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„Einige Maler denken weiterhin über die Geschichte und Bedeutung der Malerei innerhalb ihrer Grenzen nach. Andere lassen die Malerei hinter sich und wenden sich anderen Medien zu. Marcaccio macht beides.“ Ein hervorragender Beleg für diese Beobachtung von Katy Siegel ist, dass Fabian Marcaccio den Bernhard-Heiliger-Preis für Skulptur in Berlin erhält – und zwar am Tag direkt nach unserer Eröffnung. Nahezu gleichzeitig mit uns richtet ihm das Georg-Kolbe-Museum, Berlin, eine mit der Ehrung verbundene Einzelausstellung aus.

Wir freuen uns sehr, dass Marcaccio (*1963, in Rosario de Santa Fe, Argentinien; lebt seit über 20 Jahren in New York) eigens für unseren Galerieraum Corpse – Variant Paintants konzipiert. Die Wortschöpfung „Paintant“, die Marcaccio be reits in den 90er Jahren geprägt hat, verschmilzt „painting“ und „mutant“ („Gemälde“ und „Mutant“), einen aus dem Science-Fiction-Genre geläufigen Begriff für genetisch verändertes Leben. Variant Paintants bezeichnet Marcaccios neu este bildnerische Arbeiten, da er seine malerische Praxis in unterschiedlichsten Techniken materialisiert und als „Variationen“ in den Raum stellt.

Seit Beginn seiner künstlerischen Laufbahn erprobt er immer wieder neue Metho den, um die einzelnen Bestandteile des Bildes aus der traditionellen Ordnung zu befreien: Die Pinselstriche auf der Leinwand treten in Dialog zum Rahmen; der Rahmen krümmt sich hinaus oder hinein, Bildfigur und -träger treten wechsel seitig in Beziehungen – „bis hin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.“ So wie Martin Hentschel 2001 treffend schreibt, erzählt Marcaccios Werk immer auch „von seiner eigenen Dekonstruktion.“ Bereits Mitte der 90er Jahre operiert er mit computergeneriertem Bildmaterial, lässt aus der Welt der Pixel in aufwändigen digitalen Collagen neuartige abstrakte Gemälde entstehen – Marcaccio nennt die sen Prozess „Healed collage“. Verschiedenste Bilder fotografiert oder sucht er, schneidet sie aus, bearbeitet sie am Computer, legt die Schichten in- und über­einander, bedruckt damit grundierte Leinwand und überzieht das Ergebnis ab schließend mit Silikon, Acryl- oder Ölfarbe.

Die Bildfindung wächst auch in unserer Ausstellung Corpse – Variant Paintants aus der abstrakten Malerei. Das Bildthema konzentriert sich grundsätzlich auf ein Motiv – in diesem Fall „Corpse“ (Leichnam) – welches Marcaccio dann vielfach in den von ihm entwickelten Bildtechniken, die sich im Grenzbereich aller Medien bewegen, variiert. Wir können dies als eine raumfüllende Installation, aber auch als eine Art Kampf von Zeichnung, Malerei, Animation und Skulptur erleben: Ein Draftant behauptet sich gegen die bewegte Projektion. Diese virtuelle permanente Bewegung hingegen scheint das objekthafte Structural Canvas Paintant auf dem Boden buchstäblich in den Schat ten zu stel len. Dessen digital generierte Oberfläche erhält durch ein formbares Drahtnetz plastische Tiefe und überführt das Virtuelle wieder ins Körperhafte. Noch einen Schritt weiter gehen Marcaccios Rope Paintants, die hier erstmals vorgestellt werden: ein durchlässiges Netz aus Seilen gibt den Blick frei auf Keilrahmen und die Wand. Auf diesem Bildgrund zeigen sich Schichten verschiedenfarbigen Sili kons als pastos aufgetragene, nahezu barocke Fragmente der digitalen Bilderwelt. Man sieht auf das Rope Paintant und gleichzeitig hindurch. Es ist Oberfläche und Illusion, Raum und Material zugleich und, wie Marcaccio selbst von seinen Arbei ten sagt, im „untoten“ Stadium eines Zombies – weder lebend noch tot, im Zustand des Transitorischen.

Marcaccios Arbeiten wurden u.a. auf der Documenta 11 (2002) und der Biennale Sevilla (2006) präsentiert. Er hatte große Einzelausstellungen im Württembergi schen Kunstverein, Stuttgart, und im Kölnischen Kunstverein (2001) sowie im Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz, 2005. Peter Weibel hat ihn eingeladen, an der Moskau-Biennale 2011 teilzunehmen. Für das Jahr 2012 sind parallele Einzel ausstellungen im Lehmbruck-Museum, Duisburg, und im Haus Lange/Haus Esters, Krefeld, geplant. Er ist vertreten u.a. in den Sammlungen des Museum of Modern Art, New York, des Whitney Museum of American Art, New York, sowie des Museums Moderner Kunst, Frankfurt, des Kunstmuseums Liechtenstein und des Kunst museums St. Gallen.

Fabian Marcaccio wird zur Eröffnung am Freitag, den 9.09.2011 anwesend sein.

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Fabian Marcaccio
Corpse – Variant Paintants