press release only in german

Für seine zweite Einzelausstellung in den Galerieräumen hat sich Franz Burkhardt (*1966 in Wolfenbüttel) eine Verwandlung des Ortes vorgenommen. Drei Wände wurden eigens gebaut und geben dem semiöffentlichen Raum des Kunstbetriebs einen privaten Anstrich. Damit wird klargestellt: die Galeriebesucher betreten ein fremdes aber auch vertrautes Terrain, ein intimes Zuhause in welchem sich gelebte Zeit abgelagert zu haben scheint. Der neu-alte Kojeneinbau ist mit sorgfältigst gearbeiteter Fußleiste, eigens installierten Leuchtmitteln, sowie einem Waschbecken, nebst Wasserhahn mit fließend kaltem Wasser ausgestattet und verströmt den nostalgischen Charme einer schummrigen Inneneinrichtung. Eine Bastelästhetik und heimeliges Handwerk via Baumarkt kommt dabei zum Tragen. Einen eigenen Raum zu bauen entspringt dabei nur zu wahrscheinlich der Erfordernis, eine begrenzte Ordnung angesichts der grenzenlosen Unordnung in Szene zu setzen. Auf den Wänden sind die Zeichnungen des Künstlers platziert, die er zumeist nach älteren schwarz-weiß Fotografien, etwa aus den 50er Jahren, als Vorlagen angefertigt hat. Auch ihre Präsentation in diversen alten Rahmen unterstreicht ihren inszenierten dekorativen, nachgerade möblierenden Charakter. Dabei verrät die Auswahl der Vorlagen, betont ausgeleuchtete Akt- und Körperdarstellungen aus einschlägigen Magazinen, den dezidiert an Volumen interessierten Blick eines Bildhauers. Die penible zeichnerische Akkuratesse streicht diesen Umstand nur um so deutlicher heraus. Was zunächst als Trennendes wahrgenommen werden könnte, verbindet sich daher augenfällig mit der skulpturalen Wohnungseinrichtung zu einem modellhaften Ensemble.

Die Baustelle der Installation als ganzes bietet eine Beobachtung zweiter Ordnung, bei der nicht mehr eine direkte Beschreibung der Welt versucht wird, sondern vorhandene Weltbeschreibungen, wie aus einem Grab heraus wieder beschrieben werden. Die Antwort, die Samuel Beckett auf seine selbst gestellte Frage liefert: „Woher kommt die Stimme, die 'Lebe!' sagt?“, könnte gleichfalls über Burkhardts Beitrag stehen: „Aus einem anderen Leben.“ Die in die Zeichnungen hin und wieder integrierte Schrift wird dabei als kodierte Information augenscheinlich, deren Inhalte jeder Einzelne mit seinem individuellen Lebens- und Erfahrungshintergrund kurzschließen kann. Inmitten einer Welt der verabredeten Eindeutigkeiten unterhält Franz Burkhardt mit seinem zweiten Blick auf die konsumierten und oftmals vergessenen Bilder Kontakt mit den Dingen jenseits der Antithese von Nutzen und Nutzlosigkeit. Dieser Blick könnte jedoch auch die Fähigkeit bezeichnen, überraschende Verknüpfungen und ungeahnte Querverweise auch aus dem Fundus der Historie auf ihren künstlerischen Ertrag hin aufzuzeigen und durchzuspielen.

Die Modelle der banal erscheinenden Räume von Franz Burkhardt können durchaus als Instrumente zur Erkundung einer raum-zeitspezifischen Wirklichkeit angesehen werden, suggerieren sie doch die Möglichkeit einer distanzierten Übersicht über ein freigestelltes Fragment eben dieser Wirklichkeit. Vermeintlich kommt eine Vorstellung von Realismus zum Zuge, die ihren Ausgangspunkt bei einem nüchternen Beobachtungsgeist, gepaart mit einer Anhänglichkeit an das Zeugnis der Sinne nimmt.

Die Motive, die uns der Künstler als Platzhalter unserer Wirklichkeit in aufgeräumter Form vor Augen führt, sind an Allgemeingültigkeit kaum zu überbieten, rufen sie doch in jedem von uns einen kollektiven Bilderfundus aus der allseits vertrauten Bühne des Alltäglichen wach. Es sind jedoch zumeist weniger die puren architektonischen Formen, die in unserem Gedächtnis haften bleiben, als vielmehr Geschehnisse, Begegnungen oder Stimmungen, die wir mit diesen beiläufigen Un-Orten verbinden. Möglicherweise ist es gerade dieses fragwürdige Ins-Verhältnis-Setzen zur Erwartungshaltung des Betrachters, auf welchem der eigentümliche Reiz der Arbeiten von Franz Burkhardt gründet. Was die Arbeiten dabei in hohem Maße auszeichnet ist das Einhalten einer Balance zwischen dem reflektierten Einsatz der Mittel und dem Ausloten der Grenzverläufe hin zum Eigenleben des vermeintlich Unbelebten um uns herum, einem Spiel mit Distanz und Nähe, Variationen über ein Thema.

Die Haltung des Künstlers ist dabei weder pessimistisch noch zynisch. Sie ist nicht ideologisch oder utopisch, auch nicht offen kämpferisch, sondern geprägt von der verhaltenen Sicherheit der vagabundierenden Spieler, Poeten, Baumeister und ‚Bastler’, die den Alltag gleichermaßen als Materiallieferanten wie als Baustelle benutzen, als gegeben und infiltrierbar vorstellen. Hinter der Anschmiegung an Vorhandenes und Bekanntes setzt eine präzise Bildformung ein, deren Spiel mit der Wirklichkeit weder einfache Wiederholung noch eindeutiger Kommentar ist. Strukturelle, sowie auch ganz subjektive Ebenen werden dabei sichtbar und entfalten ihre je eigene Dynamik. Der Mensch ist eine Figur des Übergangs und der trennenden oder auch verbindenden Verknüpfung verschiedener Möglichkeiten.

Harald Uhr

only in german

Franz Burkhardt: Trennen und verbinden