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Anlass und Ausgangspunkt der Ausstellung von Andreas Schmid und Stefan Moritz Becker in der 2yk Galerie ist der besondere Ort der Kunstfabrik auf dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen Ost und West.

Das Dach der Kunstfabrik am Flutgraben wurde zu Zeiten der DDR von Grenzpolizisten genutzt, um die umliegenden Sicherungsanlagen im Niemandsland der Grenze zu kontrollieren. Noch heute zeugen Relikte wie ein 50 m langer und 60 cm breiter begehbarer Metallsteg auf der flachen Dachfläche von der ehemaligen Funktion des Gebäudes. Das Dach bietet eine freien Rundblick über das gesamte Gelände wie auch über die an der Nordseite des Backsteingebäudes vorbeifließende Spree. Die Relikte der Grenzanlagen aus der Zeit vor der Wende 1989 bilden - zusammen mit der grandiosen Aussicht auf die umliegende Stadtlandschaft mit dem Fluss - den besonderen ambivalenten Charakter des "Ostsicht" genannten Ortes.

Stefan Moritz Becker und Andreas Schmid, die schon mehrfach für Ausstellungsprojekte kooperierten, nützen die Besonderheit dieses Ortes für ein ungewöhnliches Kunstprojekt, das sowohl im Freien auf dem Dach als auch im Raum der 2yk Galerie zwei Stockwerke tiefer stattfindet. Das Dach der "Ostsicht" wird in seiner ambivalenten aktuellen wie auch historischen Bedeutung zum Vorbild für eine skulpturale Intervention im geschlossenen Raum der Galerie. Gleichzeitig wird das flache Dach selbst zum Bildträger für Zeichen und bildnerische Eingriffe, die subtil vorhandene Merkmale und Strukturen verstärken bzw. modifizieren. Die Künstler werden mit Linien und Bemalungen arbeiten, die den begehbaren Ort des Daches zum lesbaren Bild umdeuten und es dem Besucher ermöglichen, die Umgebung auf eine neue und unerwartete Weise wahrzunehmen. Auf das Dach gezeichnete Sichtachsen zur herausragenden Punkten der umliegenden Stadtlandschaft z.B. kontrastieren zum geschlossenen, skulptural veränderten Galerieraum. Das Thema der Grenze wird hier nicht historisch als DDR-Geschichte behandelt, sondern eher als physischer Raum bzw. als Bild erfahrbar und lesbar gemacht.

Die Kooperation der beiden Künstler entstand 1996 anlässlich einer Ausstellung in den Kunsthallen Brandts Klaedefabrik in Odense, Dänemark. Sie wurde fortgesetzt mit der Ausstellung "Wechselnde Geschwindigkeiten" in der Overbeck-Gesellschaft in Lübeck. Beide Künstler arbeiten auch getrennt mit temporären Interventionen die sich hier kongenial zu einer räumlichen Einheit verschränken.

Stefan Moritz Becker arbeitet mit Licht und Farbe, wobei er durch Fensterbemalungen das in den Raum einfallende Licht verfremdet oder den ganzen Raum zur Camera Obscura umbaut. In anderen Arbeiten nützt er den Lichtverlauf der Tageszeiten für komplexe Boden- und Wandzeichnungen die in ihrer Zeitmetaphorik manchmal wie die auf den Raum ausgedehnte Notation einer noch unerhörten musikalischen Komposition erscheinen.

Andreas Schmid interveniert mittels abstrakter Linien welche gegen die Raumkoordinaten als diagonale "Sehnen" gespannt werden oder als Wandzeichnung die Raumwahrnehmung und das Gleichgewichtsgefühl des Betrachters beeinflussen. Neuerdings arbeitet Schmid mit Clustern von Neonstäben die über die Wand verteilt und per Computer ansteuerbar sind. Es entstehen raumbezogene animierte Lichtkompositionen, die in anderer aber vergleichbarer Weise wie bei S.M. Becker, das Moment der Zeit einbringen.

Martin Pfahler Pressetext

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FLUT / GRABEN / GRENZE
Stefan Moritz Becker und Andreas Schmid
Kurator: Martin Pfahler