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Einleitend steht die Behauptung des Physikers Ludwig Boltzmann (1844-1906), die mathematisch beweist, dass Steine unter gewissen Vorraussetzungen fliegen könnten. Boltzmann erklärte mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung den Zusammenhang zwischen Thermodynamik und Mechanik.

Das Ausstellungsprojekt for some reason zeigt, dass unter bestimmten Umständen Zweifel an visuellen Erinnerungen und Erfahrungen der Umwelt auftreten können. Die Beschäftigung mit Wahrnehmungsmechanismen, dem Verhältnis zwischen Funktion und Verständnis physikalischer Gesetze, beziehungsweise die forschende Hinterfragung des Erlebten auf dessen Realitätsanspruch werden thematisiert.

Vier unterschiedliche künstlerische Positionen, bei denen die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Themen wesentlich ist, wurden ausgewählt. Ana Kadoic, Szabolcs KissPál, Anja Vormann/Gunnar Friel und Simon Wachsmuth finden sehr unterschiedliche Wege sich diesem Thema forschend, hinterfragend oder übersetzend zu nähern. Das Projekt wurde von Beate Rathmayr kuratiert.

Ana Kadoic “blue screen” - Ein Videoprojektor in der Mitte eines verdunkelten Raumes projiziert ein großes blaues Rechteck an die Wand. Es ist ein reines Blau, wie beim „blue screen generator“, dem Signal das erscheint, wenn man einen TV-Monitor oder einen Videoprojektor mit einem Videoplayer verbinden, nicht aber auf die Play-Taste drückt. Das einzige Bild, das vom Projektor kommt, bedeutet ein vorläufiges, unbedeutendes Signal, das sich in eine großartige Empfindung verwandelt. An der gegenüberliegenden Seite, symmetrisch zur Projektion, ist mit blauer fluoreszierender Farbe ein Rechteck an die Wand gemalt. Es gleicht dem ersten in Größe und Farbe. Die fluoreszierende Farbe übernimmt die Rolle des projizierten, färbigen Lichtes, sodass von zwei unterschiedlichen Quellen zwei ähnliche, sich gegenseitig beziehende Empfindungen produziert werden, identisch in deren optischen Erscheinen, unterschiedlich im deren physikalischen Bestand.

Ana Kadoic ist an visuellen Phänomenen interessiert. Als „Beschauerin“ ist sie vorerst an der subjektiven Wahrnehmung und der entsprechend Bewertung des Gesehenen interessiert, ohne Rücksicht auf eine kognitiv- objektive Ebene.

Durch Interventionen in wahrgenommenen Ordnungen, oft nur durch minimale Änderungen, beginnen sich Bedeutungen zu verschieben, und es können wesentliche Veränderungen im Lesen von Strukturen und Wahrnehmungsmustern hervorgerufen werden, welche dem Verständnis des Gesehenen näher kommen.

Szabolcs Kiss Pàl Zu Beginn des 19. Jahrhundert gab es eine Zeit in der Geschichte der Wissenschaft, in der die Subjektivität der Wahrnehmung in den Vordergrund gerückt ist, und der subjektive Aspekt empirischen Wissens formuliert wurde. Die Wahrheit wurde nicht mehr ausnahmslos in der Objektivität der Welt gesucht, sondern auch innerhalb des phänomenologischen Gehalts der Wahrnehmung.

Viele Philosophen und Wissenschafter wie zum Beispiel Goethe, Schopenhauer und Plateau versuchten Empfindungen in einen quantifizierbaren Prozess zu transformieren, ausgleichend zur deterministischen Vision des Newtonschen Weltkonzeptes. Sie besagten, dass es keine Wahrheit in der Welt ohne den Beobachter gibt, und dass seine Position von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Ihre Experimente führten unter anderem zu der Formulierung von der Beharrlichkeit der Vision und Erfindung von bewegten Bildern, aber auch zu einem anderen Ansatz zur Welt, bei Foucault „threshold of our modernity“ Für Experimente musste man die eigene Empfindung austesten, Plateau etwa wurde blind. Obwohl laut einiger Quellen keine direkte Verbindung zwischen seinen Experimenten und der Erblindung vorlag, wurde er nicht nur zum Märtyrer der Wissenschaft, sondern auch zur Metapher eines epistemologischen Radikalismus, der eigene Aufopferung im Willen einer methodologischen Konsequenz.

Anja Vormann / Gunnar Friel Anja Vormann und Gunnar Friel beschäftigen sich in Ihren gemeinsamen Arbeiten mit Übertragungsprozessen zwischen virtuellem und realem Raum. Mit Hilfe von Video, Fotografie und Computer verschieben sie Realitäten zwischen den beiden Welten. Dabei untersuchen sie wie sich digitale Gesetzmäßigkeiten im analogen Raum verhalten, wie reale Gegebenheiten im Kontext des Virtuellen reagieren und was mit dem Betrachter passiert, wenn die Ordnungsstruktur des Computers real wahrnehmbar oder sogar spürbar wird. Biologische Vermehrungs- und Wachstumsgesetze sowie zahlreiche andere Phänomene des Lebendigen, mit ihren Normabweichungen, werden auf die uns umgebende Umwelt übertragen. Die bekannten Objekte werden mit unheimlichen, die Grenzen des Normalen überschreitenden Eigenschaften ausgestattet, wirken belebt durch ihre Ausweitungen, Vermehrungen, sind Klone und Mutanten. Seit 2001 werden Bilder gesammelt die als Archiv online unter www.the-symptom.net zu sehen sind. Dieses dient als Datenbank in dem Installationen fotografisch dokumentiert, digitale Skizzen und fotografische Notizen zusammengetragen werden. Oft sind die Kategorien optisch nicht voneinander zu trennen. Die Bilder werden in einem wissenschaftlichen Verfahren im Archiv nummeriert, kategorisiert, datiert und örtlich bestimmt.

Simon Wachsmuth Eine scheinbar lose Ansammlung verschiedener Objekte bestimmt die Installation von Simon Wachsmuth. Monitore zeigen ein Interview mit einem Wissenschaftler, Pflastersteine die am Boden verstreut liegen bestimmen das Terrain, dazwischen versteckt sich ein prähistorischer Fisch. Eine Zeichnung an der Wand, verweist auf die potenzielle Verwendung von Pflastersteinen als unmittelbares Ausdrucksmittel innerhalb eines gesellschaftlichen Diskurses. Somit erfährt eine im Konzept der Ausstellung erwähnte Bemerkung Ludwig Boltzmanns, wonach Steine unter gegebenen Umständen fliegen könnten, eine andere Deutung.

Die einzelnen Bestandteile der Installation können nur durch eine experimentelle Vorgangsweise, Betrachtung und Reflexion, zusammengebracht werden. Das Reden über die Wissenschaft und die unterschiedlichen Arten in der sich die Natur und die Objekte selbst ausdrücken sind Material in dieser Versuchsanordnung. Die Würfelform welche sich durch die Arbeiten zieht, ist Rubiks buntem Würfel ähnlich. Bei dieser spezifischen Situation, können die Flächen aber nicht wieder in gleicher Farbe zusammengebracht werden. Erkenntnis, wird frei nach Boltzmann, oft nur durch die kurzzeitige Aufhebung der üblichen Umstände möglich.

Pressetext

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Ana Kadoic, Szabolcs Kiss Pal, Anja Vormann / Gunnar Friel, Simon Wachsmuth