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Eröffnung: Freitag, 13. Juni 2008, 19 uhr

„Für den Intellekt deutlich erkennbar“, so beschreibt der Duden die Bedeutung des Wortes „ersichtlich“. Ersichtlich ist das auf der Hand Liegende, das Offenbare. Das Ersichtliche ist eindeutig und unverschlüsselt. Etymologisch verweist der Begriff auf unsere visuelle Wahrnehmung und verbindet damit das Sehen mit einem Akt der Erkenntnis. Die in der Ausstellung versammelten Arbeiten spielen mit dem Ersichtlichen und seiner Verunklärung. Sie bewegen sich zwischen eindeutiger und uneindeutiger Sinnzuschreibung. Durch eine Interaktion mit Oberflächen, durch deren Zerstörung oder Unsichtbarmachung, stellen die Künstler die Fragen nach dem, was wir in den Arbeiten sehen. Sehen wir das Positive oder Negative, die Vorder- oder Rückseite, ist das Wesentliche sichtbar oder unserem Blick entzogen?

Das Zeichnen ist für Andree Volkmann ein Akt der Aneignung, in dem Hommage und Emanzipation zusammenfallen. Immer wieder beschäftigt er sich mit jenen Hochglanzmagazinen, die uns eine Welt der Schönheit, des Glamour und der Eleganz vor Augen führen – eine Welt gepflegter Oberflächen. Der Künstler interagiert mit diesen Oberflächen u.a. durch Abzeichnen oder Übermalen. Während das Abzeichnen die farbigen Flächen auf schwarz-weiße Konturen reduziert, sie auf Form und Linie konzentriert, führt die Übermalung zur vollständigen Überdeckung. Jeder Punkt der Oberfläche wird berührt, jeder Moment lässt neue Bilder und Assoziationen entstehen, bevor diese in einer geschlossenen, schwarz glänzenden Oberfläche verschwinden. Knapp 21 Stunden benötigt dieser Prozess, genauso lange dauert der Film von Detlef Weitz und Dominique Müller, der diesen Prozess festhält und die Magie und Dramaturgie der permanenten Bedeutungsänderung spürbar macht. Zurück bleibt ein Objekt von changierendem Charakter, in welchem die Belanglosigkeit eines Modemagazins und die Ernsthaftigkeit eines abstrakt-minimalistischen Kunstwerks verschmelzen – ein ‚Nullpunkt’ aller Magazine und geheimnisvolle Präziose zugleich.

Ganz anders in ihrer Vorgehensweise und Materialität, kreisen auch die Arbeiten von Martin Flemming um jenen Punkt, an dem Bedeutung ins Bild tritt. Patrick’s Island ist ein schwarzes Loch in einer weißen Wand, das den Betrachter an den Umriss einer Insel erinnert. Was aus der Distanz von großer materieller Dichte und Präsenz erscheint und eine enorme Anziehungskraft entfaltet, entpuppt sich aus der Nähe als Leere, als Abwesenheit von Materie. Die vermeintlich festgelegte Form ist tatsächlich ein Produkt des Zufalls, weder Referenz auf eine geographische Formation, noch ein Bild überhaupt; es ist ein Loch, eine Lücke im ‚white cube’. Nicht die Zerstörung, sondern Verdrehung von Oberflächen steht im Zentrum von Piece of a Black Square (Framed), das die Frage nach dem Eigentlichen weiterführt. Auch hier trifft die Aura einer Ikone auf die Simplizität von Material und Herstellungsweise. Welche Rolle spielt das schwarze Quadrat, wenn wir ein rundes Segment von ihm sehen? Die Gleichzeitigkeit von Belanglosigkeit und Bedeutungstiefe kulminiert in Martin Flemmings abstrakter Bleiskulptur. Auch hier ersetzt der Zufall die gelenkte Hand und wird zum Quell zukunftweisender Bedeutung. (Dr. Dorothée Brill)

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ERSICHTLICH
mit Arbeiten von: Martin Flemming, Andree Volkmann, Detlef Weitz & Dominique Müller

Kurator: Dorothée Brill