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Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte und das Museum am Ostwall zeigen in der gemeinsamen Ausstellungshalle der Dortmunder Museen im Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Hansastraße 3, eine Ausstellung mit Werken des Brücke-Künstlers Ernst Ludwig Kirchner (1880 Aschaffenburg – 1938 Davos). Das Brücke Museum Berlin stellt hierzu 220 Arbeiten auf Papier zur Verfügung, Aquarelle und Zeichnungen. Das Kirchner Museum Davos ergänzt die Schau mit Fotografien, die von den originalen Glasplatten aus dem Besitz des Künstlers abgezogen wurden. Durch die Gegenüberstellung der verschiedenen Stadien künstlerischer Arbeit, der Ideenskizze, einer Fotografie, einer elaborierten Skizze bis zum farbigen Aquarell und dann dem Gemälde kann der Betrachter in dieser Ausstellung den Schaffensgang des spannendsten und vielleicht wichtigsten deutschen Künstlers zu Beginn des 20. Jahrhunderts nachvollziehen. Zusammengestellt wurden die Zeichnungen und Aquarelle von Frau Prof. Dr. Magdalena M. Moeller von Brücke Museum Berlin. Die Fotografien und die gesamte Ausstellung betreut Frau Dr. Brigitte Buberl vom Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund. Leihgaben kommen aus dem Kirchner Museum Davos und dem Museum am Ostwall Dortmund. Ikonographisch lassen sich in dieser Zusammenstellung deutliche Schwerpunkte feststellen. Viele seiner Freundinnen standen Kirchner Modell für Zeichnungen und Fotos, Isabella, Line, Fränzi, Marcella, Dodo, Erna und Gerda Schilling, Nele van der Velde und Nina Hard. Auch Freunde wie Erich Heckel, die Dichter Simon Guttmann und Alfred Döblin tauchen in Porträts auf. Sein gesamtes Werk durchziehen diese Beobachtungen der Freunde mit Bleistift und Kamera. Ob als Badende auf Fehmarn oder im Gebirgsbach, als Besucher seiner verschiedenen Ateliers in Berlin, Dresden und in Davos, Kirchner hält sie fest. Ein zweites großes Konvolut gilt dem Straßenleben in den Großstädten Berlin und Dresden, eingefangen in der Zeit, als er seine Ateliers in diesen beiden Städten führte. Zeichnungen sind von Anbeginn seiner Laufbahn als Maler seine ihm eigene Schrift, seine „Hieroglyphen“ wie er sie nennt, um die Gegenstände und Personen in die eigene Kunst (-Sprache) zu übersetzen. Dementsprechend flüchtig, fein, kratzig mit dünnen Bleistiftlinien oder ausgeführter, mit Feder verstärkt und mit Farbe akzentuiert sind die Zeichnungen Kirchners sein intimstes und direktestes Bekenntnis zur Suche nach einer neuen Formensprache. Dazu schreibt er selbst unter dem Pseudonym Louis de Marsalles, im Aufsatz „Zeichnungen von L.E. Kirchner“, erschienen 1920 in der Zeitschrift Genius: „... Kirchner zeichnet, wie andere Menschen schreiben. Die jahrelange Gewohnheit, alles, was er sieht und erlebt, zeichnerisch niederzulegen, hat ihn fähig gemacht, ohne Schwierigkeiten alles, was vor seinem physischen oder seinem geistigen Auge erscheint, in Linien und Formen wiederzugeben. Er benutzt dazu die ganze Fläche des betreffenden Blattes. Nicht nur die Linien und die von ihnen gebildeten Formen, sondern auch die unbezeichnet bleibenden Teile des Blattes formen das Bild. Alle diese Gebilde sind an sich keine Darstellungen bestimmter Gegenstände, sie erhalten erst durch ihre Stellung, ihre Größe und ihr Verhältnis gegenüber den anderen in der Blattfläche ihre ganz bestimmte Bedeutung ... “ Kirchner benutzt diesen erfundenen Kritiker häufig, um selbst seine Ausstellungen sehr positiv besprechen zu können. Als Kirchner seine durch den I. Weltkrieg stark angeschlagene Gesundheit, tablettensüchtig und alkoholabhängig, in den Schweizer Bergen zu kurieren versucht, kommt er nach Davos. Dort lässt er sich nieder und schafft eine große Zahl hervorragender Werke: großartige Alpenlandschaften, Bauern, aber auch immer noch Tänzerinnen und Artistinnen. Er benutzt die Kamera zu einer akribischen Archivierung seiner Arbeit und weiter, um eine Art Gästebuch zu führen. Vor dem geteilten Glasfenster seines Hauses auf dem Wildboden entsteht eine Porträtgalerie. Neben den weltstädtischen Besuchern dokumentiert er die Nachbarn und einheimischen Freunde. Aus diesen Vorlagen werden im Atelier Aquarelle oder Gemälde und Skulpturen. Der Teil seiner Fotografie, die nicht an die Funktion der Archivierung oder Veröffentlichung gebunden ist, vermittelt wie seine Bleistiftzeichnungen einen Eindruck der Jahre 1909/10 bis 1937. Sie zeigen ein ungewöhnliches, biographisches Bild des Künstlers, der sein Aussehen immer wieder mittels Bleistift und Kamera überprüft. Eindrückliche Selbstbildnisse entstehen so, zuweilen wahrscheinlich mit Hilfe seiner Lebensgefährtin Erna Schilling. So zeigt ihn ein Foto als elegante Erscheinung in seiner Alphütte mit tanzenden Bauern. Diese Aufnahme benutzt er häufig, um in Zeichnungen und im Gemälde sein Ich zu reproduzieren. Nach der Verfemung und der Aufnahme seines Werkes in die Liste der „entarteten Künstler“ setzt Ernst Ludwig Kirchner 1938 in Davos seinem Leben selbst ein Ende. Seine Selbstbildnisse werden damit zum Beleg einer Krankengeschichte und zur Dokumentation eines selbstbewussten, führenden Künstlers seiner Zeit, der mit den veränderten politischen und künstlerischen Bedingungen nicht mehr konfrontiert sein wollte. Pressetext

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Ernst Ludwig Kirchner im Werkprozess
gemeinsame Ausstellung des Museum für Kunst und Kulturgeschichte und des Museum am Ostwall in der gemeinsamen Ausstellungshalle Hansastraße
Kuratoren: Magdalena M. Moeller, Brigitte Buberl