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„Der Maler, der wahre Maler, wird derjenige sein, der dem gegenwärtigen Leben seine epische Seite abzugewinnen versteht, der uns, mit Farbe oder Zeichnung, sehen und begreifen lässt, wie groß wir sind und wie poetisch in unsern Halsbinden und Lack-stiefeln.“ Mit dieser Vision beschloss der französische Dichter Charles Baudelaire seinen Bericht der Pariser Salonausstellung von 1845 und beschwor darin das Bild jenes ersehnten „Malers des modernen Lebens“, dem die Gegenwart und Zukunft gehören sollten. Bereits in seiner Salonkritik des Folgejahres rief Baudelaire Eugène Delacroix „zum Haupt der modernen Schule“ aus.

Ein Querschnitt durch das OEuvre Im Rahmen der Großen Sonderausstellung „Eugène Delacroix (1798-1863)“ bietet die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe vom 1. November 2003 bis zum 1. Februar 2004 die Gelegenheit, Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken des französischen Meisters in einem repräsentativen Querschnitt zu sehen. Die über 200 Exponate stammen aus dem Besitz öffentlicher und privater Leihgeber aus Europa und den USA.

Die Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe umfasst sämtliche Themengat-tungen und Techniken, mit denen Delacroix hervorgetreten ist, und bietet durch alle Schaffensphasen hindurch einen Überblick über die beeindruckende Entwicklung die-ses vielseitigen Künstlers. Von der souveränen Zeichenkunst des Franzosen zeugen die spontanen, mit der Sicherheit eines Virtuosen hingeworfenen Skizzen ebenso wie die weiter durchgearbeiteten Studien. In lichtdurchtränkten, zarten Aquarellen porträ-tierte der Künstler auf seinen Reisen Land und Leute. Die delikate, an Vorbildern wie Rubens geschulte Ölmalerei Delacroix’ lässt sich an Meisterwerken wie dem „Marok-kanischen Anführer“ zu Pferde (1837; Nantes, Musée des Beaux Arts) und „Junger Ti-ger, der mit seiner Mutter spielt“ (1830; Paris, Musée du Louvre) studieren. Aufge-schlossen gegenüber technischen Neuerungen und Experimenten, widmete sich Dela-croix der noch jungen Drucktechnik der Lithographie. Aus seiner intensiven Beschäfti-gung mit der Dichtkunst erwuchsen die großen Illustrationszyklen zu Shakespeares „Hamlet“ sowie zu Goethes „Faust“, die in der Karlsruher Ausstellung in einer reichen Auswahl gezeigt werden. Die Auseinandersetzung mit literarischen Stoffen führte au-ßerdem zu bedeutenden Gemälden wie „Hamlet und Horatio auf dem Friedhof“ (1835; Frankfurt/Main, Städelsches Kunstinstitut) oder „Der Tod des Valentin“ (1847; Kunst-halle Bremen). Auch die Faszination der Romantiker für die wortgewaltigen Epen Lord Byrons ist in der Ausstellung an hervorragenden Werkbeispielen des Malers und Zeich-ners Delacroix nachzuvollziehen, darunter Kompositionen voller Dramatik wie „Der Tod des Lara“ (um 1847/57; Privatbesitz) und die Lithographie „Der Kampf zwischen Giaour und Pascha“ (1827; Paris, Bibliothèque Nationale).

Die bevorzugten Bildthemen Schon zu Lebzeiten war Eugène Delacroix berühmt für seine spektakulären Historiengemälde und aktuellen Ereignisbilder. In großformatigen Kompositionen bezog der Künstler Stellung zur Zeitgeschichte und erregte mit seinen Darstellungen der Pariser Julirevolution und des griechischen Freiheitskampfes neben breiter Zustimmung auch heftige Kontroversen. Mit schier unerschöpflichem Erfindungsreichtum schuf Delacroix Werke zu literarischen, mythologischen und biblischen Stoffen. Gemälde wie „Christus auf dem See Genezareth“ (1853; Zürich, Stiftung Bührle) oder „Christus am Kreuz“ (um 1846/47; Kunsthalle Bremen) belegen in der Ausstellung die Bedeutung dieses Künst-lers für die religiöse Malerei des 19. Jahrhunderts. Seine lebensnahen Tierbilder bestechen durch ihre vitale Kraft, während er in glühendleuchtenden Blumenstillleben den ganzen Farbenreichtum der Natur beschwor.

Die Marokko-Reise – Entdeckung des Lichts Einen besonderen Höhepunkt in Delacroix’ künstlerischer Entwicklung markiert die Fahrt nach Marokko im Jahr 1832 als Begleiter des französischen Gesandten Charles de Mornay. In unzähligen kolorierten Skizzen hielt Delacroix seine Reiseeindrücke zwischen Tanger und Algier fest und erschloss seiner Kunst den reichen Motivschatz der nordafrikanischen Kultur. Die Begegnung mit dem Sultan von Marokko und dessen ho-hen Würdenträgern in Meknès sowie der Besuch eines Harems in Algier bildeten nicht nur die Glanzpunkte von Delacroix’ Reiseerlebnissen, sondern schufen zugleich die Grundlage für seine Meisterwerke des Orientalismus. Delacroix malte exotische Szenen mit sensiblem Gespür für die Atmosphäre und die Lichtverhältnisse des Südens und erfasste die Wesensart und Lebensweise der Orientalen in brillanten Farbkompo-sitionen, deren koloristischer Sensualismus mit der Sinnlichkeit seiner Vorbilder wett-eifert.

Ein Künstler reflektiert seine Zeit Delacroix besitzt nicht nur als ein Hauptvertreter der romantischen Malerei weitreichen-de Geltung. Über sein eigenes Werk hinaus prägte er auch als Kunsttheoretiker und Kunstkritiker nachhaltig das Kunstgeschehen des nachnapoleonischen Frankreichs und besticht bis heute durch seine differenzierten Analysen der alten Meister und des Kunstschaffens seiner Zeitgenossen. Unter dem Titel „Journal“ führte der überaus belesene Künstler kontinuierlich Tagebuch über die gesellschaftlichen und künstlerischen Ereignisse der Pariser Kunstszene und befasste sich auch intensiv mit Musik und Literatur. Persönliche Freundschaften, die von einem regen Gedankenaustausch gekennzeichnet waren, verbanden ihn mit dem Komponisten Frédéric Chopin sowie mit den Autoren Victor Hugo, Alexandre Dumas und der Schriftstellerin George Sand.

Farbe: Harmonie, Melodie und Kontrapunkt Eugène Delacroix gilt als der herausragende Meister der französischen Romantik und als einer der größten Koloristen der Kunstgeschichte. Durch die Unmittelbarkeit der dargestellten Szenen, die Dynamik der Pinselführung, seine aufgehellte Palette und den gezielten Einsatz der Kontraste unterscheidet sich Delacroix’ Werk von der glatten und ‚kühlen’ akademischen Malweise seiner neoklassizistisch arbeitenden Maler-kollegen in Paris. Dabei gelang es dem Künstler, seinem bildbestimmenden Gestaltungsmittel, der Farbe, nicht nur gegenstandsbeschreibende Bedeutung zu verleihen, sondern darüber hinaus emotionalen Ausdruck zu geben und ihr autonome farbkompositorische Qualitäten abzugewinnen. Die Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe vereint Meisterwerke, die es dem Betrachter ermöglichen, mit Charles Baudelaire gesprochen, „in der Farbe die Harmonie, die Melodie und den Kontrapunkt“ zu entdecken.

Dr. Kirsten Claudia Voigt Dr. Olaf Mückain (Öffentlichkeitsarbeit)

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Eugène Delacroix (1798-1863)
Über 200 Exponate aus bedeutenden Museen Europas und Nordamerikas, darunter Musée du Louvre, Paris, und Metropolitan Museum, New York, sowie aus verschiedenen internationalen Privatsammlungen