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Die Ausstellung im Georg-Kolbe-Museum findet anlässlich der Verleihung des Bernhard-Heiliger-Preises 2011 an Fabián Marcaccio statt. Die neue Werkgruppe der „Structural Canvas Paintants“ ist der vorläufige End- und Höhepunkt einer konsequenten plastischen Exegese des Tafelbildes des Künstlers. Sie setzt bereits bei seinen frühen selbstreflexiven Materialbildern aus den 1990er Jahren ein und steigert sich bei den als große räumliche Installationen angelegten „Environmental Paintants“, für die der Künstler internationale Anerkennung erhielt und die er in diversen Institutionen und Ausstellungsorten realisierte.

Fabián Marcaccio wurde 1963 in Rosario de Santa Fe, Argentinien, geboren, wo er an der dortigen Universität Philosophie studierte. Im Alter von 22 zog er nach New York City, wo er bis heute lebt und arbeitet. Er hat an zahlreichen Orten in den Vereinigten Staaten, Europa und Südamerika ausgestellt. In Deutschland wurde er vor allem durch Einzelausstellungen im Württembergischen Kunstverein Stuttgart (2000), im Kölnischen Kunstverein (2001) sowie durch seine Teilnahme an der Documenta 11 (2002) bekannt.

Die Wortneuschöpfung „Paintant“ ist eine Verschmelzung der Begriffe „painting“ und „mutant“ und findet sich bei Marcaccio seit 1995 in Werk- und Ausstellungstiteln. Die biologisch konnotierte Bezeichnung einer „mutierten Malerei“ dient ihm als Oberbegriff für diverse künstlerische Praktiken, die die Natur des Tafelbildes sowohl inhaltlich als auch formal entgrenzen. Er selbst spricht im Zusammenhang der installativen und plastischen Tendenzen seines Werks auch von einem „expanded field of painting“, in dem eine aktive, räumlich und zeitlich bezogene Partizipation der Betrachtenden vorausgesetzt wird. Seine Arbeiten seien gedacht als „action painting for the beholder“, so wie das „Action Painting“ von Jackson Pollock einen auf die Bewegungen bezogenen dynamisch-dialogischen Malakt beschreibt.

Das erste Werk der Serie der „Structural Canvas Paintants“ entstand 2005 unter dem Titel „U.N.-Paintant“, das auch Teil der Ausstellung ist. Als Trägermaterial fungiert bei diesen Arbeiten ein engmaschiges Aluminiumgitter, das mit bedruckten Leinwandteilen verbunden wird, deren Schnittmuster in einem aufwändigen 3-D-Verfahren am Computer berechnet wurde. Aus der Kombination beider Materialien entsteht die „strukturale Leinwand“, womit Marcaccio sowohl ihre plastische Formbarkeit als auch den konstruktiven Aspekt ihrer räumlichen Zusammenfügung artikuliert. Der Künstler vergleicht den Prozess selber mit dem eines Schneiders, also dem Anpassen einer textilen Oberfläche an einen Körper. Das später aufgetragene pastose Farbmaterial verleiht den Gebilden transitorische, ungreifbare Momente, gleich der Wirkung von Bewegungsstrichen im Comic. Die Oberflächen sind im Zustand eines fließenden Transformationsprozesses gezeigt, der die plastische Gestalt zwar als abgeschlossen, aber gleichzeitig auch als visuell gefährdet präsentiert. Es ist ein Hinweis auf die prozesshafte Natur der Wahrnehmung und auch auf den mentalen Prozess der Wirklichkeitskonstruktion, der vom Betrachter in einem dynamisch-räumlichen Rezeptionsvorgang gespiegelt wird.

Fabián Marcaccios Werke reflektieren eine Reihe von sowohl politischen als auch gesellschaftlichen Themen der Gegenwart wie Globalisierung, Bankencrash, Transsexualität, Gentechnik oder Terrorismus. Immer wieder klagt er unsere aus Krieg, Blut und Entsetzen geprägte Infotainmentkultur an. Seine künstlerische Arbeit ist eng verbunden mit der seit den 1990er Jahren anhaltenden „digitalen Revolution“ und einer kritischen Reflexion über die Wirkung der Massenmedien auf das kollektive Bewusstsein. Er versteht seine Werke als Gegenentwurf zur heterogenen Verschränkung von Realität und Fiktion in der zeitgenössischen Wirklichkeitserfahrung wie sie sich im Prinzip der Collage manifestiert: „Endgültig zum Gemeinplatz geworden ist sie [die Collage] vielleicht in der 24-Stunden Collage des Senders MTV. Die Welt ist zur Zeit selbst eine völlig disparate Collage, und dank der Kommunikationstechnologie können die internationalen Industrien heute collagierte Produkte herstellen, indem sie sich nach Belieben Arbeiter, Materialien und Produktionsmittel in vielen verschiedenen Ländern zunutze machen, ohne irgendwelche provisorischen lokalen Ordnungen zu beachten. Unsere Generation ist vielleicht die erste, die versuchen kann, nach dieser jetzt etablierten durchgehenden kulturellen Collage etwas zu integrieren oder auf bestimmte Weise zu organisieren. Ich betrachte meine Arbeit als eine Übung in Sachen Komplexität, eine zusammenhängende Vielheit, die als ein einzelnes Gebilde auftritt.“

11. September bis 20. November 2011 Eröffnung: 11. September 2011, 11.30 Uhr Grußwort: André Schmitz, Staatssekretär für Kultur

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Fabian Marcaccio
The Structural Canvas Paintants
Bernhard-Heiliger-Preis für Skulptur 2011