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Die Neue Galerie Graz hat es sich zu einer wesentlichen Aufgabe gemacht, nahezu verlorene künstlerische Positionen vor dem Vergessen zu bewahren. Fehldeutungen und einseitige Einschätzungen führen leider zu oft dazu, dass das Rezeptionsverhalten von Kunst klischeehaft wird und letztlich künstlerische Positionen falsch dargestellt werden.

Der Wiener Maler, Fotograf und Grafi ker Franz Senkinc (1902–1955) ist so ein heute Vergessener. Seine Ausbildung erfuhr er in Wien an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt und an der Kunstgewerbeschule. Sein hauptsächlich malerisches Frühwerk war stark geprägt von Einfl üssen Egon Schieles und seines Freundes O.R. Schatz. Letzterer dürfte auch sein gesellschaftspolitisches Engagement, das in das künstlerische Werk einfl oss, angeregt haben. Wie aus einem Hausbuch von 1934 des Architekten Franz Schacherl hervorgeht, war Senkinc mit Max Zülow, Rudolf Pointner, Karl Wiener, O.R. Schatz u.a. in einem sich regelmäßig treffenden Freundeskreis, dem auch Oskar Kokoschka zeitweilig angehörte. Dieses Buch gibt auch den umfangreichsten Einblick in die vom Avantgardismus geprägte Grundeinstellung dieser Künstler. Man war widerständig eingestellt und versuchte, einen freieren gesellschaftlichen Entwurf zu leben. Derartige alternative Gesellschafts - formen, die sich bspw. gegen traditionelle Formen des Zusammenlebens, wie die Ehe, richteten und teilweise von Wilhelm Reich angeregte Sexualvorstellungen umsetzten, fanden gerade bei Franz Senkinc starken Niederschlag in seiner Kunst. Senkinc, der in den 1930er Jahren im Atelier Otto Exingers arbeitete, experimentierte ständig in seiner Kunst. Neben Collagen, kleineren Materialbildern, Zeichnungen auf Transparentpapier, war es vor allem die Fotografi e, die Senkinc bis 1935 intensiv beschäftigte. Er erzielte in diesem Medium auch seine hervorragendsten Resultate. Die stark vom Hell-Dunkel-Kontrast geprägten Bilder, die von klassischen Genres wie Stillleben oder Portrait ausgehen, entwickeln sich zu einer einerseits surrealen Magie (Portraits) und andererseits zur Abstraktion (Stillleben). Er ist in diesem Moment der internationalen Entwicklung sehr nahe. Parallel dazu entstehen zwischen 1938 und 1950 sehr traditionelle, manchmal expressive Landschaftsbilder, die absolut widersprüchlich zur sonst progressiven Einstellung sind. Unmittelbar nach 1945 entstanden großformatige Collagen, die meist auf sehr direkte Weise den Wahnsinn und die Tragödie der Naziherrschaft bzw. des Krieges thematisieren. Später, bis zu seinem Tod, widmete er sich wieder surrealistischen Überlegungen, die erneut sehr stark sexuell motiviert waren.

Die Medien, die in den frühen 1950er Jahren schon den Erfolg der Wiener Schule des Phantastischen Realismus vorbereiteten, mit dem Senkinc nichts gemein hatte, nahmen das vielfältige Werk von Franz Senkinc meist ablehnend auf und schoben es in den subjektiven Bereich des Künstlers, der „nicht künstlerischer Ausdruck unserer Zeit“ sei. So zumindest sah es ein Kritiker einer Wiener Tageszeitung. Das dem nicht so ist, zeigt diese Ausstellung in der Neuen Galerie, die, seit dem Tod von Franz Senkinc 1955, sein Werk erstmals wieder öffentlich zugänglich macht.

Pressetext

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Franz Senkinc
Ein widersprüchlicher Avantgardist
Kurator: Günther Holler-Schuster