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09.09.2022 - 08.10.2022

ENDRE TÓT. SEMMI SEM SEMMI

curated by Róna Kopeczky

SEMMI SEM SEMMI | curated by Róna Kopeczky präsentiert Werke von Endre Tót, geb.1939, einem der bedeutendsten Künstler der ungarischen Neo-Avantgarde, der internationalen Konzeptkunst und Mail Art. Ab 1970 hatte sich Tót von der abstrakt-expressionistischen und informellen Malerei abgewendet und in den folgenden fünf Jahrzehnten eine Reihe von (neuen) Medien wie Künstlerbuch, Telegramm, Postkarte, Schreibmaschine, Post- und Gummistempel, Video, Plakate, Graffiti, Transparente und Performances entwickelt.

Die Ausstellung zeigt Arbeiten aus den konzeptuellen Serien Zer0, Joy und Rain - mit Humor und Spott spielend, damals eine sublim-raffinierte Reaktion auf den realsozialistischen Alltag. Vor dem Hintergrund der heutigen traumatischen Ereignisse und des Krieges in der Ukraine, der noch immer währenden Ost-West-Dichotomie, ist das Leben und das künstlerische Schaffen Endre Tóts weiterhin von großer Aktualität.

Zer0 - eine der Mail Art-Aktivitäten des Künstlers und ab 1971 die einzige Möglichkeit, mit den führenden Protagonisten der internationalen Avantgarde zu korrespondieren. Zer0, die mathematische Vorstellung des Nichts, symbolisierte für Tót die Absurdität der Kommunikation, die Vorstellung von Abwesenheit vs. Präsenz. Die philosophischen und politischen Aspekte des Zeichens "0" zeugten auch vom ontologischen Verständnis der damaligen realsozialistischen Lebensbedingungen. Angesichts der Einschränkung der Redefreiheit unter dem sozialistischen Regime war der Text als Kommunikationsform immer auch mit Gefahr verbunden. Tóts Arbeiten kommunizierten durch Nicht-Kommunikation, durch Nichts-Sagen und durch das Abbilden der Abwesenheit: Nothing, Absent Painting, Blackout Painting...

Die zweite, bei uns gezeigte frühe Werkgruppe ist aus seiner Rain Serie. Das Regenmuster, entstanden durch wiederholtes Drücken auf die "/"-Taste seiner Schreibmaschine, ist von einem Text begleitet, intellektuell verspielt, oft von banaler Tautologie, um sich dann wieder (selbst-) ironisch zu geben oder mit humorvollen, politischen Bezügen. Postkarten, Reproduktionen bekannter Gemälde oder beliebige Abbildungen aus Zeitschriften waren Ausgangsmaterial für diese Rain Arbeiten, in welche der Künstler Texte einfügte und so visuelle Poesie mit dem Bild oder der Form des Regens entstehen ließ.

Die erste Joy Arbeit (ein postkartengroßer Karton) von Endre Tót aus dem Jahr 1971 bestand aus einem einzigen englischen und ungarischen Satz: "I am glad that I could have this sentence printed." Tót selbst schrieb folgendes dazu: "Meine 'Joys' widerspiegelten den totalitären Staat der Siebziger Jahre. Ich antwortete mit der absurden Euphorie der Freude auf Zensur, Isolation, Unterdrückung, die alle Lebensbereiche durchzogen, auch wenn diese Unterdrückung ganz subtil wirkte."

Das Wissen, dass staatliche Autoritäten ihn für die Joys nicht belangen konnten, ließ weitere Arbeiten entstehen und bildete so den Auftakt zur Entwicklung seines Aktionismus, insbesondere die Gladness Demonstrations und die als Very Special Gladnesses bekannte Serie.

(zit. Róna Kopeczky, Budapest, 2022)

Die Ausstellung findet im Rahmen des Galerienfestivals curated by_vienna: KELET statt.