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Mit der dritten Einzelausstellung von Franz Burkhardt eröffnet die Galerie Sebastian Brandl ihre neuen Räume in der Moltkestraße 81. 'Nichtsdestotrotz', so auch der Titel der Ausstellung, besetzt der 1966 in Wolfenbüttel geborene Künstler diesen öffentlichen Raum mit seinem privaten Panoptikum aus dem antiquierten Fundus einer schwüler Hinterzimmererotik. In einem eigens gezimmerten Geviert, einem skulptural anmutenden Raum im Raum, hängen dicht an dicht penibel angefertigte Handzeichnungen, zu denen alte Pin-up Fotos als tabuisierte Auswüchse der Kulturindustrie die Vorlagen abgaben. Matt von einer einzelnen Glühbirne beleuchtet, künden diese individuell gerahmten Handzeichnungen davon, dass kein modernes Kunstwerk, das etwas taugt, an der Dissonanz und dem Losgelassenen nicht auch seine Lust hätte. Burkhardt erweist sich aber auch als Wortjäger und Erforscher des verborgenen Sinns, indem er diverse Sprachfetzen oder eingefügte Satzfragmente, auch in Form von Sprechblasen hinzufügt. Unversehens verwandeln sich die eindeutig zweideutigen Bilderkaskaden in einen Hort von Widersprüchen oder in ein polyphon gestimmtes Konzert. In der Zusammenschau kann sich mitunter daraus ein Assoziationsspiel von "stiller Beseeltheit und bescheidener Wichtigkeit", wie etwa auf einer Zeichnung aus dem Jahre 2006 vermerkt ist, ergeben.

Der Abbildrealismus, mit dem Franz Burkhardt sich seinem Motivrepertoire annähert, begreift Realismus als ein Feld, das durch Fakten und Wünsche gleichermaßen bestimmt ist. Das gesellschaftliche Imaginäre ist demnach als gleichwertiger Teil der Realität anzusehen. Mit einem distanziert verhaltenen Loblied auf die Freiheit der Entgrenzung und Enthemmung schickt Burkhardt den Gerichtsprozess des Lebens gegen das Leben in Revision. Das Motiv für Burkhardts Realismus in der dargestellten Zweitverwertung von Formen und Aussagen aus der Schundkiste des Obszönen ist jedoch nicht als Bestätigung der Wunschmaschine Wirklichkeit zu werten, sondern beinhaltet gleichsam einen subtilen Protest an der medialen Ausbeutung unserer Gefühlshaushalte. Schließlich ergeht, wie Adorno bereits konstatierte, über das bürgerliche Element der einverstandenen Form, nicht anders als über die bürgerlichen Inhalte ein Bannfluch. Durch seine akkurate Übertragung in die nobilitierte Handzeichnung lockert Burkhardt diesen Fluch und entlarvt die Erotik im nostalgischen Gewand als verknapptes Kürzel für ein Versprechen der Bewusstseinsindustrie.

Mit seinen Nachzeichnungen ändert Burkhardt den Aggregatszustand der Bilder, eignet sich Wörter und Bilder an, die einem vielleicht nicht selbst gehören. Die geänderte Medialität verändert demnach auch ihre Modalität und somit kann und muss auch ihre Legitimation neu verhandelt werden. Betroffen von dieser Kontextverschiebung ist selbstredend auch der Ort, an dem diese Bilder zur Schau gestellt werden. Privates und Öffentliches scheinen einander zu durchdringen. "Die Tyrannei der Intimität", so ein weiterer Zeichnungstitel, greift auch auf die übrigen Wände der Galerie aus. Cremefarbene Wandbemalung, der Nachbau eines Gründerzeitkamins und zwei heimelig unheimliche Schränke aus alten Türblättern tragen zu einer dezent plüschigen Atmosphäre im angeeigneten neuen Galerieambiente bei. "Alles was zu verschwinden droht, gewinnt an Bedeutung" heißt es auf einer Zeichnung aus dem Jahre 2010. Getreu diesem Diktum finden wir zusätzlich großformatige Tuschezeichnungen des Künstlers, welche das Unterholz bei Meuschemen, einem Ortsteil der grenznahen wallonischen Stadt Baelen wiedergibt, wo sich der Künstler bereits vor Jahren niedergelassen hat. Das Geäst gehört zu einem Artenschutzgebiet, in welchem der Gräser- und Baumbestand später als üblich bewirtschaftet werden darf, um die Brut- und Nistplätze seltener Vogelarten zu schützen. Augenzwinkernd rechnet sich Franz Burkhardt wohl auch zu einer solch schützenswerten Gattung und sucht Zuflucht in einem frisch hergerichteten Kölner Galerieumfeld, welches seinerseits des Artenschutzes bedarf, ihn aber auch ein Stück weit zu gewähren verspricht. Nur zu gut weiß Burkhardt schließlich, dass wir es ohne ein buchstäbliches und metaphorisches Draußen in unserem buchstäblichen wie metaphorischen Drinnen nicht aushalten.

Verknüpft wird die Eröffnung der Ausstellung zusätzlich mit der Präsentation einer druckfrischen Künstlermonographie, welche im Salon Verlag erschienen ist und die Arbeiten von Franz Burkhardt aus den Jahren 2006 bis heute auf 132 Seiten Revue passieren lässt.

Hinzuweisen ist auch auf die eigens gestaltete Thekensituation der Galerie: ein Wagnis ganz eigener Art. Der in Köln lebende Bildhauer Jörg Wagner (*1967) hat speziell für den neuen Galerieraum die funktionsfähige Skulptur entworfen und vor Ort aus Beton gegossen.

Harald Uhr

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