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Das Label “fabrics interseason” wurde 1998 von den KünstlerInnen Wally Salner und Johannes Schweiger gegründet. Wally Salner (1971) und Johannes Schweiger (1973) leben in Wien. Kunst, Kulturgeschichte, Design, Performance und elektronische Musik beschreiben das Feld, in dem fabrics interseason ihre Arbeiten positionieren. Die Mode-Kollektionen und künstlerischen Arbeiten, die dabei entstehen, basieren auf Konzepten, denen eine intensive Recherche zu gesellschaftspolitischen Fragen und Diskursen vorausgehen, was insbesondere für den Modebetrieb nach wie vor ungewöhnlich ist. Das Label zeigt, wie künstlerische Positionen auf andere gesellschaftliche Felder überlappen können ohne dabei die Kontur und das Potential kunsteigener Methoden und Fragemöglichkeiten zu verlieren oder aufzugeben.

Das Interesse ihrer Arbeit betrifft zugleich das Potential der besonderen formalen Beschaffenheiten alltäglicher Umgebungen. Wie funktionieren die Codes, die den Alltag regeln. „Modern nervs“ nannte sich eine Kollektion im Rahmen einer dreiteiligen Produktion, die mit „constructed normality: promesse du bonheur“ und dem Thema „Neue Armut“ den Anfang nahm. Nicht zufällig wurde die Kollektion kurz nach der Regierungsumbildung lanciert, als der Sozialstaat durch zweifelhafte Reformen zunehmend zu bröckeln begann. Davon ausgehend, dass die tristen neoliberalen Lebensverhältnisse kaschiert werden müssen, um von der Gesellschaft weiterhin als gesellschaftsfähig wahrgenommen zu werden, produzierten fabrics interseason eine Kollektion, in der nicht nur das für das Lookbook ausgewählte „toughe“ Model, sondern auch die Accessoires (u.a. ein Baseballschläger in Gehstockgröße) einer Art modischem Empowerment glichen.

Es geht dabei auch um die soziale Funktion und Bedeutung intimer Räume, die dazu errichtet wurden, um der Konstruktion von Individualität sinngerichtete Kontexte zu stellen. Wie werden die Oberflächen vorproduziert, die Normalität konstruieren? Wie korrespondieren diese Oberflächen und ihre Zwischenräume mit dem Leben, das darin stattfindet? Die auf diesen Fragen basierenden künstlerischen Untersuchungen formaler Normen und Standards führen sowohl auf der Ebene ihrer Objekte als auch auf der Ebene ihrer Kollektionen zu Praktiken wie Falten, Zerlegen, Neu-Zusammensetzen, Manipulation von Maßstäben, Versetzung, Verschiebung, Dekor, Konfrontation gegensätzlicher Materialformen, deren nicht-sinngemässe Anwendung (im Sinne der Hersteller) oder Aus- und Umstülpen.

Zum Beispiel hat das Wiener Label Fabrics Interseason den Zimmerbrunnen »Wellness« entworfen. Es handelt sich um ein rechteckiges, mit Fliesen aus dem Sanitärbereich verkleidetes Becken von etwas mehr als einem Meter Länge und knapp 80 Zentimetern Breite. Die genauen Abmessungen ergeben sich aus der Norm und Typologie der ungeschnittenen Kacheln. In der Mitte des Beckens erhebt sich ein im Umfang zu den Außenmaßen etwa halbierter und im Verhältnis zu den Beckenrändern leicht erhöhter, ebenfalls gefliester Quader. Die Anordnung der Fliesen ist durchgehend symmetrisch. Die Oberseite des Quaders wird in sechs gleiche Felder unterteilt. In der Mitte eines der Felder befindet sich eine kreisrunde Öffnung in Form einer herkömmlichen Waschbecken-Ablaufgarnitur. Entgegen der im Alltag mit dem Objekt normalerweise assoziierten Fließrichtung strömt beim Zimmerbrunnen WellnessWasser aus der Öffnung hervor. Von dort verläuft es gleichmäßig über die Oberfläche des Quaders und rinnt in das Becken ab. Aus dem Quader tritt seitlich ein Kabel aus, das frei über den Beckenrand zu einer Stromquelle verläuft. Im Inneren des Quaders arbeitet eine Pumpe, die den Kreislauf zwischen dem etwa zu einem Drittel mit Wasser gefüllten Becken und dem an der Oberseite des Quaders austretendem Wasser herstellt.

Als Objekt vermittelt der Brunnen ein Gefühl von Leben in Luxus auf der Schwelle zur Armut, eine Haltung der Dekadenz in einer Umwelt, in der alles billig und funktional ist und sein muss. Genau in dieser Haltung bewegen sich auch die Kollektionen des Duos. Für die Installation "surface: tapisserie?" in Innsbruck haben sie die Stoffreste ihrer Kollektionen von 1998 bis 2006 zu mehreren überdimensionalen Fleckerlteppichen verwoben und damit die Quintessenz ihrer Mode-Arbeiten der letzten acht Jahre wieder zurück in den Kunstkontext geführt. Auf seine Art zollt der Brunnen – aber auch die Kollektionen - dem Umstand Tribut, dass es der soziale Wohnungsbau ist, der den meisten glamourösen Existenzen unser Grossstädte ein Zuhause gibt. Die Arbeiten schlagen auf verschiedene Weisen eine Formel, ein Modell, einen Entwurf für ein gutes Leben auf der Schwelle zum Politischen und auf der Grenze zum Unökonomischen vor. Dieses Leben ensteht in allen Fällen aus einem unsicheren Balanceakt prekärer Existenzformen.

Präsentationen u.a.: Kunstpavillon, Innsbruck (2006), Espace Saint Martin, Pret-a-Porter Fashionweek, Paris (05), Austrian Cultural Institute, New York (2005), Kunsthalle Wien (2005), Galerie de Gele Rijder Centrum Beeldende Kunst, Arnhem (2005), ZKM, Karlsruhe (2005), Berlin Biennale (2004), Kunstverein München (2004), ICA, Institute of Contemporary Arts, London (2004).

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Fabrics Interseason 
Kurator: Sören Grammel