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Das dritte Kapitel versucht nun, das Karnevaleske als ein gesellschaftliches Begehren zu deuten. Hierfür soll das Karnevaleske mit Spiel und Lust sowie deren Tabuisierung in Verbindung gebracht werden.

Das Spielerische, das Lachen, das Karnevaleske stehen in der Gefahr, von den VertreterInnen der Hochkultur nicht ernst genommen zu werden. Im Gegensatz dazu sehen ihre VerteidigerInnen die Lust als Katalysator, das Spiel als Mittel der sozialen Integration, das Karnevaleske als Strategie der subversiven politischen Artikulation und des widerständigen Humors. Die Unterhaltungsindustrie wird von all denjenigen kritisiert, die nicht lachen wollen, wenn kommerzielle Verwertungskriterien die Regie führen, wie etwa im Falle der medialen Entertainisierung von Politik. Dieser Streit ist nicht neu: Platon wollte das Lachen in seinem Idealstaat verbieten und Aristoteles erwidert mit einem Pamphlet über den Sinn des Lachens. Immer wieder wurde gegen oder für eine Lachkultur oder Lustkultur polemisiert. Interessant sind die Fragen, die diesem Streit gleichsam vorgeschaltet sind: warum wird gelacht und warum ist das Lachen ansteckend?

Bereits die Existenz von Fest, Spiel und Karneval sprechen dafür, dass es ein gesellschaftliches Begehren nach einem "anderen" oder externalisierten Raum gibt, und Möglichkeiten gesucht werden, einen solchen zu schaffen. Das Spielerische scheint eine Konstante unserer Kulturgeschichte zu sein. Die Künste haben häufig Humor und das Spielerische als Handlungsstrategie eingesetzt, um gesellschaftlich relevante Inhalte aufzuzeigen. Spielerisch kann subversiv symbolische Praxis vorgeführt werden, die auch die Bedeutungsproduktion anderer Systeme anregt.

Johan Huizinga argumentiert in "Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel", dass Religion ebenso wie Kunst, Sport oder Magie, ja letztlich alle Kultur aus dem Spiel entstanden sei. Man wisse, dass man spiele, und spiele gerade deshalb im "heiligen Ernst", der uns das Spiel manchmal ernster als das Leben nehmen lässt. Robert Pfaller beschreibt diesen Zusammenhang zwischen Spiel und Ernst ähnlich: "Die Lust an der Fiktion und das Wissen, dass es sich um Fiktion handelt, gehören zusammen. Das affektive und intellektuelle Moment schließen einander nicht aus. Vielmehr setzt das eine das andere voraus. Keine Lust ohne besseres Wissen". Gerade die Ambivalenz zwischen dem Wissen um den spielerischen Charakter einer Handlung einerseits und die gleichzeitige Verführung durch die Illusion andererseits scheinen also das Lustmoment zu schaffen.

Das Karnevaleske wie auch das Spielerische verwirklichen das gesellschaftliche Begehren nach einem externalisierten Raum. Sie etablieren einen Freiraum ausserhalb der Räume repräsentativer Ordnung, indem sie die Konstruktion von Bildern, mit denen Macht gesichert und legitimiert wird, subversiv hinterfragen. Innerhalb der Gesellschaft kann eine Position eingenommen werden, die einen Blick auf die Gesellschaft von Aussen erlaubt. Diese paradoxe Konstellation wirft die Frage auf, wie man einen Raum markieren kann, der erlaubt, das Eigene als Fremdes und das Innere als Äusseres zu erfahren. Entscheidend scheint hierfür der Umgang mit dem Tabu. Denn Tabubrüche basieren auf Störungen von Erwartungshaltungen und sozialen Übereinkünften; erst sie ermöglichen die Wahrnehmung des Tabus innerhalb der Gesellschaft und fordern zur Reflexion über diese auf. Tabus und Tabubrüche wirken in diesem Sinn an der Schnittstelle von Innen und Aussen, Selbstwahrnehmung und Fremdzuschreibung. Sie dienen der Konstruktion von Gemeinschaft, da sie eine Grenzziehung zwischen dem Eigenen und dem Fremden vornehmen.

(1) Michel Foucault: Andere Orte. In: Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig 1991, S. 39

(2) Robert Pfaller: Die Illusionen der anderen. Über das Lustprinzip in der Kultur, Frankfurt/Main 2002, S. 115

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Spektakel, Lustprinzip oder das Karnevaleske 3:
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