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Gabi Streile - 40 Jahre Malerei

12.04.2021 - 22.05.2021

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Lob des Sinnlichen

Auch nach 40jähriger Malpraxis sind die Bilder von Gabi Streile noch energiegeladen und fundamental. Jede Landschaft, jedes Stillleben ist so intensiv wie ein Herzzerspringen. Als ob sie die Selbstregulierungsmechanismen der Natur restituieren wollte, provoziert Gabi Streile auf ihren Leinwänden Farbausbrüche und ein Ausagieren im pinselwuchtig Unbestimmten abstrakter Sachlichkeit, dass man meint, die eigenen Pupillen würden Feuer fangen. Selten hat man solche in zyklischer Permanenz heizenden Hochöfen im Keilrahmengeviert gesehen. Ihre Landschaften, egal ob „feurig“ oder „sanft“, sind Ausnahmefälle mit Ausrufezeichen, gerade weil junge Maler und Malerinnen ihre Relevanz heutzutage hauptsächlich aus der Vergangenheit ableiten, aus den Zeiten, in denen alles ein wenig mystischer war, dabei schreibt sich Qualität in der Gegenwart aus der Sprengkraft der Authentizität und des eigenen Erlebens fort. Weil Gabi Streile die Verbetonierung von Natur und Städten, die Überdüngung der Böden, die sinnlosen Ökosiegel, die bedrängende Frage nach Sinn und Dauer des Daseins im Auge hat, hält sie am Lob des Sinnlichen fest, in nimmermüder neuromantischer Vermittlung. Für das außergewöhnliche Schauspiel eine „Landschaft mit grüner Wolke“ fand sie bezwingenden Ausdruck. Ihre „Großen Tulpen chromoxyd“ sind von solch methodischer Konsequenz, dass die Form explodieren muss, um zu unterstreichen, dass Farbe das erste Ausdrucksmittel der ästhetischen Entscheidung dieser Künstlerin ist. In „Stormy Monday (aurore)“ meint man das melancholische Wehen des gleichnamigen T-Bone-Walker-Blues’ im Gewand der Allman Brothers zu hören - Natur beseelt und von Weltschmerz erfüllt. Streiles „Melone (destruction - für L.B.)“ – ein saftiges Farbgestöber, ist tatsächlich zum Anbeißen schön, gerade auch im Kontrast zur delikaten Beglaubigung eines „Fisches“ auf dem Trockenen. Gabi Streile gehört zur Generation junger Karlsruher Akademiestudenten, die in den siebziger Jahren wieder malte, nachdem Minimalart und Agitprop der Sechziger sich gegenseitig neutralisiert hatten. Ihre Bilder haben bis heute Qualität, weil sie ihr Welterleben nie auserzählt, sondern der Phantasie der Betrachtenden überlässt.

Christoph Tannert, Direktor Künstlerhaus Bethanien