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Franz Kapfer Franz Kapfer bedient sich in seinen Performances, Videos und Fotoinstallationen äußerst einfacher Mittel. In ihrer Einfachheit entsprechen diese Mittel den leeren Gesten, Ritualen, Symbolen und Monumenten, die Kapfer aufnimmt, um sie zu transformieren, und mit ihnen sich selbst. Ein solches künstlerisches Programm hat Tradition, das heißt es schließt an die Vorgaben der Körperkunst der 1970er Jahre an, wobei man hier differenzieren muss. Charakteristisch für Kapfer ist seine Indifferenz gegenüber dem Gebrauch des Körpers als stylus - als Schreibgerät (erinnert sei an Bruce Nauman). Doch ebensowenig erscheint der Körper - sein Körper - als Fläche (erinnert sei an die sado-masochistischen Einschreibungen der Aktionisten).

Kapfer arbeitet mit der dynamisierten Pose, der Maskerade oder Theatralisierung der eigenen Erscheinung. Und gerade diese ästhetische Entscheidung rückt ihn in eine bemerkenswerte Nähe zu den Praktiken feministischer Körperkunst, die sich vor der Folie des Widerstands gegen Rollen nicht nur an den Neuentwurf der Geschlechter machten, sondern auch soziale Mythologie neu erfanden. Kapfer nimmt diesen Gestus auf und reicht ihn weiter, was seiner Kunst nicht nur eine verblüffend eigenständige Färbung, sondern zugleich, und eher subtil, politisches Gewicht verleiht. Auch das Gros heterosexueller Männer weiß sehr gut, dass Männlichkeit Maskerade ist. Es kann dieses Wissen aber nicht »verkörpern«, geschweige denn leben.

Doch nicht nur das Monument »Männlichkeit« erlösen Kapfers Arbeiten aus seiner Erstarrung. Des Künstlers Requisitenkammer kennt auch nationalstaatliche und katholisch-christliche Symbole beziehungsweise Rituale. All diese Monolithe werden zur Wieder-aufführung gedrängt, sie werden aktualisiert, wobei sich die Kapfersche Wiederaufführung von der eigentlichen Aufführung unterscheidet. (Niemand wird behaupten, dass Theatralisierung der Sprache politischer oder kirchlicher Repräsentation fremd ist). Der Unterschied zwischen Kapfers Aufführung und Herrschafts-repräsentation liegt in der geänderten Bewegungsrichtung, denn Herrschaftsattribute haben Standbildcharakter, sie suchen die Zeit einzufrieren und bedienen eine Ästhetik des Todes. Kapfer dagegen sucht einen unmittelbaren, sprich: körperlichen Zugang zum Gebrauchswert dieser Attribute. Weil ihr Gebrauchswert aber bei Null liegt, entsteht eine mehr oder weniger groteske Situation. Dabei erscheint auf den ersten Blick die Inszenierung des Künstlers grotesk. Der zweite Blick enthüllt, dass die eigentliche und wahre Groteske im Geltungsanspruch jeglicher Attribute von Herrschaft liegt. Roger M. Buergel

Jörg Schlick Mit der Ausstellung unter dem paradoxen und sich selbst widersprechenden Titel „Ein Würfelwurf niemals je auslöschen wird den Zufall!“ verweist Jörg Schlick einerseits auf die Ästhetik der Absenz, aus der die Immaterialität ihren Ursprung nimmt, andererseits präsentiert er nahezu 400 farbenprächtige Fotoarbeiten. Vorstellungen zu den Begriffen Leere und Reinheit finden einen Kulminationspunkt in der Dichtung „Der Würfelwurf“ von Stephane Malarmé aus dem Jahr 1897, in dem das Problem der Auflösung beispielhaft zum Ausdruck kommt: Alles bleibt Zufall, Wüste, Nichts, Nacht, Leere, außer es kommt zu einer Konstellation, zu einer Ordnung von Zeichen. Das Absurde, das Unendliche, das Absolute werden hier angesprochen. Das Ideal, dem weder durch Selbstauslieferung an den Zufall noch mittels Durchkomponierung einer autonomen oder genialen Vorstellung nahe zu kommen ist, bleibt allerdings unerreichbar. So wählt Jörg Schlick nach dem Moto Antonin Artauds „Schluß mit dem Meisterwerk“ den Weg des Dilettanten, der präzise am Hauptwerk vorbeisteuert. Nicht die Wahl des Mediums ist ihm dabei wichtig, sondern das Resultat seiner Arbeit. Manisch, unvollendbar trotz immensen Arbeitseinsatzes konstruiert er nicht neu, sondern lenkt unseren Blick auf das schon immer Gesehene und gleichzeitig auf das Unendliche. Trotz der zielgerichteten Fokussierung auf Motive menschlicher Konstruktion und vegetabiler Erscheinungsformen wird die Bedeutung der einzelnen Arbeit dem Erzeugen eines Musters, eines Rhythmus, einer stringenten Dynamik untergeordnet. Die eruptive Fülle der Natur überschneidet sich mit Schlicks ästhetischem Blick auf Details, die er vexierbildhaft und kaleidoskopisch zu Vierergruppen bündelt. Ob es sich dabei um genomische Zusammensetzungen handelt oder um die Frage nach unterschiedlichen Wirklichkeitsmodellen, bleibt dabei sekundär, wichtig ist die mikrokosmische Untersuchung eines Gesamten, wobei das Vorläufige, das Fragment, das Scheitern der Bruch im Vordergrund steht. Trotz der verführerisch schönen Erscheinung im Ausschnitthaften weckt das Partikulare Assoziationen zu ökologischen, politischen und soziokulturellen Zusammenhängen und Problemen. Das menschliche Antlitz bleibt bezeichnenderweise ausgeschlossen, denn Jörg Schlick strebt ebenso wenig nach dem Ikon wie nach dem auratischen Hauptwerk. Kann er schon nicht die Meisterschaft eines Joachim Raffael Borronali, seinem großen Vorbild, erlangen, so erzeugt er in multiplikatorischer Serialität Strukturen, die jeden Ganzheitsanspruch ignorieren. Gleich Sisiphos, der sein Ziel nie erreichen kann, feilt Schlick, allerdings im Wissen um diese Unmöglichkeit ohne Unterlaß an seinem Blick. Die Mainstream – Fotokunst in ihrem Perfektionsanspruch ironisierend produziert der Meisterschüler Michael Krebbers in amateurfotografischem Understatement und im, dem medialen Vervielfältigungs- und Verbreitungsanspruch gerecht werdenden Medium der Fotografie. Gleichzeitig bricht er die Reproduzierbarkeit und den Verdacht auf Beliebigkeit durch das Mittel des einmaligen Abzugs und unterläuft seine eigene Medienkritik über den Weg einer dem Kunstmarkt widersprechenden absurd hohen Einzelproduktion. Elisabeth Fiedler

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Franz Kapfer / Jörg Schlick

Franz Kapfer
Kurator: Günther Holler-Schuster
Neue Galerie, Studio

Jörg Schlick - Ein Würfelwurf niemals je auslöschen wird den Zufall!
Kuratorin: Elisabeth Fiedler
Neue Galerie, im Hof