68'er Revolte gestellten Forderung nach Individualisierung und Entmassung der Gesellschaft beantwortete der Kapitalismus in seiner späten Phase mit der endgültigen Akzeptanz dieser Forderungen. Dies geschah durch die Einbeziehungen der hier gestellten Forderungen nach Individualität und die Beantwortung selbiger mit neuen Produkten, beziehungsweise einer neuen psychologischen Aufladung von Produkten. Dinge, die vorher ausserhalb der Reichweite des ökonomischen Systems standen, erfuhren eine Ökonomisierung. An solcher Einbeziehung der Kritik erstarkte das kapitalistische System letztlich. So erklärt sich zum Beispiel das in der Werbung zu beobachtende Phänomen des Wechsels von der Qualitätsanpreisung zum reinen Transport von Images, die persönliche Freiheit und Emanzipation symbolisieren sollen.

Die hier eingeführten differenzierten Warenangebote versprechen dem Konsumenten ein Mass an Individualität, die auch in dem Produkt Kunst ihre Entsprechung finden: Schon Freud charakterisierte die künstlerische Tätigkeit als Sublimierung, als Überführung nieder Triebregungen in höhere Bereiche. Hier begegnet aber der Eigennutz des Künstlers dem Geltungsdrang des Sammlers oder des Kurators, der auf seine Art versucht, durch sein spezifisches Konsumverhalten einen gewissen Status zu erreichen. Ebenso wie die Individualität des Künstlers auf den Verkäufer oder Vermittler übergehen soll, verspricht sich der Künstler durch diesen Austausch einen Zuwachs an Signifikanz, die seine Selbstdarstellung, über die rein künstlerische Seite dieses Aspekts hinaus, auch im sozio-ökonomischen Sinne dient. In diesem Sinne erklärt sich zum Beispiel der reziproke Altruismus des Künstlers auch als Investition. Man erwartet also als Gegenwert für die Selbstaufreibung Möglichkeiten zu einer komplexen Selbstdarstellung, die auf Individualismus, sozialem Status und zu einem gewissen Teil natürlich auch auf Geld beruht.

Egonomie untersucht oder kommentiert die Fallen einer ökonomisierten Kunstrezeption; ökonomisch im Sinne einer Bewertung allen Nutzens künstlerischen Handelns und Rezipierens durch einen wirtschaftenden Geist: Der positive Egoismus des Künstlers steht dabei immer auf der Kippe. Die ursprünglicher ausser-ökonomischen Ziele des Künstlers fallen zunehmend dem spätkapitalistischen Geist zum Opfer. Dieser ist streckenweise so verinnerlicht, dass auch dieser positive Egoismus unter Verdacht gerät.

Egonomie versucht das Verhältnis des Künstlers zu den Akteuren der Kunstwelt, zur Leistungsgesellschaft und nicht zuletzt zum eigenen Werk zu sehen. Egonomie gibt aber auch dem unliebsamen Kippenberger'schen Einwand nach, dass jeder Künstler, in Verdrehung des Beuy'schen Theorems, auch ein Mensch sei: Der Künstler als Mensch ist im Bezug auf die Konstruktion und Durchsetzung seines Egos den selben Zwängen ausgesetzt wie Otto Normalverbraucher. Er verfügt allerdings durch das Werkzeug des Künstlers über besondere Mittel zur Darstellung und Durchsetzung seines Egos gegenüber der anonymen Masse. So kann bei Egonomie auch der Blick auf das Selbst dem sparsamen Wirtschaften, dem Groschenzählen, dem Häusle-Bauen anheim fallen und doch, als lohnende Investition, den Output des Künstlers vergrössern.

Egonomie. Eröffnung am 22.10.2009 um 18 Uhr, Ausstellung vom 23.10. bis zum 31.10.2009 Öffnungszeiten: Di-Sa, 11-18 Uhr Ort: Agent Double, 23, Bd du Pont d'Arve, 1205 Genf, Schweiz www.agentdouble.ch, info@agentdouble.ch

Künstler: annette hollywood (D), Klaus Baumgartner (D), Pauline Bonard (CH), Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer (F/D), Diego Castro (CH/D)

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Egonomie.
Kurator: Diego Castro

Künstler: Annette Hollywood, Klaus Baumgartner, Pauline Bonard, Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer, Diego Castro