press release only in german

George Shaws (*1966) Bilder offenbaren zweifellos seine besondere Faszination für die englische Identität und Kultur, doch vermitteln sie zugleich das Bild einer im weitesten Sinne modernen europäischen Welt. Als Vorbild dienen ihm dabei Photographien von Vororten der englischen Arbeiterklasse, die entweder lokalen Zeitschriften entnommen sind oder vom Künstler selbst stammen. Seine suburbanen Landschaften – Wohnhäuser, Garagen, schäbige Parks und Erholungsflächen – bestechen und verführen in der sorgfältigen Malweise (Kunstharzlack Humbrol Enamel auf Holz) durch ihre glänzende Oberfläche und höchste Detailtreue. Die von George Shaw eingefangene Atmosphäre ist schamlos nostalgisch, zwingend und schaurig zugleich. Seine Bilder sind eine Hommage an Filme des Kitchen Sink Genres, die den Sozialrealismus der späten 50er und frühen 60er Jahre zu aktualisieren und entpolitisieren versuchen.

Seit 1996 hat George Shaw eine Vielzahl von Bildern geschaffen, die eine kollektive Erinnerung einer spezifischen Zeit in der englischen Stadtentwicklung in die Gegenwart projizieren. Mit dem modernen Städtebau, der in England verstärkt in den 70er Jahren betrieben wurde (Coventry, Milton Keynes), versuchte man das Land in eine bessere, moderne Zukunft zu transportieren. Ob die Vororte von Paris oder Moskau, als Vorlage für seine Bilder könnte George Shaw beliebige Wohnlandschaften verwenden. Dem Betrachter sind diese menschenleeren Orte, die in ihrer Scharfzeichnung und teils bedrückenden Atmosphäre an den Schauplatz eines Thrillers erinnern, vertraut und stimmen ihn zuweilen melancholisch.

George Shaw verzichtet in seinen Bildern bewusst auf jegliche Anhaltspunkte, die an eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort erinnern könnten (Autos, Menschen, usw.). Indem er eine unspezifische Vergangenheit und eine erkennbare Gegenwart andeutet, spielt er mit dem Begriff von Zeit, im Jetzt als Anhäufung der Vergangenheit.

Ähnlich wie etwa dem Viktorianischen Künstler John Atkinson Grimshaw (1836-1893), geht es George Shaw in erster Linie um die Darstellung von Lichtverhältnissen. Mit der präzisen Anwendung des Kunstharzlacks Humbrol Enamel erreicht er eine außerordentliche Leuchtkraft, die in ihrer Stimmungsdichte beides ist, wehmütig und erwartungsvoll. Seine Bilder bringen ein Spannungsverhältnis zwischen Licht und Schatten, Tag und Dämmerung, Sonnenschein und Regen zum Ausdruck, wobei die Landschaft in gewissem Maße selbst in den Vordergrund rückt – die Landschaft als stummer Zeuge, in der Rolle einer amoralischen, indifferenten Umwelt. George Shaws Bilder sind wie ein Abdruck von Zeit und Ort, wenn Ereignislosigkeit zum eigentlichen Erlebnis wird und Banalität zum feierlichen Akt.

only in german

George Shaw: Poet’s Day