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"Es ist schwer das Reale zu berühren" beginnt mit dem Screening von Gitte Villesen, die seit mehreren Jahren in Kopenhagen lebt und arbeitet. Seit den frühen 90er Jahren verfolgt sie eine systematische Auseinandersetzung mit der spontanen und rohen Ästhetik des Homevideos innerhalb ihrer künstlerischen Produktion. Sie beschäftigt sich immer mit Menschen, für deren Persönlichkeit, Arbeit und Leben sie sich aus verschiedensten Gründen interessiert. Manchmal sind es alte Leute, die man aufgrund ihres Charakters als "Original" bezeichnen würde. So etwa die drei verschiedenen Videos mit "Willy", einem älteren Herrn, der u.a. seine Plattensammlung präsentiert, über die Beziehung zu seinen Katzen spricht oder sein Auto vorstellt. Insofern spielen die Videos zum Teil auch bewusst mit einem Moment des Spektakulären und haben einen "Show"-Aspekt. Die portraitierten Personen entfalten unterschiedliche Verhaltensmuster in Zusammenhang mit der anwesenden Kamera: Manche der Dargestellten werden von Villesen während der Videos häufig befragt, andere stellen sich von selber intensiv dar. Meist bleiben die Videos dabei in einem chaotisch-unterhaltenden Fluss mit abrupten Schnitten und spontan den Handlungen der Akteure folgenden Kamerabewegungen. Die Videotechnik wird in Gitte Villesens Arbeit zu einem direkten Mittel, um Leuten zu begegnen und ihre Hobbys, Sorgen und Leidenschaften für einen Moment zu teilen. Dem Homevideo ist ohne Zweifel immer auch ein Reiz des Authentischen eingeschrieben. Die global distributierte Ästhetik einer universalen "visual culture" wird auf seltsame Weise in der meist souveränen Qualität der Performanz von Villesens Akteuren sichtbar. Die Frage, ob dies an deren Posen selbst liegt, oder eine mehr durch die Technik der Videokamera bedingte Darstellungsweise indiziert, bleibt offen. Sicher ist, dass das Format des Homevideos und die Videotechnologie einander gegenseitig eingeschrieben sind. >Donnerstag, 25. April, 19.00 Uhr

Den Ausgangspunkt für die Videos von Nina Könnemann bilden Beobachtungen öffentlicher Ereignisse: Der Morgen nach einer Open-Air-Veranstaltung, ein Wohngebiet das von einem Minitornado gestreift wurde, ein Treffen von Live-Rollenspielern, ein Sturm auf einer Amüsiermeile in einer englischen Hafenstadt.In diesen Szenarien erscheinen die Menschen in Gruppen, als Zuschauer, Teilnehmer oder Spieler. Einzelpersonen werden nur gezeigt, wenn sie einen kollektiven Zustand visualisieren. Diese Situationen sind mit einer Videokamera aus der Hand gefilmt. Nina Könnemann benutzt diese subjektive Art der Kameraführung nicht um eine persönliche Sichtweise zu verdeutlichen. Die charakteristische Anmutung der Handkamera, mit Verwacklern und Unschärfen, soll eine Direktheit , eine filmische "Jetzt-Zeit" erzeugen. Hinzu kommt, dass die stilistische Homogenität des so aufgenommenen Materials es erlaubt, die dokumentierten Ereignisse im Schnitt unauffällig zu manipulieren. Indem sie die Abfolge der szenischen Ausschnitte aus der anzunehmenden zeitlichen Chronologie verschiebt, Geschehnisse durch Wiederholung akzentuiert, und nachinszenierte Sequenzen einfügt, gerät die geläufige Dramatik der Ereignisse in den Strudel des Außerordentlichen. Banalität und Surrealität halten sich dabei auf hintergründige Weise in Balance. Nina Könnemann vertraut der dokumentarischen Darstellungsweise um den Betrachter auf die fiktiven Möglichkeiten von gemeinschaftlichen Szenarien aufmerksam zu machen. (Text: Nina Könnemann) >Donnerstag, 30. Mai, 19.00 Uhr

Der Ausdruck "das Reale zu berühren" verweist auf den bereits eingangs erwähnten Ansatz, ein Verhältnis zu Wirklichkeit jenseits ideologischer Verzerrungen zu entwickeln, bzw. sich mit diesen Verzerrungen kritisch auseinander zu setzen. Auch wenn sich die Formulierung hier konkret auf dokumentarische Darstellungsweisen bezieht, kann sie auch allgemeiner auf ein kritisches Engagement hin gelesen werden. Die von Johanna Billing in ihren Videos portraitierten Jugendlichen scheinen alle grundsätzlich an den Möglichkeiten solch eines Engagements interessiert zu sein. Gleichzeitig scheinen sie unfähig, dieses in irgendeiner Form umzusetzen. Für die Schilderung des Problems revitalisiert Billing in einem ihrer Videos die bekannte Filmsequenz aus Antonionis "Zabriskie-Point": Studenten werden gefilmt, wie sie aktiv im Plenum den Widerstand und die Besetzung der Universität beschließen. In formal ähnlicher Weise zeigt Billing ebenfalls einen Raum mit Jugendlichen, die sich versammelt haben. Aber Billlings Kamera fährt und schwenkt zwischen den Teilnehmern hin und her, ohne dass jemand das Wort ergreift bzw. dem Treffen eine zielgerichtete Initiative gibt. Lediglich vergeht Zeit. Das Verhältnis Billings zu dieser historisch-filmischen Einstellung Antonionis erinnert an eine Diskussion, die viele westeuropäische Jugendliche mit ihren Eltern haben; diese werfen den Kindern vor, unpolitisch zu sein und keine sozialen Utopien mehr zu entwickeln. Insofern zeigt das Video nicht nur die persönliche Schwierigkeit einer bestimmten Haltung, bzw. überhaupt das Problem von Engagement heute an, sondern es tut dies zugleich auf einem medialen Level, indem es die längst Ikone gewordene Einstellung Antonionis nimmt, sie zugleich aber als nicht "wiederholbar" akzeptiert. Damit wird der Konflikt zugleich als ästhetischer dargestellt: welche Bilder funktionieren überhaupt noch - und welche wirken bereits nostalgisch? >Donnerstag, 27. Juni, 19.00 Uhr

Ursula Biemanns Videos untersuchen den Status des mobilisierten weiblichen Körpers in weltweiten wirtschaftlichen Kreisläufen und Zusammenhängen sowie dessen Bedeutung als Akteurin und als Ware. Sie verortet ihre Arbeit an der Schnittstelle zwischen dem symbolischen Raum der Repräsentation von Frauen, die in den transnationalen Arbeitsmarkt migrieren und dem geschlechtlichen geographischen Raum, der durch diese Migrationspfade gezeichnet wird; in "Remote Sensing" von 2001 geschieht dies beispielsweise anhand unterschiedlicher Reisewege von Frauen im internationalen Sexgewerbe. In "Performing the Border" von 1999 findet die Beschäftigung mit dem weiblichen Körper über das geo-soziale Konstrukt der Grenze und ihrer Bedeutung für das alltägliche Leben der Bewohnerinnen einer bestimmten Grenzregion zwischen Mexiko und den USA statt. Bedingt durch solche Themen stellt sich in Biemanns Arbeit auch die Frage, wie man der Produktion von Information im Fernsehen andere Darstellungs- und Erzählweisen entgegensetzen kann. Vielleicht verbindet Biemann ihre Forschungsinteressen daher so eng mit der offenen Form des Videoessays, einem Format, dessen Möglichkeiten sie neben ihrer Arbeit als Künstlerin auch theoretisch kontinuierlich auslotet. Die essayistische Arbeitsweise erlaubt die Verbindung einer zugleich forschenden und assoziativen bis imaginativen Vorgehens- und Darstellungsweise. Der Essay nimmt eine Nischenposition zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Arbeit ein. Die Adaption der Essayform im Medium Video eröffnet vielschichtige Möglichkeiten im Umgang mit Bildern, Texten, Situationen, Menschen etc. Der Essay ist eine Form, die versucht, ihre Inhalte nicht zum Objekt oder Gegenstand zu reduzieren. In Opposition zu einem rationalistischen Wissenschaftsbegriff bietet die Essayform eine Auseinandersetzung an, deren Ziel nicht die Festschreibung von Inhalten ist, sondern deren Öffnung. Interessante Essays machen ihren Gegenstand komplexer. Auch bekennt sich der Essay als "nicht-objektive" Form, in dem seine Vorgehensweise assoziativ und spielerisch angelegt ist. Insofern steht er den Modi aktueller Medienkultur entgegen; er eignet sich nicht besonders für die schnelle Zuordnung und Bewertung von Ereignissen im Rahmen aktueller Ideologeme. >Donnerstag, 25. Juli, 19.00 Uhr http://www.geobodies.org (zusätzlicher Hinweis: Vom 31. Mai bis zum 2. Juni 2002 findet das von Ursula Biemann am Migros Museum in Zürich organisierte Symposium "Stuff it" statt, das videoessayistische Praktiken vorstellt und erörtert.)

Die künstlerische Arbeit von Oliver Ressler ist in Zusammenhang mit seinen politischen Aktivitäten zu sehen. Politik ist immer ein Kampf um Darstellungsweisen und -mittel. Der Begriff der "Medienkompetenz ist in den industriestaatlichen Demokratien zur Leistungsformel für Politiker geworden: Öffentlichkeit in den Medien zu bekommen, im Live-Interview vor der Kamera als Persönlichkeit zu überzeugen - Darstellungstechniken bedingen Inhalte und Ideen. Resslers Videos klinken sich gleichermaßen in die Diskussion um politische Inhalte, aber auch um Darstellungstechniken ein. Sie haben formal Ähnlichkeit mit der Fernsehreportage. Sie beinhalten Interviews, die Präsentation von Fakten wie Dokumente, Daten und Geschehnisse oder auch verschiedener Sound-Footage (?) aus Unterhaltung sowie Information. Sie spielen mit im TV-Bereich gängigen Klischees und Spannungserregern wie dem "Geheimnis", wenn zum Beispiel Personen berichten, die unerkannt bleiben wollen. Oder sie nutzen das Moment der "Entlarvung", wenn Personen mit der Kamera gestellt werden und sich angesichts unangenehmer Fragen in Ausflüchte verlieren. Zugleich unterstreicht der formale Gebrauch von Perspektiven, Farben, Rahmungen und anderen einstellungsspezifischen Mitteln die subtil-indoktrinäre Seite der "Reportage", die niemals "objektiv" oder "unparteiisch" ist. Im Unterschied zu den im Fernsehen meist ausgestrahlten Reportagen verdeckt Ressler diese Ausrichtung nicht. Einerseits macht er sichtbar, wie sich die Reportage als Meinungsmacher konstituiert, und andererseits füllt er sie mit für Fernsehen unüblichen Inhalten auf: einer Reportage über die "Rote Zora" beispielsweise; eine militante Frauengruppe, die in den 80er Jahren in Deutschland über 20 Anschläge verübte. Oder das Video "Border Crossing Services", das dem Phänomen des sogenannten illegalen Grenzübertritts nachgeht. Resslers neustes Video "This is what democracy looks like!" thematisiert Ereignisse rund um eine Demonstration am 1. Juli 2001 gegen das zu diesem Zeitpunkt in Salzburg tagende World Economic Forum, einem privaten Lobbyverein des Großkapitals. Wenn die Arbeit auf einer Ebene immer die inhaltliche Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Themen ermöglicht, so führt sie auf einer weiteren Ebene die Diskussion über die Mechanismen medialer Darstellungsweisen, in dem sie das Genre der Fernsehberichterstattung für eine unübliche Darstellungsweise öffnet. >Donnerstag, 29. August, 19.00 Uhr http://www.t0.or.at/democracy

Ruth Kaaserers Videos basieren auf der Zusammenarbeit mit den Leuten, für die sie sich interessiert und die sie abbildet. Die Videos "Balance" von 2000 und das neuere "In Watte" (2002) gehen beide mit der Lebenswelt junger Mädchen um. Während "Balance" die in Wien lebenden Immigrantinnen Magda Karwat, Andrea Ozabalova und Ewa Rogal portraitiert und ein Video über Mädchen im öffentlich-urbanen Raum und deren Position in einer männlich konnotierten Umwelt ist, zeigt "In Watte" das ländliche und sehr familiäre Umfeld von Birgit und Maria, zwei Mädchen, die in dem kleinen Ort Etsdorf in Österreich leben. Im Gegensatz zu den großstädtischen Szenarien in "Balance" betonen das räumliche Umfeld des Elternhauses, des anliegenden Hofs sowie der starke Akzent der Mädchen den lokalen Aspekt von Birgit und Marias Welt. Beiden Videos ist der Aspekt einer kollaborativ angelegten Dokumentation gemeinsam. Kaaserers Videos geben den Darstellerinnen den Raum, sich medial so zu präsentieren, wie sie es wünschen. Dies kann an den Dialogen und Themen festgemacht werden sowie an der Wahl der Drehorte und der (Selbst-)Darstellung der Mädchen an diesen Orten. Kaaserer stellt ihr Medium so teilweise in den Dienst der medialen Selbstrepräsentation anderer. Die Vorstellungen der Akteurinnen bestimmen die Form der Arbeit mit. Der Prozess des Videos basiert auf der gemeinsamen Annäherung und der gegenseitigen Anregung zwischen Kaaserer und den Mädchen. Auf diese Weise vermittelt das Video neben der sprachlichen Ebene auch auf der ästhetischen Ebene Wünsche und Vorstellungen der Mädchen mit. Diese Arbeitsform gibt den alltäglichen Gesprächen von Magda, Andrea und Ewa sowie auch Birgit und Maria eine Wichtigkeit und ein Forum, das in Widerspruch zu den im Fernsehen üblichen Reportagen über Jugend steht: Die Arbeit lehnt den investigativen und authentisierenden Doku-Stil des Jugendreports ab und baut dagegen auf ein kollaboratives Verhältnis zwischen der Regisseurin und den Darstellerinnen. Neben dem bloßen Zustandekommen eines Videos bietet die Zusammenarbeit den Mädchen außerdem eine interessante Möglichkeit, sich in dieser Form mit ihrer persönlichen Situation auseinander zu setzen. In der früheren Arbeit, "The Professionals" zeigt Kaaserer Jungendliche auf einem öffentlichen Sportplatz. Das Video könnte etwas über den persönlichen Ausgangspunkt Kaaserers zeigen: so, als würde sie beispielsweise einen öffentlichen Sportplatz sehen und Lust bekommen, sich am Spiel zu beteiligen - mittels der Videokamera. >Donnerstag, 26. September, 19.00 Uhr Pressetext

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Es ist schwer das Reale zu berühren - Screeningreihe

mit Ursula Biemann, Johanna Billing, Annika Eriksson, Ruth Kaaserer, Nina Könnemann, Mari Laanemets & Killu Sukmit, Oliver Ressler, Gitte Villesen