Museum Rietberg, Zürich

Museum für Kunst aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien | Gablerstrasse 15
8002 Zurich

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FIKTION KONGO – Kunstwelten zwischen Geschichte und Gegenwart
22. November 2019 – 15. März 2020

Die Ausstellung FIKTION KONGO im Museum Rietberg zeigt, wie sich Kunstschaffende – früher wie heute – kritisch mit den Auswirkungen von Kolonialzeit, Missionierung und Welthandel auseinandersetzen.

Ausgangspunkt der Ausstellung sind Objekte und Fotografien, die der Kunstethnologe Hans Himmelheber (1908-2003) von seiner Reise 1938/39 aus dem Kongo mitbrachte, und die nun – teils zum ersten Mal – öffentlich präsentiert werden.

FIKTION KONGO bettet diese historischen Fotografien, farbigen Masken, wirkmächtigen Statuen und kunstvoll gestalteten Dinge des täglichen Gebrauchs nicht nur in die Kunstgeschichte einer der wichtigsten Kunstzentren Afrikas und dessen frühe Verflechtung mit der Welt ein. Den alten Werken sind darüber hinaus zeitgenössische Positionen von international agierenden Künstlerinnen und Künstler gegenübergestellt, die sich mit der eigenen Vergangenheit und kolonialen Geschichte auseinandersetzen.

In einem Artist-in-Residence-Programm beschäftigen sich der renommierte Künstler Sammy Balojiund der junge Schriftsteller Sinzo Aanza intensiv mit dem Archiv von Hans Himmelheber und kreieren darauf aufbauend ihre eigenen Fiktionen des Kongo. Auch die Künstlerinnen Michèle Magema und Fiona Bobo realisieren Auftragsarbeiten für die Ausstellung, ebenso wie David Shongo, dessen Intervention sowohl in Zürich als auch, fast zeitgleich, auf der Biennale in Lubumbashi gezeigt wird. Darüber hinaus sind in der Ausstellung Werke von Angali, Steve Bandoma, Hilary Kuyangiko Balu, Aimé Mpane, Cherie Samba, Yves Sambu, Monsengo Shula, Pathy Tshindele zu sehen.

Die Ausstellung beinhaltet multimediale Projektionen, Fotografien, Skulpturen, Malereien, Literatur, Design und Performances und erzählt in verschiedenen Themenkomplexen über «Ankunft und erste Begegnung»; «Design und Eleganz»; «Power und Politik»; «Performance und Initiation»; «Kunsterwerb und Handel» und «Meine Vision Kongo» (Letzteres im Dialog mit der kongolesischen Diaspora).

Kurzbiografien Künstlerinnen und Künstler mit Auftragswerken

Sinzo Aanza (1990) lebt und arbeitet in Kinshasa. In seinen poetischen Texten hinterfragt der Schriftsteller die politische Situation in der kolonialen Ära bis hin zu den heutigen Machtverhältnissen in der DR Kongo. Seine Installationen thematisieren die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in den Minen, die Repräsentation der nationalen Identität oder das postkolonial konstruierte Bild des Kongos. Zuletzt war er in der Gruppenausstellung «Kinshasa Chroniques Urbaines» in Sète (FR) zu sehen und stellt an der Biennale in Lubumbashi (2019) aus. Sinzo Aanza nahm zusammen mit Sammy Baloji an einem Artist-in-Residence-Programm im Rahmen der Ausstellung «Fiktion Kongo» teil. Dabei setzte er sich mit den Fotografien des Kunstethnologen Hans Himmelheber auseinander und thematisiert die tiefgreifenden Veränderungen, die die koloniale Neuordnung von Raum und Macht mit sich brachte.

Sammy Baloji (1978) lebt und arbeitet in Brüssel und Lubumbashi. Baloji gehört zu den renommiertesten Künstlern aus dem Kongo. Er nahm nicht nur an wichtigen Kunst-Biennalen (Dakar 2016, Venedig 2015, Lyon 2015), der Documenta 2017 und diversen Fotofestivals (Bamako 2007, 2015) teil, sondern ist mit seinen Werken auch in Museen in Lyon, Paris, Tervuren, Ulm, Washington, Virginia bis nach Luanda (Angola) und Ouidah (Bénin) vertreten. Seine Arbeiten wurden bereits in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, mitunter war er selbst als Kurator tätig (Congo Art Works 2016, Congo Stars 2019) und ist einer der Mitbegründer der Biennale in Lubumbashi. Im Jahr 2008 erhielt er den Prince Claus Award.
In seinen aus Fotografien, Videos und Installationen bestehenden Arbeiten setzt sich Baloji mit historischen Archiven auseinander und hinterfragt die bis heute spürbaren Auswirkungen der belgischen Kolonialzeit auf die kongolesische Gesellschaft. Im Zentrum der multimedialen Installation für die Ausstellung «Fiktion Kongo» steht die Neuinterpretation von Erinnerungspraktiken der Luba, vertont durch den in Graz lebenden Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila. Sammy Baloji nahm zusammen mit Sinzo Aanza an einem Artist-in-Residence-Programm am Museum Rietberg teil.

Fiona Bobo (1992) lebt und arbeitet in Zürich. Für ihre Abschlussarbeit BWANIA am Departement Kunst und Medien der Zürcher Hochschule der Künste setzte sie sich mit ihren kongolesischen Wurzeln auseinander. Dabei entstand eine multimediale Installation, die sich mit dem Themen Identität beschäftigt und die visuelle Kultur im Westen und im Kongo gegenüberstellt. Anhand von Fotografien stellt sie dar, welchen Stellenwert Mode bzw. Markenkleidung in der kongolesischen Gesellschaft hat.

Michèle Magema (1977) lebt und arbeitet in der Nähe von Paris. Sie ist eine der wenigen Künstlerinnen aus dem Kongo und setzt sich für die Stärkung der Frauen in der Kunst ein. In ihren Videoarbeiten und Installationen hinterfragt sie die lange Geschichte der Ausbeutung und Unterdrückung des afrikanischen Kontinents. Dabei interessiert sie die Verflechtung von Gewalt, Korruption und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in ihrem Heimatland Kongo. In ihren neueren Arbeiten steht der Austausch zwischen individuellen Schicksalen und der kollektiven Erinnerung sowie globalen Kunstgeschichte im Vordergrund. Für die Ausstellung «Fiktion Kongo» setzt sie ihre eigene Familiengeschichte während der Kolonialzeit mit den Fotografien von Hans Himmelheber in Relation. Michèle Magema nahm an Ausstellungen wie «Africa Remix» oder «Global Feminism» (Brooklyn Museum) teil und ist mit ihrem Werk an internationalen Museen und Sammlungen vertreten.

Yves Sambu (1980) lebt und arbeitet in Kinshasa. Er zeigte seine Fotografien bereits in Einzelausstellungen (Brüssel, Graz, Fribourg) und nahm an Gruppenausstellungen in Berlin, Brüssel, Dortmund oder Paris teil. Seit 2007 ist er Teil des Künstlerkollektivs SADI (Solidarité des Artistes pour le Développement Intégral). Der visuelle Künstler setzt sich mit urbanen Phänomenen wie den Sapeurs oder dem Kibanguismus auseinander. Aus seiner Serie Vanité Apparente über die offensichtliche Zurschaustellung von Eleganz und Eitelkeit wählte Yves Sambu für die Ausstellung «Fiktion Kongo» Motive aus, die überraschende Bezüge zu den Fotografien von Hans Himmelheber achtzig Jahre vorher haben.

David Shongo (1994) lebt und arbeitet in Lubumbashi. Der junge Komponist und Künstler hinterfragt die immer noch bestehenden kolonialen Bilder im aktuellen Kongo und kombiniert Musik, Film und Fotografie aus der Kolonialzeit zu Arbeiten, die sich mit den psychologischen Aspekten der kolonialen Vergangenheit, den sozialen und ökonomischen Veränderungen des technischen Fortschritts, der Ausbeutung von Coltan sowie der Neuerfindung von Bildern beschäftigen. In einer gemeinsamen Residency für die Biennale in Lubumbashi 2019 und die Ausstellung «Fiktion Kongo» realisierte Shongo ein Werk, in dem er Hans Himmelhebers historische Fotografien mit Hilfe von Blackout Poetry neu interpretiert und in die Gegenwart katapultiert.

Kuratorinnen
Dr. Nanina Guyer ist Kuratorin für Fotografie am Museum Rietberg in Zürich. Ihr Interesse gilt der globalen Geschichte der Fotografie und ihrer lokalen Ausprägungen. Sie promovierte an der Universität Basel mit einer Arbeit über historische Fotografien aus Sierra Leone und Liberia. Aktuell forscht sie zur Geschichte der Fotografie in der DR Kongo in den 1930er Jahren und darin speziell zu den Fotografien von Hans Himmelheber.

Dr. Michaela Oberhofer ist Kuratorin für Afrika und Ozeanien und leitet den Bereich Sammlungsdienste am Museum Rietberg. In ihren Ausstellungen (z.B. «Dada Afrika», «Perlkunst») steht die verflochtene Geschichte des künstlerischen Schaffens in Afrika sowie die Rezeption aussereuropäischer Kunst in Europa im Zentrum. Seit 2018 leitet sie mit Prof. Gesine Krüger (UZH) das Forschungsprojekt zu Hans Himmelheber.